Gewichtheben
Vom Ski zur Hantel – Kiara Klug ist das neue Gesicht im Gewichtheben
Kiara Klug galt einst als talentierte Teenagerin im Skirennfahren. Dann stürzt sie in eine mentale Krise. Klug wechselt die Sportart – nimmt nun als Hoffnungsträgerin an der WM im Gewichtheben teil.
Christian Johner (dpa)
Di, 30. Sep 2025, 20:00 Uhr
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Der Traum von Olympia begann für Kiara Klug auf zwei Brettern im Schnee. Als Kind jagte sie die Hänge hinunter und galt als verheißungsvolles Talent. Statt Stöcken und Ski hält sie nun Hantelstangen in den Händen – Olympia hat sie weiter fest im Blick.
"Ich träume, seitdem ich ein kleines Kind bin, davon, an Olympischen Spielen teilzunehmen", sagt Klug und fügt nach einer kurzen Pause an: "Eigentlich im Wintersport." Die 22-Jährige ist eines der neuen Gesichter im deutschen Gewichtheben, die bei den am Donnerstag beginnenden Weltmeisterschaften im norwegischen Førde dabei sind.
Eine mentale Krise verbunden mit einer Essstörung
Klugs sportliche Laufbahn ist schon jetzt besonders. In der Saison 2016/2017 wurde sie als Skirennfahrerin deutsche Meisterin im Riesenslalom in der U14. "Meine Cousine hatte Ski – und das fand ich cool. Als ich zwei, zweieinhalb Jahre alt war, hat meine Mama Ausrüstung ausgeliehen. Dann bin ich gefahren und wollte nicht aufhören. Dann bin ich mit fünf Jahren in den Skiclub gekommen", sagt Klug, die in Kempten im Allgäu geboren wurde. Alles war angerichtet für eine international erfolgreiche Laufbahn.
Doch Ende 2020 beendete sie ihre Karriere als Skirennfahrerin. "Ich hatte eine mentale Krise und Sinneskrise verbunden mit einer Essstörung und verbunden mit einem Trainer, bei dem die Chemie einfach nicht gestimmt hat." Sie habe sich dadurch "selbst kaputt gemacht und den Spaß an der Sportart verloren", sagt Klug. "Ich hatte keine Lust mehr, und ich habe es gehasst, am Skihang zu stehen." Der Kraftraum wurde zu Klugs sportlichem Wohnzimmer. "Es war keine leichte, aber die richtige Entscheidung."

Klug feierte im April gleich bei der ersten großen Meisterschaft im Erwachsenenbereich ihre ersten großen Erfolge im Gewichtheben: Zweimal Silber im Reißen sowie im Zweikampf, einmal Bronze im Stoßen gewann sie bei den Europameisterschaften in Moldau in der Gewichtsklasse über 87 Kilogramm. "Ich hatte die Hoffnung, dass ich vielleicht eine Medaille hole. Dass ich mit drei Medaillen nach Hause reise, hätte ich nicht gedacht", sagt die in Berlin trainierende Sportlerin. Für die WM steckt sie sich bescheidenere Ziele – noch. "Mein Ziel ist eine Platzierung in den Top-Ten. Es ist meine erste Weltmeisterschaft", erklärt die Athletin, die erst am 11. Oktober und damit am letzten WM-Wettkampftag ins Geschehen eingreift.
Historischer Tiefpunkt für den Bundesverband bei den Olympischen Spielen
In die Weltspitze zurückfinden will der Bundesverband Deutscher Gewichtheber, nachdem bei den Olympischen Spielen in Paris 2024 ein historischer Tiefpunkt erreicht worden war. Paris war für den Verband eine Nullnummer: null Starter, null Aufmerksamkeit. Spätestens in knapp drei Jahren soll sich das bei den Spielen in Los Angeles ändern.
"Paris war absolut unser Tiefpunkt. Das war schon der Worst Case, weil davon abhängig ja auch Bundesmittel fließen. Unser Ziel ist ganz klar: Mindestens mit einer Sportlerin oder einem Sportler sollten wir bei Olympia in Los Angeles dabei sein", sagt Sportdirektor Michael Vater. Ein Zwischenziel auf dem Weg nach L.A. sind die Weltmeisterschaften in Norwegen allemal – auch wenn es noch nicht um die Olympia-Quali geht. "Die WM ist eine Standortbestimmung für uns. Wo geht die Reise für uns hin?", erklärt Vater.

Eigentlich hätten acht deutsche Athletinnen und Athleten an der WM teilnehmen sollen. Doch verletzungsbedingt muss der Verband kurzfristig auf Lisa Marie Schweizer und Roberto Gutu verzichten. Vor allem Gutus Ausfall schmerzt: Er hatte 2024 WM-Bronze im Reißen gewonnen und damit die erste deutsche Medaille seit 14 Jahren bejubelt. Aber auch ohne Gutu und Schweizer soll der Aufwärtstrend fortgesetzt werden. Bei den Europameisterschaften vor knapp einem halben Jahr gab es insgesamt zehn Medaillen – und damit so viele wie seit der Heim-EM vor 27 Jahren im sächsischen Riesa nicht mehr. Damals bejubelte Deutschland elfmal Edelmetall.
"Die EM war ein Neubeginn für uns", sagt Vater. "Wir haben ein junges Team, und die Sportlerinnen und Sportler sind trotz dieser jungen Jahre schon sehr, sehr weit vorne in der Weltrangliste." Eine, die dabei mitmacht, ist Kiara Klug. Die Studentin der Sportwissenschaften träumt von Olympia – die Teilnahme soll nur ein erster Schritt sein. "Mein Ziel ist irgendwann eine Medaille – jetzt nicht 2028", schätzt Klug ein. "Leider hat der Sport aufgrund der Dopingschwierigkeiten ein Imageproblem", betont Klug. Sie müsse sich nicht rechtfertigen: "Weil ich werde mindestens alle drei Monate kontrolliert. Ich kann mit bestem Wissen und Gewissen sagen, dass ich sauber bin."