"Papa, ich möchte auch schöne Haare"

Eltern schwarzer Kinder haben die Gruppe Kidayo gegründet, um ihren Sprösslingen "Mehrheitserfahrungen" zu ermöglichen.  

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Schwarze Kinder bemerken meist früh, dass sie nicht der Norm entsprechen.  | Foto: Privat
Schwarze Kinder bemerken meist früh, dass sie nicht der Norm entsprechen. Foto: Privat

Rassismus in Deutschland? Gibt es. Subtile rassistische Diskriminierung in Deutschland? Gibt es noch viel häufiger und sie geschieht oft unbewusst. Wenn bereits Kinder in sehr jungen Jahren davon betroffen sind, ist das schockierend. Vor allem ist diese Erfahrung sowohl für die Kinder als auch für ihre Eltern aber eines: schmerzhaft.

Ein Vierjähriger kommt aus dem Kindergarten nach Hause. Er berichtet seinem Vater, ein Spielkamerad habe zu ihm gesagt, er solle zurück nach Afrika, einzig und allein aufgrund seiner Hautfarbe. So geschehen bei Maxwell Shavanga, dessen inzwischen sechsjähriger Sohn schon damals merkte, dass er als "anders" betrachtet wird. "Ich war geschockt, man fühlt sich machtlos", berichtet der Vater, "wie erklärt man seinem Kind, was da passiert ist?" Der 35-Jährige sagte seinem Sohn, dass seine Wurzeln in Kenia lägen, und dass er genau hier her gehört, nach Deutschland, wo er geboren ist.

"Es ist eine Art von Mobbing", so Sophie Kaiser-Dieckhoff, Ethnologin und selbst Mutter eines Schwarzen Kindes, "eine Ausgrenzung wegen Äußerlichkeiten, wegen der Hautfarbe." Dass man als weißer Mensch in Deutschland in einer Mehrheitsgesellschaft lebt und Schwarze im Umkehrschluss immer in der Minderheit sind, nehmen viele als selbstverständlich hin, exotisieren diese Menschen automatisch.

Viele schwarze Kinder merken schon sehr früh, dass sie nicht so aussehen wie die meisten Menschen um sie herum. "Meine Tochter, drei Jahre alt, kam einmal zu mir und sagte: "Papa, ich möchte auch schöne Haare"", berichtet Shavanga. Schöne Haare? "Unsere Kinder sehen die Ideale überall: in den Kinderbüchern, im Fernsehen oder auf Werbeplakaten", erklärt Christina Küchle, die, wie Kaiser-Dieckhoff, Mutter eines schwarzen Sohnes ist, "und diese Ideale haben eben häufig glatte, am besten noch blonde Haare." Professoren, Ärzte, Anwälte: Ob männlich oder weiblich, in vielen Berufsgruppen findet man in Deutschland noch erstaunlich wenig schwarze Menschen, "dabei hat die Hautfarbe ja nichts mit der Intelligenz zu tun, das muss allen klar werden", da sind sich die Eltern einig.

Das Thema Diskriminierung werde sehr häufig unter den Tisch gekehrt. "Da wird man schnell zur betroffenen, empfindlichen Mutter", erzählen Küchle und Kaiser-Dieckhoff. Shavanga findet es schwierig, selbst über das Thema Diskriminierung zu sprechen: "Nicht, weil ich das nicht möchte, sondern weil man sofort in die Opferrolle rutscht, obwohl man einfach nur einen offenen Diskurs anregen möchte."

Und dann gibt es da noch den anderen Fall: "Viele packen das Thema gerne in Watte", berichten die drei Elternteile. "Da kommen dann Kommentare wie: ,Süß, ein schwarzes Baby‘", so Shavanga. "Wenn das süße Baby dann aber plötzlich ein Teenager ist, halten die Leute im Supermarkt ihre Taschen fester, als stecke hinter jedem nicht weißen Menschen ein Krimineller", ergänzt Küchle. Stigmatisierung und klassisches Schubladendenken werden alltäglich empfunden.

Das ist einer der Gründe, weshalb Sophie Kaiser-Dieckhoff, Esther Große und Christina Küchle die Gruppe "Kidayo" gegründet haben, zu der auch Maxwell Shavanga mit seiner Familie gehört. Hier treffen sich schwarze Kinder gemeinsam mit ihren Angehörigen. Während die Kinder spielen, haben die Eltern Zeit, sich auszutauschen und ihre Erfahrungen zu teilen. Erreichen wollen sie damit aber vor allem eines: Ihre Sprösslinge sollen auch einmal eine Mehrheitserfahrung machen. "Unsere Kinder sind schließlich genauso Deutsche und sie sind genauso schön und richtig und gut wie alle Kinder", sagt Kaiser-Dieckhoff.

Kidayo:Treffen an jedem ersten Samstag im Monat im Mütter- und Familienzentrum Klara, Büggenreuterstraße 12; Kosten: 1 Euro pro Familie, Kontakt:

[email protected]

Korrekte Ansprache

Viele Menschen denken, sie lägen mit der Bezeichnung schwarzer Menschen mit Wörtern wie "farbig" oder "Mischling" goldrichtig und würden damit niemanden verletzen. Tatsächlich sind beide Begriffe jedoch Relikte aus der Kolonial- und NS-Zeit und haben einen rassistischen Hintergrund. "Farbig" beispielsweise ist euphemistisch: Der Begriff beschönigt, betrachtet das Weiß-Sein als Norm und sollte daher vermieden werden. Stattdessen gibt es Begriffe wie "People of Color" (englisch für nicht-weiße Menschen), bei dem die Person selbst im Mittelpunkt steht. Auch die Begriffe afrodeutsch und schwarz im Sinne einer sozio-politischen Konstruktion tragen keine negative Konnotation und sind selbstgewählte Eigenbezeichnungen.

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