Sicherheitspolitik
Zwei südbadische SPD-Politiker streiten über das "Friedens-Manifest"
Der frühere Freiburger SPD-Bundestagsabgeordnete Gernot Erler ist Mitautor eines Positionspapiers gegen Aufrüstung und für eine andere Sicherheitspolitik. Der Emmendinger Sozialdemokrat Johannes Fechner widerspricht.
So, 22. Jun 2025, 7:30 Uhr
Südwest
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen

Wenn die SPD-Delegierten am kommenden Freitag im CityCube der Messe Berlin zu ihrem Bundesparteitag zusammenkommen, wird der frühere Freiburger Bundestagsabgeordnete Gernot Erler nicht im Saal sein. Doch der 81-Jährige wird die Debatten aufmerksam verfolgen. Schließlich ist er Mitautor jenes "Manifests", das auch die eigene Partei zu einem Kurswechsel in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik aufruft – und das für erheblichen Wirbel gesorgt hat. Darin werden Pläne für höhere Rüstungsausgaben gegeißelt, schon heute seien selbst die europäischen Nato-Staaten auch ohne die USA "Russland konventionell deutlich überlegen". Gefordert wird eine gemeinsame europäische Friedensordnung mit, nicht gegen Russland.
Verfasst wurde das Papier von Gruppen, die sich selbst SPD-Friedenskreise nennen. In einer dieser Gruppen, dem Erhard-Eppler-Kreis, ist Erler mit dem prominenten Parteilinken Ralf Stegner Co-Sprecher. Erler war der vierte Unterzeichner des Positionspapiers, dessen vollständiger Titel "Friedenssicherung in Europa durch Verteidigungsfähigkeit, Rüstungskontrolle und Verständigung" lautet. Seine Unterschrift steht gleich nach der von Ex-SPD Chef Norbert Walter-Borjans und vor der des Ehrenpräsidenten des Club of Rome, Ernst Ulrich von Weizsäcker. Inzwischen, sagt Erler, hätten das Papier mehr als 10.000 Menschen unterschrieben. Auch ihn persönlich habe viel Zustimmung erreicht, "dass diese friedenspolitischen Stimmen in der SPD noch existieren".
Auf dem Bundesparteitag in Berlin dürfte es nun – das war auch erklärtes Ziel der Manifest-Initiatoren – eine kontroverse Debatte darüber geben, was gemeint ist, wenn die SPD sich eine Friedenspartei nennt und auf das entspannungspolitische Erbe Willy Brandts beruft. Schon im Vorfeld wurde recht hitzig diskutiert. Der SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius warf den Manifestlern "Realitätsverweigerung" vor. Putin sei es doch, der jede Friedensverhandlung verweigere: "Wie man sich in dieser Phase eine engere Zusammenarbeit mit Russland auch nur vorstellen kann, ist völlig befremdlich." Auch Brandt habe seine Entspannungspolitik aus einer Position der Stärke mit hohen Verteidigungsausgaben heraus geführt.
In der SPD-Debatte steht Kriegstüchtigkeit gegen Friedensfähigkeit
Die Autoren schossen ähnlich scharf zurück, auch Erler. "Wir wollen, dass die Friedenspartei SPD es sich nicht so leicht macht mit diesem Bellizismus, der um sich greift", sagte er der Badischen Zeitung. Und gemünzt auf einen Ausspruch von Pistorius: "Die Forderung nach Kriegstüchtigkeit versperrt meines Erachtens den Weg zur Friedensfähigkeit, die in einer immer bellizistischer werdenden Welt überlebenswichtig wird." Auch der SPD-Chef und Finanzminister Lars Klingbeil darf sich angesprochen fühlen, wenn Erler eine "Aufrüstung nie gesehener Größenordnung" beklagt, die "auf Beliebigkeit" beruhe.
Freiburger SPD-Politiker Erler: "Ich befürchte, dass wir uns auf einer Einbahnstraße in einen großen Krieg befinden"
Johannes Fechner, SPD-Abgeordneter aus dem Wahlkreis Emmendingen-Lahr und Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, ist da um Beruhigung der Gemüter bemüht, in der Sache aber klar. "Richtig in dem Manifest finde ich die Hinweise, dass Diplomatie nie aufgegeben werden darf und dass wir nicht im blinden Gehorsam gegenüber Trump fünf oder sieben Prozent des Bruttoinlandproduktes für Rüstung ausgeben", sagt Fechner. "Aber dass wir 3,5 Prozent, wie es Finanzminister Klingbeil jetzt vorschlägt, investieren in Verteidigung und die Bundeswehr, das ist richtig und nötig. Dafür gibt es eine ganz breite Unterstützung in der SPD und in der SPD-Fraktion."
Überhaupt habe ihn, so Fechner, "überrascht, wie wenig Resonanz das Papier in der Bundestagsfraktion bekommen hat". Nur fünf Abgeordnete von 120 hätten es unterstützt: "Das zeigt die große Einigkeit der SPD, dass wir die Ukraine weiter unterstützen, auch militärisch." Es sei "schon blauäugig, zu glauben, man könnte mit Russland oder Putin derzeit verhandeln". Das Papier sei "hier viel zu optimistisch". "Da klingt ja auch der Vorwurf mit, man hätte zu wenig diplomatische Initiativen unternommen. Das ist falsch. Wir versuchen seit Jahren auf allen Kanälen der EU und Bundesregierung, Gespräche zustande zu kriegen, aber Putin ist nicht gesprächsbereit. Er will die gesamte Ukraine erobern. Und weil das leider so ist, müssen wir die Ukraine militärisch unterstützen." Auch blieben die Manifest-Autoren die Antwort schuldig, "mit welcher konkreten Strategie sie Putin an den Verhandlungstisch bekommen wollen".
Beim Parteitag werden höchst gegensätzliche Anträge erwartet
Mit Blick auf den Parteitag, wo sehr gegensätzliche Anträge sowohl des linken Flügels wie von Befürwortern des aktuellen Kurses erwartet werden, ist Fechner entspannt: Natürlich werde es "eine lebhafte Debatte geben, aber das war es dann auch." Die SPD sei klar positioniert: "Wir haben die Fehler der Russland-Politik aufgearbeitet. Manches, etwa die Stationierung der US-Mittelstreckenraketen, ist letztes Jahr vom Parteivorstand gutgeheißen und begrüßt worden. Wir haben uns mit diesen Themen schon beschäftigt."
Das sieht Erler ganz anders. "Vieles wurde wie der Mittelstreckenraketen-Beschluss im Schnellverfahren durchgepeitscht", sagt er. "Wenn man das vergleicht mit der intensiven Nachrüstungsdebatte der 80er Jahre, dann ist das völlig unbegreiflich und eine schlimme Auslegung der Zeitenwende. Wir fordern, dass diese Fragen noch einmal kritisch untersucht werden."