Bundesverfassungsgericht

Bundesnotbremse und Schulschließung waren verhältnismäßig

Das Bundesverfassungsgericht hat die zeitweise geltende Bundesnotbremse akzeptiert. Die beiden umstrittensten Maßnahmen – Schulschließungen und Ausgangsbeschränkungen – verstoßen nicht gegen das Grundgesetz.  

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Die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen der sogenannten „Notbremse“ waren verfassungsmäßig. Foto: Stephan Franz Ferdinand Dinges (Adobe Stock)
Lange Zeit hatten die Bundesländer mit ihren Corona-Verordnungen die Pandemie-Politik bestimmt. Als die Länder im März jedoch auf die dritte Corona-Welle uneinig und sorglos reagierten, nahm Kanzlerin Angela Merkel (CDU) das Heft in die Hand – und der Bundestag beschloss die Bundesnotbremse.

Nun galten in allen Landkreisen, die den Inzidenzwert von 100 überschritten, automatisch strenge Beschränkungen, zum Beispiel nächtliche Ausgangsbeschränkungen von 22 Uhr bis 5 Uhr. Schulen sollten ab einer Inzidenz von 165 schließen. Die Regel trat am 23. April in Kraft und wirkte zeitweise in ganz Deutschland. Sie war gesetzlich bis zum 31. Juni befristet, doch schon am 13. Juni waren alle Landkreise wieder unter dem Inzidenzwert von 100.

Mehr als 300 Verfassungsbeschwerden

Gegen die Bundesnotbremse gingen in Karlsruhe mehr als 300 Verfassungsbeschwerden ein. Das Gericht konzentrierte sich auf zwei Komplexe: Zum Thema Schulschließungen wählte es zwei Verfassungsbeschwerden von Familien aus. Bei den Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen wurden fünf Verfassungsbeschwerden näher geprüft, darunter die Klagen von 80 FDP-Bundestagsabgeordneten, inklusive dem designierten neuen Justizminister Marco Buschmann.

Die Richter stellten fest, dass die Maßnahmen zwar tief in Grundrechte eingreifen, dass dieser Eingriff aber durch das Ziel – Schutz von Leben, Gesundheit und Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens – gerechtfertigt war. In beiden Entscheidungen kam es auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Mittel an.

Als Ausgangspunkt bezog sich das Gericht auf die Einschätzung des Robert-Koch-Instituts (RKI), dass die Gefährdung für die Bevölkerung im April "sehr hoch" war. Die Infektionen hätten sich exponentiell ausgebreitet, die ansteckendere Delta-Variante wurde dominant. Die Krankenhäuser standen unmittelbar davor, auf Notbetrieb umzuschalten.

Die geprüften Maßnahmen wurden als "geeignet" akzeptiert. Sie zielten darauf ab, so die Richter, Kontakte in der Bevölkerung und damit neue Infektionen zu reduzieren. Mit Ausgangsbeschränkungen sollten vor allem abendliche Treffen in Privaträumen erschwert werden. Die Richter hielten es auch für geeignet, dass die Maßnahmen an bestimmte Inzidenzwerte gekoppelt wurden und dann automatisch in Kraft traten.

Höhere Hürden für Schulschließungen

Die Maßnahmen seien auch verhältnismäßig, so die Richter, weil der Gesetzgeber dem Pandemieschutz nicht einseitig Vorrang gab. Zeitlich sei die Bundesnotbremse auf maximal neun Wochen befristet gewesen, auch habe sie nur in besonders belasteten Landkreisen gegolten. Bei den nächtlichen Ausgangsbeschränkungen habe es zudem Ausnahmen gegeben, unter anderem für Berufstätige und für die Betreuung von unterstützungsbedürftigen Personen. Bei Schulschließungen seien Ausnahmen für Abschlussklassen möglich gewesen.

Zurecht seien Schulschließungen nicht schon bei einer Inzidenz von 100 angeordnet worden, sondern erst ab einem Wert von 165. Schließlich seien die Eingriffe für Schüler schwerwiegend, insbesondere für Grundschulkinder und Kinder aus sozial benachteiligten Familien. Es drohten Lernrückstände und Defizite in der Persönlichkeitsentwicklung.

Bei Schulschließungen müsse der Staat ersatzweise digitalen Distanzunterricht anbieten. Dies könnten Schüler notfalls gerichtlich einklagen, so das Gericht. Dabei könnten sich die Kinder und Jugendlichen auf ein erstmals postuliertes "Recht auf schulische Bildung" berufen.

Die Richter bezeichnen ihre Einschätzung bezüglich der Schulschließungen als "vorläufig". Mit zunehmendem Impfangebot in der Gesellschaft könne das Verbot von Präsenzunterricht sogar "allmählich seine Rechtfertigung verlieren".

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