Marcel Reif zu Gast bei "Nachgefragt"
Und wieder ein prominenter Gast in der Schüler-Talkshow "Nachgefragt" am Freiburger Rotteck-Gymnasium: Am Freitagabend war Fußballkommentator Marcel Reif zu Gast.
Mo, 9. Jul 2012, 0:06 Uhr
Freiburg
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Marcel Reif wird von Zuschauern und Kritikern als einer der besten deutschen Sportkommentatoren gefeiert, seine skurrile Kommentierung des "Torfalls von Madrid" am 1. April 1998 mit Günther Jauch ist legendär. Und doch geriet der Reporterfuchs, Gewinner von Grimme- und Deutschem Fernsehpreis, am Freitagabend in der Talkshow "Nachgefragt" am Rotteck-Gymnasium mächtig ins Schwitzen – und das nicht nur wegen der Hitze der Scheinwerfer. Reif musste ein Schneckenrennen live kommentieren und beim Trkotbemalen eine gute Figur machen.
In der mit Augenzwinkern moderierten biografischen Einführung kam Reif als Partylöwe mit Hang zu exklusivem Lifestyle – teure Klamotten, schöne Uhren, schnelle Autos – rüber, der als zweifacher Boutiquenbesitzer einst Miese im sechsstelligen Bereich machte und nach der Trennung von seiner ersten Frau zum Spielball der Boulevardmedien wurde. Ziemlich entsetzt, hilflos und panisch sei er damals, 1995, gewesen; mit "Bild" und "Express" hat er seit damals kein Wort mehr gewechselt. Der 62-Jährige, einst London-Korrespondent des ZDF, später RTL-Chefkommentator und heute das Gesicht von Premiere, nahm so viel Einblicke in sein Leben mit Humor: "Da war so viel Schönes dabei – und so viel für meinen Anwalt." Am Ende der 100-minütigen Show fand er für seine Gastgeber noch lobende Worte: "Ihr habt sehr, sehr gut recherchiert, an einigen Stellen zu gut, wie ich finde."
Bei allem Spaß und aller Spielereien: Es wurde auch über ernste Momente in Reifs Leben gesprochen. Etwa über den Tod seines Freundes Michael Palme vor gut zwei Jahren – der langjährige ZDF-Sportreporter hatte auf einer gemeinsamen Reise in der Karibik neben ihm einen Schlaganfall bekommen. "Ich konnte ihm nicht helfen", sagte Reif. Mit so etwas schließe man nie ab: "Er fehlt mir."
In Polen 1949 als Sohn einer Katholikin und eines Juden geboren, emigrierten die ganze Familie Reif 1956 nach Israel. Doch in der Schule in Tel Aviv sollte der junge Reif – nicht nur der fremden Sprache wegen – nicht zurecht kommen, auch nicht im Internat belgischer Mönche, wo ihn die Eltern nach dem dreiwöchigen Experiment Volksschule bald schon anmeldeten. "Ich weiß nicht, wie ich dort überleben konnte", erzählte Reif und sprach von einem "schwarzen Loch" in seinen Kindheitserinnerungen. "Es war eine Zeit, die mich traumatisiert hat." 1957 zog die Familie dann nach Deutschland – und der junge Marcel Reif streifte sich das Trikot des 1. FC Kaiserslautern über. Viele Jahre später mutierte der Familienvater am Spielfeldrand dermaßen zum HB-Männchen, dass sein kickender 13-jährige Sohn ihm sagte: "Tu mir einen Gefallen, bitte komm nicht wieder." Du musst lernen, dich zu beruhigen, habe ihm der Sohn mit auf den Weg gegeben.
Natürlich lässt sich mit einem wie Marcel Reif kein 100-minütiges Gespräch ohne das Thema Fußball führen. Die Spanier seien in der ersten Hälfte des EM-Finales "ziemlich nah dran gewesen an Fußball in Perfektion". Insgesamt, fand der Fußballexperte, sei die EM aber kein gutes Turnier, das Gefälle zwischen den drei, vier Teams vorne und dem Rest sei zu groß gewesen. Und Bundestrainer Löw? Für den fand Reif kritische Worte: Der habe seine Mannschaft gegen die Italiener falsch auf- und eingestellt – "ich bin enttäuscht vom deutschen Trainer". Reif plädierte aber auch dafür, nun nicht alles schlecht zu machen, man müsse lediglich ein paar Dinge überdenken – "nur mit Özils wirst du es nicht packen", es brauche auch schlicht spielende Kicker. Ein weiterer Kritikpunkt: Die Spieler würden zu sehr "gepampert" in den von Manager Bierhoff geschaffenen Wohlfühloasen. Einer wie Matthias Sammer kriege da einen Hautausschlag.
Natürlich waren auch die "falschen" Bilder der Uefa bei der Europameisterschaft ein Thema bei "Nachgefragt". Etwa jener weinende weibliche deutsche Fan, der nach dem 0:2 gegen Italien eingeblendet wurde. Erst hinterher wurde bekannt, dass die Frau vor dem Spiel geweint hatte – vor Rührung. Für Marcel Reif ein No-go, so etwas widerspreche seinem Ethos. "Es ist absurd. Eine Live-Übertragung ist eine Live-Übertragung und keine gebaute Geschichte. Inszenieren ist nicht unser Job." Dass politische Plakate in den Stadien vom Fernsehen nicht gezeigt wurden, hielt er für einen Fehler, "das ist Teil des Ereignisses" und sei im Bewusstsein der Menschen. Er selbst müsse als Reporter subtil mit politischen Äußerungen umgehen. "Man muss so etwas sehr ordentlich verpacken."
Legendär sind Reifs und Günther Jauchs Kommentare, als bei einem Champions-League-Spiel in Madrid im April 1998 ein Tor umfiel und sie spontan 76 Minuten zu überbrücken hatten. "Wenn uns einer gesagt hätte, wir haben 76 Minuten, wir wären sofort aufgestanden. Es war reine Anarchie", erinnerte sich Reif kopfschüttelnd. "Am Anfang habe ich so einen Stuss geredet", etwa über Kellerregale.
Die Schüler Iman Falahen und Max Fehr wollten Reif in eine ähnlich schwierige Lage versetzen. Kurzerhand holten sie drei lebende Schnecken mit bunt bemalten Häusern aus Gläsern und ließen ihren Gast ein "Rennen" mit den drei Kriechtieren kommentieren. Als das so gar nicht voranging, besprühten sie die schleimigen Tierchen gar noch mit Bier. Leicht fassungslos, schüttelte Reif den Kopf. "Sie verwechseln das hier mit Mario Basler", kommentierte er das Bierdoping.
Am Kommentieren hat der Wahl-Züricher noch immer seine Freude, schon jetzt denkt er an die neue Bundesligasaison und an den Herbst, da werde er Opa von Zwillingen und die Familie gründe ein Mehrgenerationenhaus, verriet Reif. "Da freuen wir uns unendlich drauf."
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