Mit der Polizeieskorte durch Moskau

Die Studentin Kathrin Freudenberger diskutierte im 8. Deutsch-Russischen Jugendparlament – über Homosexuelle und "Pussy Riot" .  

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Kathrin Freudenberger Foto: Michael Bamberger

Eine Woche lang diskutierte sie in Moskau mit Nachwuchsparlamentariern bis spät in die Nacht über politische Themen. Doch das Spannendste kam für Kathrin Freudenberger am Schluss: Sie sah Angela Merkel und Wladimir Putin live im Kreml. Zu dem wurde die 23-Jährige mit einer Polizeieskorte gebracht. Und zu den beiden Staatschefs wurden sie und die anderen 49 Jugendparlamentarier erst vorgelassen, nachdem man sie gefilzt hatte.

"Ich habe mich gefühlt wie in einem Überwachungsregime. Es hat mich an Erzählungen meiner Eltern von der DDR erinnert", erzählt die 23-jährige Studentin der Evangelischen Hochschule. Das habe schon bei der Ankunft im Hotel angefangen: Dort mussten sie ihre Reisepässe abgeben und wurden polizeilich registriert, genauso beim Besuch von Parlamenten oder der Uni. "Überall gibt es Drehkreuze, wo du nur durchkommst, wenn du deinen Pass reinsteckst", erzählt Kathrin Freudenberger. Gerade der Besuch im Kreml, dem Sitz des russischen Präsidenten, sei sehr spannend gewesen: "Nachdem wir in Bussen von der Polizei durch gesperrte Straßen eskortiert wurden, mussten wir im Kreml vor einer Spiegelwand warten und unsere Pässe durch einen Schlitz stecken, ohne zu wissen, was passiert." Es hat alles geklappt – die Studentin wurde als ungefährlicher Besucher eingestuft.

Schon vor sieben Jahren war sie bei einem Schüleraustausch in Moskau. Seitdem wollte sie zurück in die russische Stadt. Da kam die Aufforderung der "Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch" zur Teilnahme am 8. Deutsch-Russischen Jugendparlament gerade recht. Kathrin Freudenberger hat sich beworben, wurde ausgewählt und flog für eine Woche nach Moskau. Dort überraschte sie nicht nur das Sicherheitsbedürfnis des russischen Staates. Sondern auch die hitzigen Diskussionen, die sich um interessante Themen wie Homosexualität oder die Inhaftierung von "Pussy Riot", einer regierungskritischen Frauen-Punkband, drehten. Die wurden allerdings abseits des Protokolls debattiert.

Nicht nur Merkel und Putin stritten über "Pussy Riot"

Deshalb kamen sie gar nicht ins Abschlusspapier, das am Ende der Woche an alle Ministerien geschickt wurde. So lauten die offiziellen Ergebnisse des deutsch-russischen Jugendparlaments: Forderungen nach mehr Visa-Freiheiten und einem deutsch-russischen Geschichtsbuch.

"Es stellte sich heraus, dass die Russen oft eine andere Auffassung haben", sagt Kathrin Freudenberger. Aber ist das nicht der Sinn des Parlaments – zu debattieren und einen Konsens zu finden? Schon, meint die Studentin, aber oft sei man zu keiner Lösung gekommen. "Wir haben zum Beispiel den Gesetzesentwurf diskutiert, der mit Geldstrafen verhindern soll, dass über Homosexualität gesprochen wird. Eine russische Teilnehmerin hielt Homosexualität tatsächlich für eine Krankheit", erklärt sie.

Auch das Thema "Pussy Riot" sei schwierig gewesen. Manche russischen Teilnehmer meinten, die Bestrafung der Mitglieder zu zwei Jahren Straflager sei gerecht. Die unterschiedliche Denkweise habe man auch gespürt beim Aufeinandertreffen der Staatschefs beim deutsch-russischen Gipfeltreffen, dem "Petersburger Dialog", erzählt die Freiburgerin. Sie und die anderen Jungparlamentarier waren live beim Abschlusstreffen im Kreml dabei. Auch Merkel sprach die Inhaftierung an, erzählt Kathrin Freudenberger. Putins Reaktion war alles andere als gefasst: Er verwies auf angebliche antisemitische Handlungen von "Pussy-Riot"-Mitgliedern, und darauf, dass diese in Russland geahndet werden würden. Die Studentin hat Merkel genau beobachtet: "Sie hat stark reagiert und gesagt, wenn sie immer gleich eingeschnappt sei, könnte sie keine drei Tage Bundeskanzlerin sein."

Für Kathrin Freudenberger hat sich die Moskauer Woche gelohnt – trotz Überwachung und unterschiedlicher Meinungen: "Ich habe durch Gespräche viel gelernt, zum Beispiel dass viele Einstellungen mit der Erziehung zu tun haben." Die russischen Studenten hätten sich gewundert, wie offen die Deutschen ihre Meinung vertreten. "In Russland gibt’s in der Schule keine mündlichen Noten. Viele kennen es darum gar nicht, ihre Meinung zu sagen." Diese Einblicke ins Leben von russischen Jugendlichen fand sie spannend. Und nach Moskau würde sie jederzeit wieder reisen. Auch wenn Kathrin Freudenberger zwischendurch manchmal gedacht hat: "Oh Gott, nie wieder Politik!"

Die Stiftung Deutsch-Russischer Austausch organisiert das Jugendparlament von deutscher Seite aus. Bewerben kann sich jeder zwischen 16 und 25 Jahren, über http://www.stiftung-drja.de Flug, Unterkunft und Verpflegung übernimmt die Stiftung, es fällt nur eine Teilnahmegebühr von 50 Euro an.

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