Account/Login

Unter Protest

Island geht wieder auf Walfang – umstrittene Tradition

André Anwar
  • Mi, 01. Juli 2015, 00:01 Uhr
    Panorama

Isländische Fangschiffe sind wieder ausgelaufen, um Finnwale zu erlegen. Das zähe Walfleisch wird zwar von Isländern kaum noch nachgefragt, das Land legt jedoch viel Wert auf Tradition.

Finnwale werden in Island schon immer ...heute kaum jemand das Walfleisch isst.  | Foto: DPA
Finnwale werden in Island schon immer gejagt – auch wenn heute kaum jemand das Walfleisch isst. Foto: DPA
Die Proteste von Tierschützern und der Tourismusbranche stoßen deshalb auf Unverständnis. Die Jagd läuft. Unter lautstarkem Protest von Tierschützern sind am Sonntag die Schiffe Hvaldur 8 und Hvaldur 9 aus dem Hafen von Reykjavik ausgelaufen, um Finnwale abzuschießen. Dabei ist abschießen die richtige Beschreibung: Wie bei Moby Dick werden Harpunen benutzt. Diese werden heute von schwenkbaren Sockeln abgeschossen, haben kanonenähnliche Stoßkraft und explodieren im Körper des Wals, damit sich zahlreiche Widerhaken ins Fleisch bohren können.

Die auch in Bezug auf Fluchtstrategien erstaunlich intelligenten Meeressäuger haben, einmal von einer Harpune getroffen, kaum eine Chance zu entkommen. "Obwohl die Explosivharpune nur aus einem bestimmten Winkel abgefeuert werden darf, halten sich die Waljäger in der Praxis nicht daran. Oft zielen die Walfänger ungenau und feuern zu früh ab. Die Harpunen treffen deshalb oft nicht die lebenswichtigen Organe und die Tiere sterben einen qualvollen Tod", sagt die Biologin Sandra Altherr von Pro Wildlife. Am Dienstag hatten Walschützer auf der Homepage Avaaz.org bereits knapp 800 000 Unterschriften gegen die isländische Waljagd zusammenbekommen. Das ist viel im Vergleich zur Gesamtbevölkerung der Nordatlantiknation von rund 330 000 Einwohnern.

Auch die blühende einheimische Tourismusbranche, die inzwischen für einen großen Teil der Wirtschaftsleistung des Landes steht, hat Bedenken. Zwar bieten Restaurants Touristen gern Walfleisch an. Der Walfang rechne sich dennoch wirtschaftlich kaum und sei schädlich für den Ruf Islands. Vor allem Walbesichtigungstouren auf Schiffen sind bei Touristen beliebt. Immer wieder kam es in der Vergangenheit zu unschönen Szenen, bei denen Touristen Zeugen einer blutigen Waljagd wurden.

Insgesamt liegt die vom isländischen Fischereiministerium zugelassene Abschussquote für Finnwale bei 154 Stück. Bereits zuvor war die Jagdsaison für maximal 229 Zwergwale ins Laufen gekommen. Im letzten Jahr wurden insgesamt 137 Finnwale und 24 Zwergwale getötet. Dass die Quoten nicht ausgenutzt wurden, hat auch mit der geringen Nachfrage nach dem nicht besonders gut schmeckenden und teils von Schwermetallen belastetem Walfleisch zu tun. Weil es kaum noch einen Markt gibt, wurde isländisches Walfleisch bis 2013 in Japan zu Hundefutter verarbeitet.

In den Jahren 2011 und 2012 wurde die Finnwaljagd abgesagt, weil bereits zu viel unverkauftes Fleisch in Kühlhäusern eingelagert war. Obwohl Isländer selbst laut Umfragen kaum noch Walfleisch essen, sind sie mehrheitlich für die Jagd. Das Land legt großen Wert auf Selbstbestimmung und Tradition, unabhängig vom geringen wirtschaftlichen Nutzen. "Zudem sind die Finnwalbestände in isländischen Gewässern, im Gegensatz zu denen in der Antarktis, überhaupt nicht bedroht", sagt Asta Einarsdottir vom Fischereiministerium.

Island und Norwegen sind die einzigen Länder, die den kommerziellen Walfang verteidigen und Vorbehalte gegen ein internationales Moratorium von 1986 haben. Japan führt den Walfang unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Zwecke durch. Grönland erlaubt der Urbevölkerung die Erlegung von Walen für den Eigenbedarf.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mi, 01. Juli 2015: PDF-Version herunterladen

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel