Sommer-Spezial 2021
Berufliche Orientierung in Zeiten der Krise
Verlagsthema Bei den Schul- und Hochschulabsolventen der "Generation Lockdown" stehen Arbeitsplatzsicherheit und langfristige Verträge ganz oben auf der Wunschliste
Victoria Vosseberg (dpa)
Sa, 28. Aug 2021, 2:57 Uhr
Verlagsthema
Thema: Die perfekte Bewerbung
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Die Corona-Pandemie hat bei viele Jugendlichen und junge Erwachsenen wichtige Lebensentscheidungen beeinträchtigt. Dazu gehört auch die berufliche Orientierung. Die "Generation Lockdown" hat oft das Gefühl, mit ihrem Corona-Abi oder Corona-Studium nicht nur eine minderwertige Ausbildung zu erhalten, sondern auch eine entscheidende Lebensphase zu verpassen und so ihre Zukunft verbaut zu bekommen.
Jugend ohne Experimentierphase
Die Schule oder Uni als sozialer Ort ist durch die Pandemie weggefallen. Der Kontakt zu anderen Gleichaltrigen, aber auch zu Lehrkräften fehlt, so dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen sich sehr isoliert fühlen. "Jugend als Experimentierphase, in der man sich gemeinsam mit anderen ausprobiert, existiert gerade nicht", sagt Wilfried Schubarth, Professor für Erziehungs- und Sozialisationstheorie an der Universität Potsdam. "Das beeinträchtigt viele wichtige Lebensentscheidungen, die erst verspätet nachgeholt werden können." Das betrifft auch die berufliche Orientierung. Aus Angst und Alternativlosigkeit im Lockdown würden gerade viele ein Studium anstreben, was später jedoch zu erhöhten Abbrecherquoten führen könnte, sagt Erziehungswissenschaftler Schubarth.
Eine Generation auf der Suche nach Sicherheit
Wenn eine ganze Generation ihre Berufsorientierung in einer globalen Krisensituation bewältigen muss, steht der Faktor Arbeitsplatzsicherheit ganz weit oben. Die allgemeine Unsicherheit beherrscht deshalb auch die Erwartungen der Generation an den Arbeitsmarkt. "Vor der Pandemie waren sich Bewerber der sogenannten Generation Z sehr bewusst darüber, dass man sich gerade im "War for Talent" um junge, gut ausgebildete Arbeitnehmer befand, so dass sie sehr selbstbewusst aufgetreten sind und viel von den Arbeitgebern fordern konnten", sagt Recruitingexpertin Svenja Rausch von der Praktikums- und Stellenbörse Jobteaser. Dieses Selbstbewusstsein hat nun erstmal einen Dämpfer bekommen. Stattdessen stehen Arbeitsplatzsicherheit und langfristige Verträge ganz oben auf der Liste der Auswahlkriterien bei möglichen Jobs und Arbeitgebern. Stellen im öffentlichen Dienst etwa sind daher gefragt. "Zwar hat die Generation Z auch Lust auf Abenteuer und Leidenschaft, eben weil sie es gerade nicht ausleben kann", sagt Svenja Rausch. "Doch zur Zeit herrscht wenig Risikobereitschaft und viel Angst vor." Kleinere, weniger etablierte Unternehmen oder Start-ups sind daher als Arbeitgeber im Moment weniger beliebt.
Arbeitgeber müssen Orientierung bieten
"Hochschulen und Unternehmen sind gut beraten, den jungen Schul- und Hochschulabsolventen Angebote zur Berufsorientierung zu machen, auch in digitaler Form. Viele Studis kennen zum Beispiel den Career-Service ihrer Uni kaum oder gar nicht und nutzen dessen Möglichkeiten zu wenig", sagt Svenja Rausch. Junge Bewerber finden außerdem die Inhalte von Stellenausschreibungen oft schwer verständlich. Berufsbilder bleiben vielfach unklar. Auch die Rekrutierungsprozesse erscheinen ihnen oft zu lang und unübersichtlich. "Unternehmen müssen sich jetzt um eine klare Karrierekommunikation speziell an junge, noch unerfahrene Bewerber kümmern. Sie müssen die Berufsfelder ihres Unternehmens genauer vorstellen", empfiehlt Rausch.
Lernrückstände auch im Sozialen
Für wenig motivierte und frustrierte Jugendliche ist es zur Zeit besonders schwierig. Sie bräuchten eigentlich enge sozialpädagogische Betreuung in einer persönlicher Beziehung und Begegnung. "Durch die Pandemie wächst die soziale Ungleichheit bei Jugendlichen, da Bildung wieder extrem vom Elternhaus abhängig ist", sagt Wilfried Schubarth. Lernrückstände werde es daher auch beim Sozialverhalten und der Verankerung gesellschaftlicher Werte geben, vermutet Schubarth. "Schule ist eigentlich gescheitert, wenn es nur um Leistung geht, Jugendliche haben insbesondere jetzt ganz andere Sorgen als bloß das Aufholen des Lernstoffs."
Familien sollten Sorgen und Ängste ernst nehmen
Diese Sorgen und Ängste ernst zu nehmen, ist jetzt besonders wichtig für Erwachsene und insbesondere Eltern. Erziehungswissenschaftler Schubarth empfiehlt Eltern, die Beziehung zu ihren Kindern jetzt zu stärken, indem sie als Ansprechpartner offen bleiben, ihren Kindern zuhören, ohne gleich zu bewerten. "Auch Gemeinschaftserlebnisse im Rahmen des Möglichen zu schaffen, ist wichtig, seien es Naturspaziergänge, Spieleabende mit der Familie zuhause oder eben virtuell mit Freunden." Das gilt auch im Job. "Die Generation Z sieht sich eigentlich als Macher und Weltretter, kann das aber jetzt nicht ausleben. Um ihr Gefühl der Freiheit und Selbstbestimmtheit wieder zu erlangen, brauchen sie Vorbilder, die ihnen Mut machen, dass es schon mal Krisen gegeben hat und danach trotzdem alles wieder gut wurde", sagt Svenja Rausch.