Verbrechen

Schutz vor Gewalt: Was die Fußfessel leistet – und was nicht

In Baden-Württemberg wollen die Parteien über eine Änderung des Polizeigesetzes reden, um die elektronische Fußfessel einführen zu können. In anderen Bundesländern gibt es sie bereits.  

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So sieht sie aus, die elektronische Fußfessel  | Foto: Anre Dedert (dpa)
So sieht sie aus, die elektronische Fußfessel Foto: Anre Dedert (dpa) 

Im vergangenen Jahr sind 18.538 Mädchen und Frauen in Baden-Württemberg von Verwandten, Lebensgefährten oder Ex-Partnern misshandelt worden. Das sind rechnerisch mehr als 50 pro Tag. Und das ist nur die offiziell bekannte Zahl. Bislang hat es das Land nicht geschafft, wirksam dagegen vorzugehen. Hoffnungen setzt die Politik in die elektronische Fußfessel für potenzielle Gewalttäter. In vielen Bundesländern ist sie bereits eingeführt, nun soll sich das auch in Baden-Württemberg ändern. Aber bringt das wirklich etwas?

Der Plan

Das Land könnte sich an einem Entwurf ausrichten, den die SPD bereits formuliert hat. Im Kern soll demnach der Einsatz der elektronischen Fußfessel nach richterlichem Beschluss auch bei häuslicher, partnerschaftlicher Gewalt und bei vergleichbaren Stalking-Fällen angeordnet werden können. Bisher ist dies nur bei terroristischen Gefährdern möglich. SPD und Grüne, CDU und FDP haben nun vereinbart, nach der Sommerpause darüber zu verhandeln, wie dafür das Polizeigesetz verändert werden könnte. Eine bundesweite, einheitliche Regelung gibt es bisher nicht, ein entsprechendes Gesetz ist aber in Planung.

Die Fußfessel

Durch die neue Technik kann die Fußfessel des Täters in Echtzeit mit einem GPS-Gerät des Opfers kommunizieren. Über Satellitensignal (GPS) kann der Träger jederzeit geortet werden. Auf die Daten darf allerdings nur zugegriffen werden, wenn das System Alarm schlägt. Nach zwei Monaten müssen sie gelöscht werden. Eine Fessel kann – je nach gesetzlicher Vorgabe – so programmiert werden, dass der Träger Zonen nicht verlassen oder nicht betreten darf, dafür lassen sich auch Zeiten festlegen. Ist sie einmal angelegt, lässt sich eine Fußfessel dann nicht mehr ohne weiteres öffnen.

Das Vorbild Spanien

Der bislang bekannte SPD-Vorschlag orientiert sich vor allem am Beispiel Spanien: Dort werden keine festen Verbotszonen überwacht, vielmehr ist der Abstand zwischen Täter und Opfer maßgeblich: Das Opfer trägt ebenso wie der potenzielle Täter eine GPS-Einheit – befindet sich der Täter mit der Fußfessel in der Nähe, wird bei der Polizei Alarm ausgelöst und das Opfer erhält einen Warnhinweis. Mit der Einführung dieses Modells im Jahr 2009 sank die Zahl der ermordeten Frauen in Spanien deutlich. Zudem gaben rund 95 Prozent der zu schützenden Frauen an, dass sich ihr Sicherheitsgefühl durch das Gerät verbessert hätte. Sachsen, Hessen und weitere Bundesländer setzen das "spanische Modell" bereits um.

Die Bedenken

So sehr die elektronische Fußfessel das Opfer schützt, so sehr kann sie auch die Rechte des potenziellen Täters einschränken. "Zum einen kann ein Opfer sich subjektiv sicherer fühlen", sagt Jörg Kinzig, Direktor des Kriminologischen Instituts der Universität Tübingen. "Zum anderen ist das ein schwerwiegender Grundrechtseingriff – in diesem Spannungsverhältnis bewegen wir uns."

Die Forderungen

Kann eine Fußfessel Täter auch abschrecken? Das hält Kinzig für möglich. "Aber wenn jemand sich entschlossen hat, eine andere Person zu töten, dann wird er das möglicherweise auch machen, wenn er eine Fußfessel hat", so Kinzig. Deshalb sei sie kein Allheilmittel. "Wir müssen uns bewusst sein, dass sie nur ein begrenztes Maß an Sicherheit bietet."

Und natürlich reicht allein eine Fußfessel nicht aus, um Leben zu retten, davon ist auch der Weiße Ring überzeugt. "Es wäre ein wichtiger Baustein, der das Risiko der Gewalt reduzieren würde", sagt der Landesvorsitzende der Opferschutz-Organisation, Hartmut Grasmück. Auch Angebote wie das Annäherungsverbot, nach dem sich die gewalttätige Person ihrem Opfer nicht nähern darf, Schutzräume und Beratungen sind wichtig.

Kinzig nennt eine elektronische Fußfessel einen Stein von vielen. "Andere präventive Vorkehrungen sind mindestens genauso wichtig, wenn nicht wichtiger. Deshalb würde ich davor warnen, zu sagen: Jetzt haben wir ja die Fußfessel. Dann können wir auf andere präventive Maßnahmen verzichten."

Schlagworte: Hartmut Grasmück, Jörg Kinzig
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