Landespolitik
Wer darf in Stuttgart durch den Tunnel in den Landtag – und wer nicht?
Im Stuttgarter Landtag sorgt die eingeschränkte Nutzung eines Tunnels für Streit mit der AfD. Nun landet die Frage vor dem Verfassungsgerichtshof.
Nico Pointner (dpa)
Di, 11. Nov 2025, 6:30 Uhr
Südwest
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Ein unterirdischer Gang sorgt im Stuttgarter Landtag für Diskussionen, genauer gesagt die Frage, wer Zugang zu diesem Tunnel hat. Was nach einer Parlamentsposse klingt, berührt erneut den heiklen Umgang mit der AfD. Nun muss sich das höchste Gericht des Landes mit dem Tunnel, der den Landtag mit dem benachbarten Haus der Abgeordneten verbindet, befassen.
Zur Orientierung: Im Landtagsgebäude nahe Oper und Schlossplatz finden die Plenarsitzungen statt. In mehreren Gebäuden ringsum haben Abgeordnete und Fraktionsmitarbeiter ihre Büros. CDU und Grüne sind im sogenannten Haus der Abgeordneten untergebracht, die AfD-Fraktion sitzt in einem Gebäude in der Urbanstraße, gleich in der Nähe.
Um zu ihren Büros oder zur Bibliothek zu gelangen, müssen die Parlamentarier die mehrspurige Konrad-Adenauer-Straße queren. Alternativ können sie den 136 Meter langen, unterirdischen Landtagstunnel nutzen. Sein Zugang erfolgt über gesicherte Glastüren, die sich mit elektronischem Schlüssel öffnen lassen. Auch wenn die AfD nicht im Haus der Abgeordneten sitzt, nutzten ihre Mitglieder den Tunnel häufig, um schneller zu ihren Büros in der Urbanstraße zu gelangen.
Ein Jagdmesser und Munition waren im Büro eines AfD-Abgeordneten gefunden worden
Im Juni 2023 verschärfte das Landtagspräsidium die Sicherheitsvorgaben. Seitdem gilt: Zutritt zu den Gebäuden des Landtags haben nur Personen, die dort ein Büro besitzen. Durch den Tunnel darf also nur, wer im Haus der Abgeordneten arbeitet – für die AfD gilt das nicht. Anlass war ein Vorfall um einen AfD-Abgeordneten, in dessen Büro ein Jagdmesser und Munition gefunden worden waren. Zwar wurden die Ermittlungen eingestellt, das Tunnelverbot blieb bestehen. Die Landtagsverwaltung stellt klar, dass es sich um eine Regel für alle handle.
Nutzen dürfen den Tunnel nun nur Abgeordnete und Mitarbeiter mit Büros im Haus der Abgeordneten – also CDU und Grüne. Selbst Mitarbeiter der Landtagsverwaltung dürfen den Gang nicht mehr nutzen. SPD und FDP dürfen ebenfalls nicht – die sind aber kaum betroffen, da ihre Büros ohnehin in einem anderen Gebäude am Schlossplatz liegen. So richtig stört sich daran nur die AfD.
Die AfD bezeichnet die Regel als "reine Willkür" und vermutet politische Motive, um ihre Fraktion auszuschließen. Auch an anderer Stelle, etwa bei der Besetzung von Ausschüssen, fühlt die AfD sich benachteiligt. Abgeordnete müssten sich im Parlamentsviertel frei bewegen können, sagt Fraktionschef Anton Baron. Für die AfD-Politiker sei es nicht nur umständlicher, sich überirdisch zwischen den Gebäuden zu bewegen, sondern auch gefährlicher: Vor Gericht berichtete die AfD-Seite von Drohbriefen und Farbanschlägen.
Schränkt das Verbot das freie Mandat der AfD ein?
Das Landtagspräsidium bot der AfD vor rund einem Jahr einen Kompromiss an: Sie dürfe an Plenartagen den Tunnel nutzen – allerdings nur in Richtung Landtag, nicht zurück, die sogenannte Einbahnstraßenlösung. Die AfD-Fraktion möchte sich damit nicht zufriedengeben. Sie will den vollen Tunnelzugang – und ihn über das Gericht erzwingen. Sie hat Klage eingereicht, um prüfen zu lassen, ob das Tunnelverbot ihr freies Mandat einschränkt. Am Montag wurde der Fall mündlich verhandelt – bislang ist aber nicht geklärt, ob die Klage wegen einer abgelaufenen Frist überhaupt zulässig ist. Die Frage ist auch, inwieweit das Tunnelverbot wirklich die Arbeit der AfD-Abgeordneten einschränkt. Es gebe kein "Recht auf Bequemlichkeit", führt der Anwalt des Landtags an. Auch normalen Bürgern werde zugemutet, über die Straße zu gehen. Ein Urteil soll erst gegen Ende des Jahres oder im Januar fallen.