Account/Login

"Wir würden gerne noch einen draufsetzen"

Florian Kech
  • Fr, 23. September 2022
    Südwest

     

BZ-INTERVIEW mit Elisabeth Gehrmann von Fridays for Future über neue Proteste und radikalere konkurrierende Aktivisten.

Elisabeth Gehrmann  | Foto: Fabian Hajraj
Elisabeth Gehrmann Foto: Fabian Hajraj

. An diesem Freitag organisiert Fridays for Future weltweit Demonstrationen, um für mehr Klimaschutz zu werben – auch in Freiburg. Der Bewegung mangelte es zuletzt an Zulauf. Mit der 18-jährigen Klimaaktivistin Elisabeth Gehrmann sprach Florian Kech.

BZ: Frau Gehrmann, Sie machen bald Abitur. Mit welchen Gefühlen blicken Sie in die Zukunft?
Gehrmann: Mit Angst und Enttäuschung, dass ich mich als Schülerin verpflichtet fühlen muss, so viel Zeit in diesen Aktivismus zu stecken und dafür in der Schule oft fehle und mir nicht die Zeit nehmen kann zu lernen. Dafür empfinde ich eine unfassbare Enttäuschung gegenüber unserer Regierung.
BZ: Gibt es Momente, in denen Sie denken: Es ist doch eh schon zu spät?
Gehrmann: Hin und wieder kommt das vor. Aber dann mache ich weiter. Denn sollten mich eines Tages meine Kinder fragen: "Hey, Mama, du wusstest doch, was auf uns zukommt. Wieso hast du nichts gemacht?", dann möchte ich nicht sagen müssen: "Ich habe aufgegeben." Oder schlimmer: "Ich hatte keine Lust und wollte lieber ein Einser-Abi machen."
BZ: Was hat aus Ihrer Sicht Fridays for Future bisher erreicht?
Gehrmann: Es wird durch uns viel mehr über die Klimakrise geredet, auch im Schulunterricht. Es gibt viel Aufmerksamkeit in der Presse, aber immer noch viel zu wenige politische Maßnahmen. Und wenn doch, dann ist das Ergebnis oft ernüchternd. Da werden zum Beispiel die Plastikstrohhalme verboten, dafür haben wir jetzt die Papierstrohhalme.
BZ: Beim Klimastreik 2019 sind noch 25 000 Menschen in Freiburg mitgelaufen. Im März war es nur noch ein Viertel. Geht der Bewegung die Luft aus?
Gehrmann: Es ist anders geworden. Am Anfang hieß es in meinem Umkreis: "Natürlich gehen wir zum Klimastreik!" Das war total neu und etwas Besonderes. Jetzt höre ich von vielen Freundinnen: "Na ja, euren Streik gab es doch schon so oft und es ist immer noch nichts passiert." Das macht mich traurig. Ich hoffe, dass sich diese Einstellung wieder ändert.
BZ: Eine Gruppe stiehlt Fridays for Future zurzeit die Schau. Aktivisten der Letzten Generation kleben sich in der Rush Hour auf die Straße oder in der Bundesliga ans Torgehäuse. In welchem Verhältnis stehen die beiden Bewegungen zueinander?
Gehrmann: Beide sind superwichtig und haben ihre eigene Rolle. Fridays for Future mobilisiert viele Menschen, während die Letzte Generation mehr Druck aufbaut, indem sie Infrastruktur blockiert.
BZ: Setzt die Letzte Generation auch Fridays for Future unter Druck?
Gehrmann: Druck würde ich es nicht nennen. Aber sie zeigt, dass es noch andere Möglichkeiten gibt. Für uns ist die Entscheidung schwer. Kann sein, dass einige Menschen nicht mehr zu unseren Demos kämen, wenn wir sagen würden, wir blockieren nebenbei noch eine Straße. Andererseits würden wir aber gerne noch einen draufsetzen.
BZ: Ist mit diesen Straßenblockaden etwas erreicht worden ?
Gehrmann: Durch die Letzte Generation ist noch einmal eine extreme Aufmerksamkeit generiert worden. Es mussten sich auch Menschen mit dem Klimaschutz beschäftigen, die nicht unsere Demos besuchen. Wenn jemand blockiert wird und nachhause geht und sich total aufregt, weil er nicht zur Arbeit konnte, sitzt vielleicht jemand am Esstisch, der sagt: "Hey, ich weiß, warum die das machen", und dann entsteht ein Gespräch.
BZ: Was ist größer, die Hoffnung, dass sich durch den Ukraine-Krieg die Energie-Wende beschleunigt, oder die Sorge, dass sie ins Hintertreffen gerät?
Gehrmann: Ich hoffe, dass die Motivation steigt, in erneuerbare Energien zu investieren. Es kann aber auch dazu führen, dass Atomkraftwerke wieder angemacht werden, was wirklich nicht der richtige Weg wäre.

Elisabeth Gehrmann (18) ist Sprecherin von Fridays for Future in Freiburg.


Der komplette BZ-Talk unter: badische-zeitung.de/bz-talk

Ressort: Südwest

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 23. September 2022: PDF-Version herunterladen

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel