Studileben

Meinung: Die Inflation raubt den Studis ihre Rituale

Lara Walter

Von Lara Walter

Di, 21. Februar 2023 um 11:30 Uhr

Stadtgespräch (fudder) Stadtgespräch

Kein Döner, kein Bier, kein Skifahren. Stattdessen Sorgen um Mieterhöhungen und Nebenjobs. Insbesondere Studierende leiden unter der Inflation. Unsere Autorin hat ihre Situation zusammengefasst.

Die ganze Pandemie über freute ich mich auf die Zeit "nach Corona". Ich freute mich auf die Freiheit. Endlich wieder feiern gehen, in Cafés gehen, Freunde treffen, auf die Kneipen und auf Urlaub mit meinen Freunden. Jetzt ist das alles theoretisch wieder möglich, doch in der Praxis holt mich die Inflation immer weiter ein und ermöglicht es mir kaum, meine Freiheit auszuleben.

Rituale gehen verloren

Es sind vor allem die Rituale, die in meinem Freundeskreis immer mehr wegbrechen. Normalerweise war dienstags in meinem Freundeskreis immer der Döner-Dienstag. Doch seit der Döner überall mindestens sieben Euro kostet, ist der Döner-Dienstag Geschichte. Auch unser Freitagabendbesuch in der Kneipe findet nicht mehr regelmäßig statt.
Beim Feiern gehen heißt die Devise: Entweder Kneipe, oder Club. Beides ist einfach nicht mehr tragbar. Und oft fragen wir uns, ob wir denn überhaupt fit genug sind, um in den Club zu gehen, denn der gestiegene Eintrittspreis muss sich ja auch lohnen.

Auch meine Kaffeeliebe hat sich drastisch reduziert: Früher gab es nach der Mensa meist einen Kaffee im Senkrecht, nachmittags zwischen den Vorlesungen dann noch einen. Doch selbst seitens des Studierendenwerks wurden die Preise erhöht, die Mensapreise schon zweimal. Folglich reicht mein Autoload-Guthaben von 20 Euro meist nicht einmal mehr für eine Woche.

Nach Corona wurde es nicht besser

Angefangen hat der stetige Verfall von Ritualen Ende des letzten Sommers und die Konsequenzen werden immer dramatischer. Manchmal erinnert mich das alles an die Corona-Zeit, doch dieses Mal ist es schmerzhafter, weil man weiß, dass die Kneipen und Clubs ja offen haben. Auch die Gespräche mit Freunden drehen sich immer mehr um Inflation, Energie sparen und den richtigen Mittelweg zwischen Schimmelvermeidung und Heizkosten sparen. Und wir reden nostalgisch über die Zeit vor Corona, als der Döner die Hälfte gekostet hat oder man sich ein Wochenende Skifahren mit Freunden noch leisten konnte. Jetzt gehen wir statt einem Tag Skifahren am Feldberg lieber Langlaufen oder Wandern.

Supermarkt statt Café

Die liebgewonnenen Traditionen wie Döner-Dienstag oder Kaffeeklatsch finden einfach nicht mehr statt. Für den Koffein-Kick heißt es nun: Thermoskanne von zuhause mitbringen. Der Gang zu Edeka oder Rewe wird zum Luxusspaziergang, stattdessen kaufe ich eigentlich nur noch beim Discounter. Auch verbringe ich mit meinen Freunden wieder mehr Zeit Zuhause, statt in den Dönerläden, Kneipen und Cafés der Stadt.

Nicht einmal zwei Nebenjobs reichen

Was das alles gefühlstechnisch mit mir macht?
Es macht mich vor allem wütend. Wütend, weil wir Studierenden in der Corona-Krise schon enorm viel einstecken mussten. Damals war es nachvollziehbar, denn es war zum Schutz der Gesellschaft. Doch die Universität war letztendlich die letzte Instanz, die wieder geöffnet wurde, und sollte diesen Winter schon wieder geschlossen werden, um Heizkosten zu sparen. Seitens der Politik kommt wenig bis keine Unterstützung, nach dem Motto: Die Studis, die schaffen das schon, die sind jung. Aber wie, wenn selbst das Studierendenwerk die Kosten nicht mehr tragen kann und die Wohnheime teurer werden? Wie, wenn sich viele Studierende zwei Nebenjobs suchen müssen? Das meiste Geld geht inzwischen für die Lebenshaltungskosten drauf. Die 200 Euro Energiekostenpauschale sind schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung, doch das Antragsverfahren lässt zu wünschen übrig und das versprochene Geld lässt auf sich warten.

Angst vor der Zukunft

Die Situation bringt auch ein ängstliches Gefühl mit sich: Steigende Studienabbrüche, mehr psychische Belastungen, aber nicht genug Beratungsstellen. Das Gefühl, allein gelassen zu werden. Bei mir kommt noch dazu, dass ich kurz vor der Inflation vom Wohnheim in eine private WG gezogen bin – ein ziemlich ungünstiger Zeitpunkt. Mein Vermieter drohte schon mehrfach mit einer Verdoppelung der jetzt schon hohen Nebenkosten. Bisher gab es noch keine finale Nachricht, aber ich habe Angst davor. Und ich mache mir Sorgen, dass die Ausgehszene weiter aussterben wird, da sich Studierende wie ich sich das Ausgehen einfach nicht mehr regelmäßig leisten können.

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