Literatur
Zuhause Nummer 16 - der neue Roman von Sally Nicholls
Sally Nicholls meint mit ihrer schwer erziehbaren Heldin: "Wünsche sind für Versager".
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Ach, wie sehr würde man der elfjährigen Olivia nach all den Katastrophen in ihrem bisherigen Leben ein Happy End wie aus dem Bilderbuch wünschen, egal wie kitschig so eine Geschichte wäre. Aber Nicholls hat, wie im Abspann geschildert, für ihr Buch nicht in Kitschromanen recherchiert, sondern in Blogbeiträgen und Erinnerungen von Adoptiveltern, Pflegedienstmitarbeitern und Menschen, die eine Fremdunterbringung überlebt haben. Und wie stellt sich nach solchen Recherchen das Leben eines Mädchens dar, das mit elf Jahren zu seiner sechzehnten Pflegefamilie kommt? Die kurze Antwort lautet: unerbittlich. Denn hinter dieser Zahl steht fünfzehnmal Scheitern, fünfzehnmal immer misstrauischerer Beziehungsaufbau, der sich fünfzehnmal als vergeblich herausstellt. Was soll so ein Mädchen denken, nachdem es wieder einmal ein neues Zimmer bezieht, in dem Überbleibsel ihrer Vorgängerin sichtbar sind und so schon beim Betreten klar machen, dass auch von ihr an diesem Ort bald nicht mehr übrig sein wird als ein paar neue Tapetenflecken?
Olivia glaubt ihrer Mutter. Die hat von Anfang an gesagt: "Du bist ein Teufel." Auch bei den Iveys, Zuhause Nummer 16, beginnt es wie üblich: "Wenn dir einer erzählt, du kannst für immer bleiben, und dich dann in ein Zimmer steckt, wo an den Wänden noch Posterkleber von einem Kind sind, das jetzt nicht mehr da wohnt, weißt du alles, was du wissen musst." Die Wut aus fünfzehn vorhergehenden Enttäuschungen ballt sich gleich wieder zu neuer Wut auf die neue Pflegefamilie zusammen. Mag sie es Olivia zunächst noch so angenehm zu machen versuchen. Am Ende schmeißen sie sie doch wieder raus. Diese Haltung macht das Leben mit Olivia alles andere als einfach. Trotzdem läuft es irgendwann besser als erwartet. Olivia entwickelt hinter ihrem explosiven Schutzpanzer echtes Interesse an ihrer neuen Familie. Und die beweist erstaunlich viel Langmut, Stärke, Wohlwollen und sogar Zuneigung. Auch wir Leser entwickeln immer mehr Verständnis für und Zuneigung zu Olivia, die uns im Verlauf des Buchs mit ihren bisherigen Lebensstationen vertraut macht. Kurz: Alles läuft zwar holprig, aber gut.
Zu gut. Wenn Olivia etwas noch schlechter erträgt als Enttäuschungen, dann ist es, dauerhaft nicht enttäuscht zu werden. Je besser etwas läuft, desto bedrohter fühlt sie sich. Die Angst vor dem Trennungsschmerz, von dem sie sich nicht vorstellen kann, dass er dieses Mal ausbleiben könnte, wird immer größer. Sie dissoziiert. Die Weichen stehen auf Katastrophe. Geschichten wie die von Olivia können nicht mit einem Happy End enden. Oder? Ein großartiges Buch, unbedingt empfehlenswert. Zartbesaitete Dreizehnjährige sollte man damit allerdings nicht alleine lassen.
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