Wolf wird zum Gemeinschaftsprojekt

Baden-Württembergs Umweltminister Untersteller will die Rückkehr des Raubtiers gemeinsam mit anderen Bundesländern managen.  

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Wie umgehen mit dem Wolf? Die zuständi...t ganz einig. (Foto aus Niedersachsen)  | Foto: Konstantin Knorr/dpa
Wie umgehen mit dem Wolf? Die zuständigen Minister im Land sind sich nicht ganz einig. (Foto aus Niedersachsen) Foto: Konstantin Knorr/dpa

STUTTGART (dpa). Wölfe kennen keine Ländergrenzen – deshalb wollen vier Bundesländer beim Umgang mit dem geschützten Raubtier an einem Strang ziehen. Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland erarbeiten ein einheitliches Wolfsmanagement, wie Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) am Montag erläuterte. Ziel sei es, dem Wolf Lebensraum zu gewähren und zugleich dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung und der Nutztierhalter Rechnung zu tragen.

Ein solches abgestimmtes Vorgehen sei bundesweit einzigartig. "Wir betreten hier Neuland", sagte Untersteller. Der Grünen-Politiker betonte, die Entscheidung, ob eine Ausnahme nach dem Bundesnaturschutzgesetz gemacht und ein auffällig gewordener Wolf abgeschossen werden könne, bleibe weiterhin jedem Bundesland überlassen. In Baden-Württemberg sei er selbst dafür zuständig, etwa dann, wenn ein Wolf wiederholt Herdenschutzzäune überwinde und Nutztiere töte. Mit dem für das Jagdwesen verantwortlichen Agrarminister Peter Hauk (CDU) habe er die Pläne nicht besprochen.

Der Christdemokrat nannte die Initiative Unterstellers "einen ersten Beitrag des Naturschutzes in einer notwendigen Gesamtdiskussion". Hauk strebt an, den Wolf ins Jagd- und Wildtiermanagementgesetz aufzunehmen und dort Ausnahmesituationen zu definieren, um ihn im Ernstfall rasch jagen lassen zu können. Dann hätte Hauk zu entscheiden, ob ein Tier getötet werden kann oder nicht. Untersteller lehnte das ab und sagte, den Wolf ins Jagdrecht zu übernehmen, ändere nichts. "Sie dürfen diese Tiere nicht bejagen."

Die Grünen bezeichneten die Diskussion um eine Aufnahme des Wolfes ins Jagdgesetz als irreführend und unnötig. Landeschefin Sandra Detzer sagte dazu: "Im Umgang mit dem Wolf muss die Richtschnur sein: managen statt massakrieren."

Die SPD-Fraktion sprach indes von einem "Kasperletheater" um die Ressortzuständigkeiten. Die unterschiedlichen Aussagen aus dem grünen Umwelt- und dem schwarzen Agrarministerium verunsicherten und verwirrten die Bevölkerung, sagte die SPD-Umweltexpertin Gabi Rolland. Auch die Landtags-FDP empfahl Untersteller eine Rückkopplung mit seinem Kabinettskollegen Hauk.

Seit rund 150 Jahren galten Wölfe in freier Wildbahn als ausgerottet im Südwesten – bis 2015 die Raubtiere zum ersten Mal wieder nachgewiesen wurden. Derzeit streifen nach Angaben des Bundes für Umwelt und Naturschutz zwei Rüden durch die Wälder Baden-Württembergs. Der Verband forderte abschreckendere Sanktionen gegen die illegale Tötung von Wölfen. Ein Wolf war im Juli 2017 tot aus dem Schluchsee geborgen worden. Untersuchungen ergaben, dass er erschossen worden war.

Die vier kooperierenden Länder sind nach Worten Unterstellers noch "Wolfserwartungsland", weil dort bislang nur durchziehende Wölfe registriert worden seien. Laut Ministerium ist aber nicht auszuschließen, dass in Baden-Württemberg Rudel in drei bis fünf Jahren heimisch würden.

Als Säulen des gemeinsamen Wolfsmanagements nannte Untersteller den Wissenstransfer und die Beobachtung der Tiere mittels Sendern. So seien die Wege der Wölfe, die in einer Nacht 60 bis 70 Kilometer zurücklegen könnten, nachzuvollziehen. Expertenteams mit Wildbiologen und Berufsjägern sollen verhaltensauffällige oder potenziell gefährliche Tiere über Bundesländergrenzen hinweg verfolgen, um sie im Bedarfsfall zu töten. Die Kosten für den Einsatz eines Teams werden untereinander aufgeteilt.

HINTERGRUND: Info

59 Angriffe in Europa

Das norwegische Forschungsinstitut Nina (Norwegian Institute for Nature Research) hat 2001 weltweit alle Fälle dokumentiert, in denen Menschen durch Wölfe angegriffen wurden. Dabei kam heraus, dass es in Europa zwischen 1950 und 2000 insgesamt 59 nachgewiesene Angriffe von Wölfen gab. Dabei wurden neun Menschen getötet.

In fünf dieser neun Fälle waren die Tiere an Tollwut erkrankt, in den anderen Fällen wurden die Tiere zuvor provoziert oder angefüttert und verloren so ihre Scheu vor dem Menschen. Attacken aus reinem Raubtiertrieb gibt es zwar aus der Geschichte, vor allem in vorindustrieller Zeit, konnten aber im genannten Untersuchungszeitraum nicht verifiziert werden. Allerdings gab es in Spanien in den Jahren von 1957 bis 1974 vier Fälle getöteter Kinder, bei denen ein räuberischer Angriff zumindest nicht ausgeschlossen scheint.

Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass Wolfsattacken im 20. Jahrhundert weltweit stark zurückgegangen sind und heutzutage nur noch mit vier Faktoren in Verbindung stünden: Einer Tollwuterkrankung, Habituierung (etwa Anfütterung, Aufzucht), Provokation und einer stark veränderten Umwelt. Letzterer Punkt bezieht sich etwa auf eine Serie von Wolfsangriffen in Indien, wo es eine Verbindung mit den stetig wachsenden Müllbergen und der großen Anzahl von frei herumlaufenden und kaum beschützten Nutztieren gibt. Dadurch würden Wölfe immer weiter in menschliche Siedlungsgebiete vordringen.
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