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Teure Extras beim Arzt

  • dpa & afp

  • Fr, 04. Mai 2018
    Deutschland

Krankenkassen halten viele Selbstzahlerleistungen für nutzlos / Patienten sollten sich beraten lassen.

Da wird Kasse gemacht – für die ...etwa eine Milliarde Euro im Jahr aus.   | Foto: dpa
Da wird Kasse gemacht – für die Igel genannten Leistungen geben hierzulande gesetzlich Versicherte etwa eine Milliarde Euro im Jahr aus. Foto: dpa

BERLIN (AFP/dpa). Die in Arztpraxen angebotenen Selbstzahlerleistungen bringen nach Ansicht der Kassen in vielen Fällen mehr Schaden als Nutzen. Der Berufsverband der Frauenärzte widerspricht. Doch was können Patienten tun? Bietet der Arzt Selbstzahlerleistungen an, sollten sie sich laut Experten nicht überrumpeln lassen. Über die Kosten muss der Arzt genau aufklären.

An der Spitze der zehn häufigsten individuellen Gesundheitsleistungen (Igel) stehen Angebote, die Kassenexperten als negativ oder tendenziell negativ bewertet. Das teilte der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDS) in Berlin mit. Einige widersprächen sogar Empfehlungen medizinischer Fachverbände.

"Die Igel-Angebote orientieren sich nicht am nachgewiesenen medizinischen Nutzen, sondern an den Vorlieben einzelner Arztgruppen und an den Umsatzinteressen der Praxen", kritisierte MDS-Geschäftsführer Peter Pick. Zum Teil würden Patienten unter Druck gesetzt, solche Leistungen zu kaufen. Etwa eine Milliarde Euro geben gesetzlich Versicherte jährlich in deutschen Arztpraxen für solche Leistungen aus.

Die Augeninnendruckmessung zur Glaukom-Früherkennung wurde nach einer Umfrage unter mehr als 2000 Versicherten jedem Fünften (22 Prozent) angeboten, gefolgt vom Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung bei Frauen (19 Prozent). Weitere Topseller sind der Ultraschall der Brust zur Krebsfrüherkennung (zwölf Prozent) und der PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs bei Männern (sieben Prozent). Alle diese Untersuchungen stuft der von der gesetzlichen Krankenversicherung unterstützte "Igel-Monitor" als negativ, tendenziell negativ oder bestenfalls unklar ein.

Der Berufsverband der Frauenärzte warf den Kassen vor, Igel-Leistungen "in Misskredit" zu bringen und Misstrauen gegen Ärzte zu säen. Viele der Leistungen "sind so sinnvoll, in Studien erprobt und in Leitlinien empfohlen, dass sie eigentlich Kassenleistungen sein sollten", sagte Verbandspräsident Christian Albring. Das aber wollten die Kassen aus Kostengründen nicht. Auch der Berufsverband schätzt den isolierten Ultraschall zum Screening auf Eierstockkrebs als nicht sinnvoll ein. Es gehe aber nicht darum, Eierstockkrebs zu entdecken, sondern generell Veränderungen zu beurteilen.

Patienten sollten sich jedenfalls nicht drängen lassen, wenn der Arzt eine Selbstzahlerleistung empfiehlt. Die Verbraucher-Initiative empfiehlt, den Arzt zu befragen: Gibt es Risiken? Existieren Studien zur Wirksamkeit? Außerdem sollte der Arzt erklären, ob es Alternativen gibt, die von der Kasse bezahlt werden. Im Anschluss kann sich der Patient ruhig Zeit nehmen, bevor er etwas zusagt. Entscheidet er sich für ein Igel-Angebot, kann er zudem bei der Krankenkasse nachfragen, ob sie sich vielleicht doch an den Kosten beteiligt. Wenn eine Leistung nicht von der Krankenkasse bezahlt wird, gebe es dafür zwar einen guten Grund, sagt Florian Lanz vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen. Dennoch kann ein Anruf bei der Kasse helfen. Möglicherweise stellt sich nämlich heraus, dass der Arzt bei medizinischer Notwendigkeit gar kein Geld vom Patienten kassieren darf.

Ressort: Deutschland

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 04. Mai 2018: PDF-Version herunterladen

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