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Insomnie

Viele Menschen haben Schlafstörungen - das hat auch soziale Folgen

  • Di, 15. Oktober 2019, 17:52 Uhr
    Gesundheit & Ernährung

Die Gesellschaft kennt kein Abschalten mehr, rund um die Uhr sind wir erreichbar und werden mit Informationen überschüttet – daher schlafen wir immer schlechter. Insomnie ist zur Volkskrankheit geworden. Doch man kann sie erfolgreich behandeln.

Den Blick auf den Wecker sollte man ve... einschlafen kann, empfehlen Experten.  | Foto: princeoflove / stock.adobe.com
Den Blick auf den Wecker sollte man vermeiden, wenn man nicht einschlafen kann, empfehlen Experten. Foto: princeoflove / stock.adobe.com
Ein Blick auf den Wecker: Ah, gut, es sind erst zehn Minuten vergangen, seit man sich hingelegt hat. Ein erneuter Blick: Jetzt sind es schon zwanzig Minuten. Und noch immer kein Schlaf in Sicht. Der Stresspegel steigt. Diesem nächtlichen Ritual im Schlafzimmer frönen Millionen Menschen in der Republik.

Schon seit Jahren meldet die Krankenkasse DAK in ihrem jährlichen Gesundheitsreport, dass die Zahl derer steigt, die mit Ein- und Durchschlafproblemen zu kämpfen haben. Frauen liegen demnach etwas häufiger nachts wach als Männer. Experten schätzen, dass etwa sechs bis zehn Prozent der Bevölkerung unter einer Insomnie leiden, also einer chronischen Schlafstörung. "Das ist relativ viel, vor allem gemessen an der Tatsache, dass eine Insomnie sich enorm belastend auf die Betroffenen auswirken kann", sagt Tatjana Crönlein, Somnologin an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Regensburg.

Insomnie-Patienten leiden unter Konzentrationsstörungen, sie sind müde und generell nicht mehr so belastbar. Viele hören auf, ihren Sport zu machen, zu laufen oder Rad zu fahren, sie ziehen sich sozial zurück und gehen abends nicht mehr aus dem Haus aus Angst, dass die Schlafstörungen durch späteres Zu-Bett-Gehen noch schlimmer werden. Sie hören auf, Kaffee zu trinken und essen abends früher – der Lebensstil verändert sich.

Wenn Menschen dauerhaft zu wenig Schlaf bekommen, hat das zudem gravierende Folgen für die Gesellschaft. Die US-amerikanischen Zentren für Seuchenkontrolle und Prävention (CDC) haben vor einigen Jahren errechnet, wie groß der Schlafschaden in einigen Industrienationen ist. Demnach fehlen der deutschen Wirtschaft 209.000 Arbeitstage pro Jahr, weil sich Schlaflose krankmelden. Statistisch schwer erfassbar sind Unfälle, die deshalb passieren, weil der Fahrzeuglenker übermüdet ist. Etwa 15 bis 20 Prozent aller Verkehrsunfälle, vermuten Experten, gehen auf das Konto des Schlafmangels. Zum Vergleich: Alkohol ist bei 4,4 Prozent aller Unfälle mit Personenschaden eine der Ursachen.



Den Grund für Schlafstörungen sehen die CDC hauptsächlich in der sogenannten 24/7-Gesellschaft. Die kennt kein Abschalten mehr, arbeitet mal nachts, mal am Wochenende, lässt sich rund um die Uhr von Informationen berieseln und ist immerzu erreichbar. Das bringe psychosozialen Stress mit sich, wenig Bewegung, aber dafür einen exzessiven Gebrauch elektronischer Medien – und das alles wiederum führt zu einem chronischen Schlafdefizit. "Viele Menschen kümmern sich nachts um volle Akkus bei ihren Smartphones, aber sie können ihre eigenen Batterien nicht mehr aufladen", sagt Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit in einer Pressemitteilung. Mehr noch: "Schlafstörungen erhöhen beispielsweise das Risiko für Depressionen und Angststörungen. Möglicherweise besteht hier ein Zusammenhang mit dem starken Anstieg der Krankmeldungen bei den psychischen Erkrankungen in den letzten Jahren."

