Merz in Kiew: "Schön, in diesem Land zu sein"

Seit dem Wochenende wird über den Besuch des CDU-Chefs in der Ukraine gerätselt / Am Dienstag taucht er dort auf / Was bezweckt er mit der Reise?.  

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Friedrich Merz mit Ruslan Stefantschuk (rechts)  | Foto: Efrem Lukatsky (dpa)
Friedrich Merz mit Ruslan Stefantschuk (rechts) Foto: Efrem Lukatsky (dpa)
. Eine Reise vor allem mit Symbolwert: Es ist Woche zehn des Ukraine-Kriegs, und als erster Bundesvorsitzender einer deutschen Partei besucht der CDU-Chef Friedrich Merz die Hauptstadt Kiew. Während Kanzler Olaf Scholz (SPD) eine solche Tour gerade nochmals abgelehnt hat, trifft der Oppositionsführer am Dienstagvormittag mit dem Zug ein. "Eine Nacht im Schlafwagen auf dem Weg nach Kiew", sagt er in einem per Twitter verbreiteten 17-Sekunden-Video, das ihn im Zugabteil mit Wasserflaschen auf dem Tisch und draußen vorbeiflirrenden Bäumen zeigt. "Wir haben eine interessante Reise vor uns und bis jetzt kann ich nur sagen: Alles sicher, alles gut und die ukrainischen Behörden sind äußerst kooperativ. Sehr angenehme Menschen. Es ist schön, in diesem Land zu sein."

Die Frage ist: Was macht Merz dort eigentlich? Die ukrainische Seite hat in den vergangenen Wochen immer wieder deutlich gemacht, dass sie vor allem an einem interessiert ist: militärische Unterstützung in ihrem Verteidigungskampf gegen Russland. Beispielsweise in Form von Kampfpanzern oder Artillerie. Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk bringt es zeitgleich mit der Merz-Reise so auf den Punkt: "Worauf sich die Ukraine viel mehr als auf alle symbolischen Besuche freuen würde, ist, dass die Ampel-Regierung den Antrag des Bundestages über die Lieferung von schweren Waffen zügig umsetzen wird und die bisherigen Zusagen erfüllt."

Neue Waffenzusagen kann der Partei- und Fraktionschef aber nicht machen. Die könnte allenfalls der Kanzler im Gepäck haben. Am Vortag hatte Merz erklärt, er fahre auf Einladung des ukrainischen Parlaments. Er wolle sich mit Vertretern von Parlament und Regierung treffen und sich selbst ein Bild von der Lage vor Ort machen.

Dazu besucht Merz am Dienstag Irpin im Großraum Kiew. Die Stadt war in der ersten Phase des Krieges heftig umkämpft gewesen, von dort wurden ähnliche Gräueltaten russischer Soldaten wie in Butscha gemeldet. Merz lässt sich schildern, "was hier passiert ist, welche Opfer hier zu beklagen sind, aber auch welche großartige Leistung der ukrainischen Armee und gerade dieser Einheit hier vollbracht worden ist", wie er sagt. "Ich kann nur sagen: jeden Respekt, große Anerkennung."

Nach Angaben eines Sprechers trifft Merz überraschend für eine gute Stunde auch Präsident Wolodymyr Selenskyj. Zum Inhalt des Gesprächs äußert er sich nicht. Darüber werde Merz zunächst mit dem Kanzler reden.

Aus ukrainischen Regierungskreisen heißt es, geplant seien ferner Treffen des CDU-Vorsitzenden unter anderem mit dem ukrainischen Regierungschef Denys Schmyhal und Bürgermeister Vitali Klitschko. Auch Gespräche mit Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk und Oppositionspolitikern stünden auf dem Programm.

"Ich denke, wir sind in Deutschland auch weiter verpflichtet, diesem Land weiter zu helfen und gerade einer solchen Stadt wie Irpin auch beim Wiederaufbau zu helfen", sagt Merz bei seinem Besuch in Irpin zwischen zerschossenen Häusern. Das wird man dort gern gehört haben.

Mancher Ampel-Politiker wird aber den Verdacht nicht los, es gehe Friedrich Merz noch um etwas ganz anderes. Am kommenden Sonntag wird in Schleswig-Holstein gewählt und am Sonntag darauf – noch wichtiger – in Nordrhein-Westfalen. Während nach den Umfragen die Sache in Kiel klar auf einen CDU-Sieg hinausläuft, steht es in Düsseldorf Spitz auf Knopf. Die regierende CDU und die oppositionelle SPD liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen – Machtverlust für Ministerpräsident Hendrik Wüst nicht ausgeschlossen.

Merz in Kiew, Scholz in Meseberg: Daraus lässt sich im Wahlkampf die Botschaft stricken: Die CDU treibt den SPD-Kanzler auch in dieser Frage vor sich her, so wie schon in der Debatte um die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Zwar erklärt CDU-Generalsekretär Mario Czaja am Dienstag im Deutschlandfunk mit Blick auf die Reise: "Das hat mit den anstehenden Landtagswahlkämpfen rein wirklich gar nichts zu tun." Doch gleichzeitig sagt der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, der Rheinischen Post: "Wochenlang hätten Scholz und seine Minister nach Kiew fahren und damit ein Zeichen der Solidarität setzen können. Jetzt muss es Merz tun."

Gibt Merz also den Ersatzkanzler? Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth, jedenfalls warnt davor, eine solche Reise aus parteipolitischen Beweggründen anzutreten. Es sei gut, wenn auch deutsche Politiker in die Ukraine reisten", sagt der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Aber sie müssen dafür gute Gründe haben. Ein schlechter Grund ist es, einen innenpolitischen Streit in die Ukraine zu tragen und sich dort parteipolitisch profilieren zu wollen."
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