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Tiere können Blockaden lösen

  • Sarah Schneider

  • Do, 26. September 2013
    Kreis Breisgau-Hochschwarzwald

     

Hunde, Kamele oder Pferde helfen, Patienten zu heilen: Regionale Beispiele zeigen Möglichkeiten und Grenzen der Tiertherapie.

Mädchen lernen durch Pferde selbstbewusst zu sein. Foto: Sarah Schneider
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BREISGAU-HOCHSCHWARZWALD. Wenn der Mensch den Kontakt zum Patienten verliert, kann ihn ein Tier wieder herstellen. In den vergangenen Jahren hat tiergestützte Therapie immer stärker Einzug in die Behandlung von seelischen oder körperlich Erkrankten gefunden. Die BZ stellt drei Arten dieser Therapieform aus der Region vor.

KUSCHELN MIT HUNDEN

Bei Rainer Wohlfarth (53) und Bettina Mutschler (45) lernen Therapeuten, wie sie Hunde in ihren Behandlungen einsetzen können. Die Therapeuten kümmern sich um Kinder mit Problemen, Menschen mit körperlichen Behinderungen oder Sprachstörungen sowie Drogenabhängige. "Der Hund ist keine Pille, sondern ein Mittel um die Therapie zu erleichtern. Die Therapie sollte so geplant werden, als wäre der Hund nicht da. Das Tier ist ein Mehrwert, macht sein Einsatz keinen Sinn, dann setzt man es nicht ein," erklärt Mutschler. In Gundelfingen betreiben die beiden seit 2006 das Freiburger Institut für tiergestützte Therapie, einen Ausbildungsort für Hunde, die in Therapien eingesetzt werden.

"Wenn tiergestützte Therapie richtig eingesetzt wird, dann bietet sie jede Menge Vorteile", sagt Wohlfarth. Die Tiere würden als Türöffner und Eisbrecher wirken und es den Therapeuten teilweise überhaupt erst möglich machen, in Kontakt mit ihren Patienten zu treten. Zugleich ist der Hund Motivator. Barbara Wahlig (48) arbeitet seit acht Jahren in einer Drogenreha. Ihr Hund bringt ihren Patienten Durchsetzungsvermögen bei. "Setzt sich der Mensch nicht durch, kommt der Hund nicht zu ihm, so einfach ist das." Die Rückmeldung über den Hund ist dabei aber leichter zu ertragen, als eine vom Therapeuten. Die Anwesenheit eines Tieres wirkt beruhigend, "bei der tiergestützten Therapie wird die innere Bereitschaft des Menschen auf Tiere zu reagieren ausgenutzt", sagt Wohlfarth. Tiergestützte Therapie heißt aber nicht nur, dass man mit Tieren zusammen arbeitet. Man lernt auch etwas über die Tiere und, was sehr wichtig ist, man tut selbst auch etwas für die Tiere.

REDEN AUF PFERDEN

"Viele Mädchen wollen nicht über ihre Probleme reden, über das Pferd kommen wir dann doch mit ihnen in Kontakt", sagt Sozialpädagogin Inge Koch-Gaßmann. Auf ihren Pferdehof in Müllheim kommen Mädchen, die in der Schule gemobbt werden, Stress mit Eltern, Alkoholprobleme oder einfach nur Ärger mit ihrem Freund haben. Wenn die Mädchen im Sattel sitzen, lernen sie sich gegenüber dem Pferd zu behaupten. Das hilft auch im Alltag: Sie lernen sich durchzusetzen, geduldig zu sein, selbstbewusst aufzutreten, auf andere Rücksicht zu nehmen und sich in andere hinein zu versetzen.

Mädchen aus allen gesellschaftlichen Schichten kommen zu der Sozialpädagogin. Ein Vorteil dieser Art des Angebotes sei, dass Mädchen zusammen in der Gruppe sind und sich gegenseitig Tipps geben. "Man ist nicht so alleine wie beim Therapeuten. Der sitzt meistens nur da und hört zu, gibt aber keine praktischen Ratschläge", sagt eine Patientin. "Ich habe hier gelernt, dass andere meine Probleme wirklich verstehen und mir helfen sie zu lösen." Die drei Mädchengruppen werden von drei Therapeuten begleitet. "Tiergestützte Therapie ohne fundierte Ausbildung der Therapeuten bringt nichts." Ein Reitnachmittag dauert zwischen drei und vier Stunden. Die Kosten übernimmt das Jugendamt Breisgau-Hochschwarzwald. "Anfangs fragen wir die Mädchen, wie es ihnen geht, wir helfen ihnen bei der Problemlösung. Wir beschäftigen uns mit den Dingen, die die Mädchen gerade bewegen", sagt Koch-Gaßmann. Nach der Reitstunde sollen die Mädchen reflektieren, was sie alles während der Stunde gelernt haben und welche Ziele sie sich für die nächste Stunde und die kommenden Tage setzen wollen. "Sie lernen mit dem Pferd einzuschätzen, was sie bewirken können und welche Ziele realistisch sind." Zusätzlich zu dem wöchentlichen Reiten finden Mädchengesprächsrunden statt, bei denen sie sich untereinander austauschen können.

