Volkswagen

"Shit, voll schiefgelaufen": Zehn Jahre Dieselskandal bei VW

Vor zehn Jahren flog der Dieselskandal bei Volkswagen auf und erschütterte nicht nur den Konzern. Wie ist heute der Blick auf einen der größten Wirtschaftsskandale?  

Mail

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen
„Dieselgate“  brachte VW  ins Wanken.  | Foto: Ole Spata (dpa)
„Dieselgate“ brachte VW ins Wanken. Foto: Ole Spata (dpa)

Auf den Straßen von Kalifornien lösten drei Studenten eine Welle aus, die als Tsunami im niedersächsischen Wolfsburg aufschlug: Ihre Tests mit einem VW Jetta im Frühjahr 2013 führten mit zur Aufdeckung der Abgasaffäre im Herbst 2015. "Dieselgate" erschütterte Europas größten Autobauer und brachte den Konzern ins Wanken. Zehn Jahre später ist einer der größten Skandale der deutschen Industriegeschichte längst aus dem Fokus. Das bedeutet aber nicht, dass alle Wogen geglättet sind.

Von einem selbst verursachten "Kulturschock" sprach VW-Chef Oliver Blume jüngst auf der Automobilmesse IAA Mobility in München. Der Konzern habe aber aus seiner Sicht Lehren daraus gezogen. Es seien Compliance-Prozesse installiert worden, die Kultur bei Volkswagen habe sich verändert und dabei auch die Art und Weise, wie der Konzern geführt werde. "Wir haben die Produktstrategie verändert", sagte Blume mit Blick auf die Transformation zu mehr Elektromobilität.

Eine Zäsur für Volkswagen, danach veränderte sich vieles

"Das war das einzig Gute an der Sache", sagte Helena Wisbert, Professorin für Automobilwirtschaft an der Ostfalia Hochschule Wolfsburg. Als Reaktion auf den Skandal sei E-Mobilität als Zeitenwende zelebriert und vorangetrieben worden. "Ansonsten wäre die Dieseltechnologie noch viel länger die erste Technologie geblieben", sagte Wisbert. Sie könne sich noch gut an 2015 erinnern. "Der Tag war eine Zäsur für VW. Danach hat sich alles geändert". Am 18. September 2015 veröffentlichte die US-Umweltbehörde EPA die "Notice of Violation", in der VW beschuldigt wurde, mit einer Software Emissionsprüfungen für bestimmte Luftschadstoffe zu umgehen. Kurz zuvor hatte VW in den USA falsche Testergebnisse eingeräumt. "Shit, voll schiefgelaufen", soll ein VW-Entwickler in den Tagen gesagt haben, als sich die Katastrophe in Verhandlungen mit den US-Behörden nicht mehr abwenden ließ.

Gefängnisstrafen in den USA und Deutschland

Nach dem Bekanntwerden brachen VW-Aktien ein und Vorstandschef Martin Winterkorn flog aus dem Amt. In den USA zahlte Volkswagen mehr als 20 Milliarden Dollar an Strafen und Entschädigungen. Auch in Deutschland wurden Bußgelder in Milliardenhöhe verhängt. Mittlerweile gibt es unzählige Urteile; sowohl in den USA als auch in Deutschland wurden Gefängnisstrafen gegen frühere VW-Mitarbeiter verhängt.

Ob der 2024 gestartete Prozess gegen Winterkorn jemals fortgesetzt wird, ist offen: Sein Verfahren wurde im Juli diesen Jahres wegen gesundheitlicher Probleme unterbrochen und später wegen Verhandlungsunfähigkeit vorläufig eingestellt. In den wenigen Verhandlungstagen hatte "Mr. Volkswagen" jegliche strafrechtliche Verantwortung zurückgewiesen. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Experte: Kein Schummel, sondern knallharter Betrug

"Mit welcher Hybris geglaubt wurde, man käme mit so etwas durch, war für mich unfassbar", sagte Autoexpertin Helena Wisbert. Sie sei überrascht gewesen, dass den besten Ingenieuren der Branche nichts anderes eingefallen sei, als zu manipulieren. Und auch Frank Schwope, der Automobilwirtschaft an der Fachhochschule des Mittelstands in Köln und Hannover lehrt, reagiert mit Kopfschütteln, wenn bis heute von "Schummeln" gesprochen wird. "Das ist kein Schummel, das ist knallharter Betrug gewesen", sagte der Branchenexperte.

Neben dem Imageschaden und dem Vertrauensverlust traf der Skandal den Konzern vor allem finanziell. Die eigenen Kosten für die Aufarbeitung der Manipulationsaffäre gibt Volkswagen mit rund 33 Milliarden Euro an. "Das ist schon ein ziemlich teurer Weckruf für die Elektromobilität gewesen", sagte Schwope mit Blick darauf, dass VW nach dem Dieseldebakel voll auf den Elektro-Kurs setzte.

Studie sieht E-Mobilität auf gutem Weg

Dass die gesamte europäische Autoindustrie zehn Jahre nach dem Aufdecken des Abgasskandals bei VW auf einem guten Weg zu mehr Elektromobilität ist, bescheinigt ausgerechnet eine neue Studie der Organisation ICCT. Der internationale Umweltforschungsverbund hatte im Frühjahr 2014 eine Analyse zu auffälligen Messungen von Abgaswerten in den USA veröffentlicht – von Betrug war noch keine Rede. Zusammen mit US-Umweltbehörden trug das International Council on Clean Transportation aber dazu bei, dass die VW-Dieselaffäre 2015 aufflog.

Es gab Vorwürfe, Durchsuchungen, Rückrufe und auch andere Autobauer mit ähnlichen Vorgängen mussten Fahrzeuge nachrüsten. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestags befasste sich mit der Rolle der Behörden. Die EU-Kommission forderte strengere Abgastests und mehr Aufsicht. Dennoch hat es nach Einschätzung von Helena Wisbert auch Gründe, warum in erster Linie Volkswagen mit dem Dieselskandal verbunden wird. "Der anfängliche dreiste Umgang mit den Vorwürfen der Abgasmanipulation bei VW hat sich ins Gedächtnis eingebrannt", sagte Wisbert. Der Konzern habe damals nicht angemessen reagiert und eine Salamitaktik verfolgt.

Schlagworte: Helena Wisbert, Frank Schwope, Martin Winterkorn

Weitere Artikel