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Thailand

Sak-Yant-Tätowierungen sind eine Körperkunst, der magische Kräfte zugeschrieben werden

  • Carola Frentzen (dpa)

  • Do, 03. Februar 2022, 20:30 Uhr
    Panorama

     

Im Vergleich zu normalen Tätowierungen sind Sak-Yant-Tätowierungen sehr schmerzhaft. Viele Thailänder – und auch mancher Hollywood-Star – schreiben ihnen aber zu, Wünsche erfüllen zu können.

Tätowiermeister Ajarn Neng sitzt in seinem Laden und tätowiert mit einem angespitzten Metallstab eine junge Frau. Foto: Carola Frentzen (dpa)
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. Magie und Aberglaube gehen in Thailand sprichwörtlich unter die Haut. Sak Yant heißt die ebenso geheimnisumwitterte wie schmerzhafte Tätowierkunst, die schon so manchen in Trance versetzt haben soll. Die wohl berühmteste Trägerin ist ein Hollywoodstar.

Konzentriert und mit stoischer Mine lässt die junge Thailänderin die Prozedur über sich ergehen. In einem rosa Kleid kniet sie vor dem Meister, den Rücken entblößt, die Hände in Gebetshaltung. Hinter ihr sitzt Ajarn Neng im Schneidersitz auf einer Holzbank, einen angespitzten Metallstab in der Hand. Der 45-Jährige ist bis zum Hals mit geheimnisvollen Motiven tätowiert. Mit ebenso gezielten wie routinierten Bewegungen sticht er mit schwerem Werkzeug unter ihre Haut.

Die Frau lässt sich zwischen den Schulterblättern ein Sak Yant stechen. Die sakrale Tätowierkunst ist in Südostasien seit Jahrhunderten verbreitet. Sak bedeutet dabei so viel wie "tätowieren", das Wort Yant stammt aus dem Sanskrit und steht für sakrale geometrische Figuren. Das Besondere: Anders als Hautverzierungen im Westen, die gerne zur Schau gestellt werden, bleiben Yantra-Tätowierungen oft verborgen. Ihr Sinn ist nicht Ästhetik, sondern die Entfaltung mystischer Kräfte.

"Ajarn" ist dabei kein Name, sondern die gängige Bezeichnung für Sak-Yant-Meister. Auf Thai bedeutet das Wort schlicht "Lehrer". Ein Ajarn hat eine lange Ausbildung hinter sich, während der er in das von Generation zu Generation übertragene Wissen um die Mysterien, Regeln und Botschaften eingeweiht wird. Auch viele buddhistische Mönche sind Sak-Yant-Meister. Verwendet werden angespitzte Metall- oder Bambusstäbe.

Für jeden Wunsch

ein anderes Motiv

"Nicht zu verwechseln ist das mit den Touristenläden, etwa in Bangkok", sagt der deutsche Autor Tom Vater, der ein Buch über die Körperkunst geschrieben hat. Seit sich Hollywoodstar Angelina Jolie und weitere Promis Sak Yants stechen ließen und die Körperkunst bekannt machten, wittern viele das große Geschäft. Shops von Phuket bis Chiang Mai werben mit "Bamboo Tattoos" zum kleinen Preis. "Das hat mit echten Yantra-Tätowierungen und Schutzkräften nichts zu tun, das sind nur hübsche Bilder auf der Haut", betont Vater.

Der 54-Jährige, der seit 20 Jahren in Thailand lebt, hat selbst seit einigen Jahren ein von Ajarn Neng gestochenes Sak Yant. "Es hat mich überrascht, wie weh das im Vergleich zu normalen Tattoo-Nadeln getan hat. Die ersten zwei Minuten waren die Hölle", erinnert er sich. Zum Motiv habe ihm Ajarn Neng geraten. Der Tätowierung geht immer ein eingehendes Gespräch zwischen ihm und dem "Devotee" (deutsch: Anhänger) voraus. Besprochen wird, was das Sak Yant bewirken und welche Kräfte es entfalten soll. Gesundheit? Erfolg? Für fast jeden Wunsch und jede Lebenslage gibt es ein Muster, eine Figur oder einen Schriftzug. "Ich rate dann auch zu einer bestimmten Körperstelle, je nachdem, was der Träger bezwecken will", sagt Arjan Neng.

An der Wand hängen Fotos, die ihn mit Action-Star Steven Seagal und mit Schauspielerin Brooke Shields zeigen, die beide zu seinen Kunden gehören. Daneben sind mehr als ein Dutzend Metallstäbe in verschiedenen Längen aufgereiht. Viele Ausländer kämen zu ihm, sagt er, "neben Amerikanern vor allem Deutsche".

Während des Tätowierprozesses rezitiert der Ajarn ein Mantra. Anschließend wird das Sak Yant aktiviert – so auch bei der jungen Frau im rosa Kleid. Ajarn Neng legt ihr die Hände auf die Schultern und spricht ein weiteres Mantra, dann pustet er sanft auf die Stelle und besprenkelt sie mit Wasser. Hier wird es noch geheimnisvoller: Obwohl der Meister 20 Minuten lang zugestochen hat, ist die Haut der Frau nur leicht gerötet, das Tattoo ist gar nicht auszumachen. Die Thailänderin hat sich für ein Sak Yant in Öl entschieden, nicht mit Tinte. So ist es zwar da, bleibt aber unsichtbar. Es gebe leider viele Vorurteile gegen die Tätowierungen, sagt ihre Freundin Rin. Denn gerade die konservative thailändische Mittelschicht tut die sakralen Tattoos gern als Hokuspokus der Arbeiterklasse ab.

So mancher Kriminelle soll angeblich dank seines Sak Yant auf den Pfad der Tugend zurückgekehrt sein, so Vater. Denn der Devotee verpflichtet sich, sein Leben lang fünf buddhistische Regeln einzuhalten, etwa kein Leben zu nehmen, nicht zu stehlen und keine Rauschmittel zu konsumieren. Zudem hat jeder Ajarn seine eigenen Gebote. Bricht der Devotee sie, verliert sein Sak Yant die Kraft, so heißt es.

Yantra-Tätowierungen seien eine ganz eigene Welt, "ein bizarres Aufeinanderprallen von Umständen, von Glaube und Geschichte, von Ordnung und Chaos, von Suchern und Scharlatanen, von Demut und Machismo", bringt Vater es in seinem Buch auf den Punkt. Und ein großer Teil der thailändischen Gesellschaft sei Teil dieser mysteriösen Welt, mit einem Sak Yant als "zweiter, magischer Haut".

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 04. Februar 2022: PDF-Version herunterladen

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