LACHEN MIT KAMELEN

"Kamele haben eine besondere Ausstrahlung. Selbst die ängstlicheren Kinder fanden sie toll. Kamele sind sehr offen und gehen auf die Menschen zu, sie bemühen sich regelrecht, in Kontakt zu treten". Mit diesen Worten beschreibt Hannelore Dangela-Beuven (59), warum ihre Wahl 2003 auf das Kamel als Therapiebegleittier fiel. "Man kann Kamele mit Delfinen vergleichen. Beide haben dieses unglaublich sympathische Lächeln." Inzwischen besitzt sie vier asiatische Trampeltiere.

Die Therapeutin behandelt auf ihrem Kamelhof in Bonndorf-Ebnet in erster Linie Kinder mit Down Syndrom, spastischen Lähmungen und Mehrfachbehinderungen. Sie hat Patienten aus ganz Deutschland. Einzelne Kinder, die zur Therapie kommen, wohnen sogar auf dem Hof und haben ein bis zwei Therapien am Tag. Die Kamele müssen erst an Kinder, Rollstühle und Gehstöcke gewöhnt werden und dürften keine Angst mehr vor diesen zeigen. Auch die Kinder müssen sich an die Kamelen gewöhnen. Darum legen sich die Tiere hin und lassen sich füttern, bürsten und streicheln. Dadurch sollen die Kinder an Selbstvertrauen gewinnen. Danach werden die Kamele geführt und am Ende des Dorfes steigen die Kinder auf die Tiere.Während das Kamel von einem Helfer durch den Wald geführt wird, arbeitet Dangela-Beuven vom Boden aus mit den Kindern. "Ich suche nach Blockaden,versuche diese zu lösen und die Muskelspannung der Kinder zu regulieren", sagt sie. Sie arbeitet mit allen Kindern, die in der Lage sind, auf einem Kamel zu sitzen. "Bei Kindern, die noch keine Rumpf- oder Kopfkontrolle haben reite ich mit und wir üben auf dem Tier Kopf- und Rumpfkontrolle, sowie Stehbereitschaft."

Schon nach einer Sitzung, die zwischen 75 und 90 Minuten dauert, sind sichtbare Verbesserungen bei den Kindern bemerkbar. "Die Tiere helfen die Behandlung zu verstärken." Gerade der Gang der Kamele ist ein großer Vorteil. "Durch das lange Schwingen der Becken kann ich gut mit den Kindern an ihrem Muskeltonus arbeiten", sagt Dangela-Beuven. Um eine Verbesserung zu erhalten, seien nicht viele Sitzungen nötig. Ein Vorteil, da die Kosten nicht von der Krankenkasse übernommen werden. Das Ziel der Therapie ist immer abhängig vom jeweiligen Patienten. "Mein Ziel ist es, dass die Patienten mehr Selbstständigkeit im täglichen Leben erhalten", sagt Dangela-Beuven.

TIERGESTÜTZTE THERAPIE

Am vergangenen Wochenende fand in Freiburg ein Kongress zur Tiergestützten Therapie und Pädagogik statt. Hier präsentierten Wissenschaftler und Praktiker aus Deutschland, der Schweiz und Österreich vor 300 interessierten Teilnehmern ihre Erkenntnisse und Projekte zum Thema tiergestützte Therapie. Bei tiergestützter Therapie werden Tiere gezielt eingesetzt, um Patienten mit psychischen und körperlichen Krankheiten zu helfen. Die Patienten kümmern sich um die Tiere, streicheln, putzen und pflegen sie. Dadurch erhält der Therapeut einen anderen Zugang zu seinen Patienten und der Therapieerfolg soll beschleunigt und gefestigt werden. Tiergestützte Therapie wird in vielen verschiedenen Bereichen eingesetzt, zum Beispiel in der Psychotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie und der sozialpädagogischen Arbeit. Die Methode ist wissenschaftlich anerkannt, Studien belegen ihre Wirksamkeit. Jedoch werden die Kosten für diese noch neue Therapieform meistens nicht von der Krankenkasse übernommen.

Ressort: Kreis Breisgau-Hochschwarzwald

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 26. September 2013: PDF-Version herunterladen

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