Wenig Bewegung, exzessiver Gebrauch von Smartphones

Auch die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) ist alarmiert und setzt vor allem auf Aufklärung: Je früher Schlafstörungen als solche erkannt werden, umso eher lassen sich Folgeerkrankungen vermeiden – und damit auch zusätzliche Kosten.
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Die Behandlung der ersten Wahl bei Insomnie ist eine Verhaltenstherapie, sie wird von Psychotherapeuten oder Schlafmedizinern angeboten. Für Patienten mit schweren langjährigen Insomnien haben Tatjana Crönlein und ihr Team an der Uniklinik Regensburg ein entsprechendes stationäres Therapieprogramm entwickelt, das von der Krankenkasse bezahlt wird. Bei leichten Fällen von Ein- und Durchschlafstörungen empfiehlt Crönlein, sich mit schlafhygienischen Regeln (siehe Kasten rechts) auseinanderzusetzen. "Da genügt es mitunter, einige wenige Maßnahmen zu befolgen, und die Leute können besser schlafen."

"Es gibt Leute, die unter den stressigsten Bedingungen leben und super schlafen, während andere schon bei weniger von nächtlichen Grübeleien um den Schlaf gebracht werden" Tatjana Crönlein
Den einen Auslöser für Schlaflosigkeit gibt es nicht. Das liegt auch daran, dass die Menschen mit überfordernden Situationen oder Krisen in der Familie ganz unterschiedlich umgehen. "Es gibt Leute, die unter den stressigsten Bedingungen leben und super schlafen, während andere schon bei weniger von nächtlichen Grübeleien um den Schlaf gebracht werden", sagt Crönlein.

Eine Insomnie stellt ein ernst zu nehmendes gesundheitliches Problem dar – doch zum Glück eines, das sich gut beheben lässt. "Das dauert zwar ein paar Wochen, aber man kann sich in der Zeit ziemlich gut selber reparieren", sagt Crönlein.
Tipps zur wirksamen Schlafhygiene

Bestimmte Verhaltensweisen in der Ernährung, im Tagesablauf und bei den Schlafgewohnheiten können helfen, Ein- und Durchschlafstörungen zu verringern. Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) fasst diese unter dem Begriff Schlafhygiene zusammen. So sollte das Bett in einem dunklen und ruhigen Raum stehen, der eher kühl und mit frischer Luft versorgt ist. Gegen Licht helfen dicke Vorhänge oder eine Schlafbrille, gegen akustische Störungen Ohrenstöpsel. Bisher ist keine Ernährungsgewohnheit bekannt, die den Schlaf stört – mit Betonung auf Gewohnheit. Wer außerhalb des üblichen Musters isst, zum Beispiel spät eine üppige Mahlzeit zu sich nimmt, muss eher mit nächtlichen Problemen rechnen. Das Gleiche gilt für den regelmäßigen Konsum von Koffein oder Nikotin: Hier können nachts auftretende Entzugserscheinungen Kaffeefreunde und Raucher wachhalten. Die DGSM empfiehlt, in den vier Stunden vorm Zubettgehen auf koffeinhaltige Getränke und Medikamente zu verzichten und tagsüber nur moderat Kaffee zu trinken. Ein Zuviel an Ruhe mag der Körper nicht, regelmäßig Sport kann beim Ein- und Durchschlafen helfen. Verzichten sollte man auf den Mittagsschlaf und nur dann

ins Bett gehen, wenn man richtig müde ist. Aufstehen sollte man zur gleichen Uhrzeit, auch am Wochenende. Bei andauernden Schlafstörungen ist eine Ursachensuche ratsam, bei zu viel Stress können Entspannungsübungen, Meditation und Biofeedback helfen. Weitere Informationen finden Sie unter www.dgsm.de.

Ressort: Gesundheit & Ernährung

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 15. Oktober 2019: PDF-Version herunterladen

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