Psychologie
Wie der Plausch mit einer Quietscheente beim Denken helfen kann
Wer einer Gummiente sein Problem erklärt, kommt der Lösung oft schneller auf die Spur als mit langem Grübeln. Was nach Kinderzimmer klingt, hat sich bei Softwareentwicklern als Rubber-Duck-Debugging bewährt.
Barbara Barkhausen
Di, 21. Okt 2025, 8:30 Uhr
Gesundheit & Ernährung
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Eine gelbe Gummiente als Rettung in Momenten der Verzweiflung? Das Reden mit einer Plastikente mag absurd wirken. Doch das sogenannte Rubber-Duck-Debugging gilt in der Informatik als erprobte Strategie – und verrät viel darüber, wie wir lernen.
Wer einmal verzweifelt vor einem halbfertigen Ikea-Regal gesessen hat, kennt die Situation nur zu gut: Schrauben, Bretter und Anleitungen liegen verstreut auf dem Fußboden herum, die Stunden verrinnen erfolglos, denn das Möbelstück will sich nicht so zusammensetzen lassen, wie es soll. In einem Moment der Frustration fängt man an, die einzelnen Schritte laut aufzusagen – und plötzlich fällt auf, dass ein entscheidendes Teil schlicht vergessen wurde. Siehe da: einmal korrigiert, fügt sich alles nahtlos zusammen – und das Regal steht einwandfrei da.
Ursprung steht im Programmierhandbuch
"Es ist eine universelle Erfahrung: In dem Moment, in dem man versucht, ein Problem laut zu erklären, beginnt plötzlich alles Sinn zu ergeben", schreibt Elliot Varoy, Dozent an der School of Computer Science der University of Sydney, in einem Beitrag für das Portal "The Conversation".
Softwareentwickler haben diesem Phänomen einen Namen gegeben: "Rubber-Duck-Debugging". Dahinter steckt die Idee, Probleme nicht nur im Kopf zu wälzen, sondern sie einer gelben Gummiente zu erklären – Schritt für Schritt, in Alltagssprache, so detailliert wie möglich, um Fehler oder Missverständnisse aufzudecken. Der Begriff stammt aus dem 1999 erstmals erschienenen Buch "The Pragmatic Programmer" der beiden US-Amerikaner Andrew Hunt und David Thomas.
Dort wird erzählt, dass man sich eine Ente zulegen und ihr erklären solle, was der eigene Code eigentlich tun soll. "Gehe ins Detail, erkläre alles Zeile für Zeile", lautet die Empfehlung. Die Wirkung setzt schnell ein: Wer die einzelnen Schritte laut ausspricht, merkt häufig, dass das, was er tun wollte, und das, was er tatsächlich getan hat, auseinanderklaffen. Die Differenz fällt auf – und der Fehler lässt sich beheben.
Lautes Aussprechen strukturiert Gedanken
Varoy berichtet, dass er die Methode regelmäßig in seinen Einführungskursen an der Universität in Sydney einsetzt: "Ich bringe Rubber-Duck-Debugging oft in meinen Programmierunterricht ein, um Studierenden zu helfen, wenn sie nicht verstehen, warum ihr Code nicht funktioniert."
Doch die Methode beschränkt sich nicht auf die Informatik. Sie ist im Grunde für alle nützlich, die bei einem Problem bei der Arbeit feststecken, eine Schreibblockade haben oder eine verwirrende E-Mail-Kette verstehen wollen.
"Es hat etwas Erhellendes, Dinge laut auszusprechen – es hilft uns, ein Problem "zu hören", das unser Gehirn bisher nicht erkannt hat."Elliot Varoy, School of Computer Science der University, Sydney
Denn das laute Erklären zwingt Menschen, ihre Gedanken zu strukturieren und zu ordnen. "Die meisten von uns denken laut, wenn wir mit unseren ersten Büchern lernen, und lesen beim Lernen laut mit", so Varoy. "Es hat etwas Erhellendes, Dinge laut auszusprechen – es hilft uns, ein Problem "zu hören", das unser Gehirn bisher nicht erkannt hat."
Tatsächlich hat die Forschung bestätigt, dass diese Technik das Lernen verstärken kann. Die US-Wissenschaftler Logan Fiorella und Richard Meyer fanden heraus: Wer den Stoff so aufnimmt, als müsse er ihn anderen beibringen – und dies dann auch tatsächlich tut – entwickelt "ein tieferes und nachhaltigeres Verständnis des Materials", schreiben sie.
Strategie des "Self-Explaining"
Das liegt daran, dass das Lehren zwingt, komplexe Inhalte in kleinere Bausteine zu zerlegen, mit vorhandenem Wissen zu verknüpfen und in logische Bahnen zu bringen. Auch die Strategie des "Self-Explaining", also sich selbst etwas laut zu erklären, gilt heute als wissenschaftlich belegte Lernmethode.
Könnte man nicht ebenso gut mit einem Menschen reden? Der Haken: Menschen bringen Vorerfahrungen, Annahmen und Vorurteile mit. Sie interpretieren mit, ergänzen aus dem Gedächtnis – und übersehen dabei nicht selten den entscheidenden Fehler. Eine Gummiente hingegen schaut den "Gesprächspartner" unvoreingenommen mit ihrem ausdruckslosen, niedlichen Gesicht an. "So albern es auch aussieht – das Erklären gegenüber der Gummiente zwingt dich, alles bis ins Detail zu formulieren", schreibt Varoy.
Warum aber ausgerechnet eine Ente und kein Mensch?
Natürlich muss es nicht unbedingt eine Ente sein. Auch ein anderer Gegenstand oder ein uninteressierter Gesprächspartner können denselben Zweck erfüllen. Manche Forschende haben sogar vorgeschlagen, statt des kleinen gelben Plastiktiers ein großes Sprachmodell wie ChatGPT zu nutzen – ein virtueller, allzeit präsenter Partner also, der dem Menschen nicht nur zuhört, sondern auch Verbesserungsvorschläge liefern kann. Andere experimentierten mit einer Ente, die bei Knopfdruck nickt oder kurze, neutrale Antworten gibt, um den Gesprächsfluss noch natürlicher wirken zu lassen.
Am Ende ist es egal, ob man einer Ente, einer Pflanze oder einem Computerprogramm erklärt, wo der Schuh drückt. Wichtig ist, dass man die eigenen Gedanken laut ausspricht.
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