Studie bescheinigt Ampel respektable Zwischenbilanz

Ansehen und Effektivität der Ampel-Koalition klaffen auseinander. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie zur Halbzeit der Legislaturperiode. Die Regierung sei besser als ihr Ruf.  

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Robert Habeck, Christian Lindner und Olaf Scholz  | Foto: Michael Kappeler (dpa)
Robert Habeck, Christian Lindner und Olaf Scholz Foto: Michael Kappeler (dpa)
Die meisten Menschen in Deutschland halten die Ampel-Koalition laut aktuellen Umfragen für zerstritten, und das Ansehen der Regierung hat zur Halbzeit der Legislaturperiode einen Tiefpunkt erreicht. Eine am Dienstag vorgestellte Bertelsmann-Studie bescheinigt der Koalition allerdings eine respektable Zwischenbilanz: Die "Ampel" habe bereits 38 Prozent ihrer Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag voll oder teilweise umgesetzt. Bei weiteren 26 Prozent sei die Umsetzung in Arbeit. Sie habe damit mehr Versprechen erfüllt als die Vorgängerregierung.

Die Autorinnen und Autoren haben für ihre Analyse insgesamt 453 Versprechen im Koalitionsvertrag gezählt und den jeweiligen Stand der Umsetzung überprüft. Das Ergebnis: 174 Versprechen seien bereits voll oder teilweise erfüllt. Insgesamt 162 Versprechen (36 Prozent) seien bislang weder erfüllt noch angegangen worden. Die übrigen Vorhaben befänden sich im Prozess der Erfüllung oder sie seien bereits "substanziell angegangen" worden.

Robert Vehrkamp, der Demokratie-Experte der Bertelsmann-Stiftung, sprach von einer "insgesamt sehr vielversprechenden Halbzeitbilanz, die aber überschattet und geprägt ist von öffentlich inszeniertem Koalitionsstreit und vielen offenen Baustellen". Erarbeitet wurde die Studie von der Bertelsmann-Stiftung in Zusammenarbeit mit der Universität Trier und dem Progressiven Zentrum.

Der Parlamentsgeschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), widersprach dem positivem Befund. Die "Ampel" scheine "unbeeindruckt von der Realität ihren veralteten Koalitionsvertrag abarbeiten zu wollen", sagte Frei in Berlin. "Sie geht damit inzwischen ganz an den zentralen Themen der Menschen vorbei. Die Enttäuschung und der Frust der Bevölkerung sind da verständlich." Es werde "höchste Zeit, dass die Ampel ihre ideologischen Scheuklappen ablegt und sich den Problemen der Menschen ernsthaft widmet", sagte er.

Der Ansehensverlust der Koalition beschäftigte auch die Autoren der Bertelsmann-Studie. "Im Kontrast zum Ambitionsniveau und Umsetzungsstand ihres Koalitionsvertrages steht die öffentliche Wahrnehmung der Ampel-Regierung als Streitkoalition", heißt es in der Studie. Nur noch zwölf Prozent der Menschen in Deutschland seien der Meinung, dass von den vereinbarten Koalitionsversprechen "alle, fast alle oder ein großer Teil" umgesetzt würden.

Der öffentlich inszenierte Koalitionsstreit führe dazu, dass die tatsächliche Regierungsleistung und Umsetzungstreue unterschätzt werde, erklärte Politikexperte Wolfgang Schröder vom Progressiven Zentrum. "Deshalb braucht die Ampel einen Neustart in ihrer koalitionsinternen Zusammenarbeit und Selbstdarstellung."

Im Vergleich zur Halbzeitbilanz der Vorgängerregierung habe die Ampel mit 38 statt 53 Prozent bereits erfüllter Versprechen prozentual zwar weniger erfüllt – aber mit 174 statt 154 erfüllten Versprechen in absoluten Zahlen gerechnet sogar etwas mehr geschafft, heißt es in der Studie.

Der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung aus dem Jahr 2021 enthält insgesamt 453 "echte" Regierungsversprechen: Als "echte" Versprechen hat das Studien-Team nach eigenen Angaben nur solche Vorhaben eingestuft, deren Erfüllung anhand klarer Kriterien nachprüfbar ist.

Im Koalitionsvertrag der "Ampel" seien das gut 50 Prozent mehr als die 296 Versprechen der Großen Koalition im Koalitionsvertrag von 2018. Gegenüber dem Koalitionsvertrag 2013 mit 188 Versprechen habe die "Ampel" sogar fast zweieinhalb Mal so viele Regierungsvorhaben vereinbart.

In einer Umfrage des Allensbach-Instituts für Bertelsmann zeigte sich nur jeweils etwa ein Viertel der Menschen in Deutschland mit der Arbeit von SPD (25 Prozent), Grünen (23 Prozent) und FDP (22 Prozent) "sehr oder eher" zufrieden. Mehr als sechs von zehn der Befragten sind dagegen "eher oder sehr" unzufrieden mit der Leistung der Regierungsparteien.

Unzufriedenheit wurde am Dienstag auch aus den Reihen der Koalitionspartei Grüne geäußert. Es sei zwar gut, dass Ampelvorhaben abgearbeitet würden – aber es hätten "von Anfang an wichtige Vorhaben im Koalitionsvertrag gefehlt", sagte die Vorsitzende der Grünen Jugend, Sarah Lee Heinrich, den Sendern RTL und n-tv. Es sei nicht verwunderlich, dass die Menschen unzufrieden seien, denn das, was die Menschen bräuchten, stehe gar nicht im Koalitionsvertrag.
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