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70 Einsendungen

Literaturbüro: Sieger des Wettbewerbs geehrt

Christian Engel
  • Do, 30. Juli 2015
    Freiburg

70 Jugendliche haben am Wettbewerb des Literaturbüros teilgenommen – eine Jury aus Schülern kürte die besten Einsendungen.

Für tolle Texte erhielten Caitlin Arno... Marius Müller Bücher und Gutscheine.   | Foto: Rita Eggstein
Für tolle Texte erhielten Caitlin Arnold, Marie Frevert und Marius Müller Bücher und Gutscheine. Foto: Rita Eggstein

Das Literaturbüro hat gemeinsam mit dem Vorderhaus die Gewinner des diesjährigen Schreibwettbewerbs für Jugendliche gekürt. 70 Einsendungen waren bis Ende Juni eingegangen. Eine Jury aus Schülerinnen und Schülern wählte die zehn besten Texte aus. "Grenzenlos" lautete das Thema – die Vielfalt an tollen Geschichten und Gedichten war es ebenfalls, wie Koordinatorin Ann-Christin Bolay fand: "Wir haben so viele unterschiedliche Texte gelesen und waren sehr angetan von den kreativen Ideen der Jugendlichen." Die BZ stellt die Preisträger vor.



1. Platz: Marie Frevert

Neulich spielte Marie Frevert am Deutsch-Französischen Gymnasium mit Flüchtlingen Basketball. Bei dem Projekt kommt die 16-Jährige aus dem Stadtteil Mooswald mit Jungen und Mädchen in Kontakt, die sie sonst nur in der Straßenbahn sitzend vor den Flüchtlingsheimen sieht. "Viele haben ziemlich traumatisierende Erfahrungen gemacht, über die manche gar nicht sprechen wollten", sagt sie. Das Schicksal der Flüchtlinge ergreift sie. Marie Frevert schaut Nachrichten, informiert sich, liest von Menschen, die hilflos auf dem Meer treiben oder an hohen Grenzzäunen verzweifeln. "Die Politik muss mehr tun, damit so etwas nicht passiert", sagt die Schülerin. "Man muss den Flüchtlingen Möglichkeiten bieten, hier zu leben."

Sie bringt ihre Gedanken zu Papier, später macht die Zehntklässlerin daraus eine Kurzgeschichte. Titel: "Nur ein Traum". Die letzten Sätze der Geschichte habe sie als erstes niedergeschrieben, verrät Marie Frevert, die sich vorstellen kann, später als Verlegerin zu arbeiten. Über mehrere Wochen saß sie immer mal wieder am Laptop und tippte. "Am Ende", sagt sie, "war ich sehr zufrieden mit dem Ergebnis."

"Ich schaue starr geradeaus. Hinter den Gittern und Zäunen sehe ich das Meer silbern glänzen. Irgendwie vermisse ich es. Vom Strand führt eine Straße in die Stadt. An dieser Straße steht ein Schild, fest verwurzelt im Asphalt. Es ist blau und darauf prangen viele Sterne. Es steht etwas geschrieben. "Willkommen in der Europäischen Union", liest Yusuf. Er lacht.

Ich muss unwillkürlich mitlachen, aber es klingt eher wie ein Schnauben. Wie etwas, was Menschen von sich geben, die schon zu viel gesehen haben. Ich kneife die Augen zusammen. Das Schild verschwimmt langsam vor meiner Sicht, wird zu einem blauen Fleck, so als gäbe es keine Grenzen, nur dieses undurchdringliche Blau.

Aber das ist wahrscheinlich nur ein Traum."

2. Platz: Marius Müller

Mit seiner Familie verbrachte Marius Müller den Urlaub in Ungarn, woher sein Großvater stammt. Eines Abends erzählt er von seiner Flucht nach Deutschland. Über eine halbe Stunde lang quetscht Marius seinen Großvater Ferenc aus, will Details wissen und hakt nach bei Sachen, die er nicht versteht. Als vergangenen Mai sein Deutschlehrer ihm den Literaturwettbewerb schmackhaft macht, muss der 14-Jährige aus Gundelfingen nicht lange überlegen, welche Geschichte er dafür erzählen will.

In Deutsch hat der Realschüler eine Eins. Das Schreiben mache ihm großen Spaß, weil er dabei den Kopf freibekomme, wie er sagt. An dem vierseitigen Text "Grenzenlos" sitzt Marius insgesamt fünf Stunden. "Mein Lehrer hat danach noch mal drübergeschaut und mir Tipps gegeben", erzählt der Neuntklässler. "Ich habe richtig viel dazu gelernt – auch über mich und meine Herkunft."

Da Marius Müller auch gut in Mathe ist, weiß er nicht genau, ob er später einmal Schriftsteller werden möchte. "Ich habe schon über Programmierer nachgedacht", sagt er. "Aber mal gucken: Noch ist ja viel Zeit."

"Eine Gänsehaut überzog seine ganzen Körper, umschlang ihn. Seine Ohren dröhnten und er stand innerhalb eines Sekundenbruchteils aufrecht im Zimmer. Das Blut in seinen Adern schoss zu seinem Kopf.

Eine grausam laute Explosion hatte ihn geweckt. Er konnte immer noch kaum etwas hören. Mit vorsichtigen, unsicheren Schritten ging er zum Fenster und öffnete zitternd den Vorhang. Er sah gerade noch, wie das Denkmal umfiel. RUMS! Die Erde zitterte. Die am Haus vorbeilaufenden Demonstranten bemerkte er unter diesem Schock nicht einmal."



3. Platz: Caitlin Arnold

In der Pause einer Schultheaterprobe hatte sie einen guten Einfall. Da Caitlin Arnold weder Papier noch Stift zur Hand hat, kramt sie ihr Handy aus der Schultasche. Nach fünfzehn Minuten ist das Gedicht getippt. Zu Hause überarbeitet sie es, gibt es Freundinnen und der Mutter zu lesen, sendet es ein – mit Erfolg.

Der 14-Jährigen aus Herdern gefällt es, sich beim Schreiben gut auszudrücken und andere Menschen mit ihren Ideen berühren zu können. Vor zwei Jahren fing die Neuntklässlerin des Friedrichgymnasiums an, Gedichte zu schreiben. In Stuttgart wurde sie bereits bei einem Schreibwettbewerb mit dem dritten Platz ausgezeichnet. "Preise sind eine schöne Anerkennung", sagt Caitlin. "Viel wichtiger ist mir aber, dass Leute meine Texte gern lesen und sich darüber Gedanken machen." Die Lust am Schreiben möchte sie sich auch künftig erhalten. Eventuell mache sie später mal was mit Medien. "Aber jetzt erstmal die Ferien genießen. Und vielleicht ein paar Gedichte schreiben."

"und die maßlose angst
uferlos zu sein, das ufer zu verlieren
ertrinken im eigenen kopf; du verlangst
sofortiges bedingungsloses kapitulieren
zitternd schwimmend im schwarz liegen
augen schließen schließlich
kannst du so wenigstens
durch deine eigene unendliche dunkelheit fliegen
fensterglas verschmutzt verschwommen
enden enden unabsehbar
und wenn du im kalten wasser halb atmend strauchelst, erstickend fällst,
erinnere dich, dass
freiheit nicht die einzige bedeutung von grenzenlos ist"

Die Siegertexte auf: http://mehr.bz/siegertexte2015

Ressort: Freiburg

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 30. Juli 2015: PDF-Version herunterladen

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