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Fragen & Antworten

Corona-Impfungen wohl weniger effektiv gegen Omikron – was bedeutet das?

Gisela Gross, Simone Humml /AFP

Von Gisela Gross, Simone Humml (dpa)/AFP

Do, 09. Dezember 2021 um 08:31 Uhr

Deutschland

Erste Tests bestätigen die Befürchtungen von Forschern: Antikörper von doppelt Geimpften reagieren nicht gut auf die neue Omikron-Variante. Umso wichtiger ist die Booster-Impfung. Fragen und Antworten im Überblick.

Experten rechnen mit einer raschen Zun...aber immer noch Schutz vor Erkrankung.  | Foto: Jakub Porzycki via www.imago-ima
Experten rechnen mit einer raschen Zunahme von Omikron-Infektionen – Auffrischimpfungen bringen aber immer noch Schutz vor Erkrankung. Foto: Jakub Porzycki via www.imago-ima
Mehrere Forscherteams haben in ersten Labortests festgestellt, dass Antikörper von Geimpften vergleichsweise schlecht auf die neue Omikron-Variante des Coronavirus ansprechen. "Es sieht nicht gut aus für zweifach Geimpfte. Dritte Dosis nötig", twitterte der Charité-Virologe Christian Drosten.

Was kam bei den Tests heraus?
Die Virologin Sandra Ciesek vom Universitätsklinikum Frankfurt veröffentlichte am Mittwoch erste Ergebnisse auf Twitter, die eine deutlich reduzierte Antikörper-Antwort verschiedener Impfstoffe auf die neue Variante zeigen. Auch die Unternehmen Biontech und Pfizer teilten am Mittwoch mit, dass vorläufigen Ergebnissen zufolge zwei Dosen ihres Impfstoffes nicht ausreichend vor einer Infektion mit der kürzlich entdeckten Variante schützen. Eine Booster-Dosis sei nötig, um den Antikörper-Spiegel zu erhöhen. Bereits am Vortag hatten südafrikanische Experten ähnliche Daten zu einer schwächeren Antikörperantwort vorgelegt. Alle vorgestellten Daten sind bislang nicht von Fachkollegen begutachtet und nicht in einem Fachmagazin veröffentlicht.

Wie hoch ist die Aussagekraft solcher Untersuchungen?
Inwieweit Omikron die Wirksamkeit der derzeit verfügbaren Impfstoffe tatsächlich beeinflusst, werden erst Studien zu Infektionen bei einer Vielzahl von Menschen oder Auswertungen des laufenden Infektionsgeschehens liefern. Denn zwischen wahrem Leben und Reagenzglas gibt es große Unterschiede. Das komplexe menschliche Immunsystem setzt nicht nur auf bestimmte Antikörper, die man sich als schnelle Eingreiftruppe bei Kontakt mit Krankheitserregern vorstellen kann, sondern auch auf die sogenannten T-Zellen. Einige davon zerstören körpereigene Zellen, die vom Virus infiziert wurden. Auch sie werden nach der Impfung gebildet und gelten als wichtig für den Schutz vor schwerer Erkrankung. Es sei kaum vorstellbar, dass eine Variante beide Schutzmechanismen aushebeln könnte, hatte Biontech-Gründer Ugur Sahin kürzlich gesagt.

Was bedeuten die bisherigen Ergebnisse für das Impfen?
Auch bei verringerter Wirksamkeit bleibe die Impfung die beste Option, das betonten mehrere Fachleute. Zudem ist das akute Problem in Deutschland immer noch die Delta-Variante. Aktuell sei es sicher noch gut, die vorhandenen Impfstoffe einzusetzen, sagte Christian Drosten.

Was bedeuten die Ergebnisse für die Auffrischimpfungen?
Der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, erwartet mit Omikron deutlich mehr Durchbruchsinfektionen. "Gerade bei Genesenen und ,nur‘ 2x Geimpften", schrieb er am Mittwoch auf Twitter. Es gelte, die Booster-Impfung "unbedingt voranzutreiben", sagte Christian Drosten. Biontech/Pfizer betonten am Mittwoch unter Berufung auf vorläufige Ergebnisse von Labortests, dass drei Impfstoffdosen die Omikron-Variante neutralisierten. "Diese ersten Daten lassen darauf schließen, dass eine Auffrischungsimpfung immer noch einen ausreichenden Schutz gegen eine durch die Omikron-Variante ausgelöste Erkrankung jeglicher Schwere bieten kann", teilte Ugur Sahin mit.



Christine Dahlke von der Sektion Infektiologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) betont die Bedeutung von Boostern wegen der sehr hohen Spiegel an Antikörpern, die damit im Blut erzielt werden können. "Je höher der Titer, desto besser kann der Schutz vor Infektion sein, wie bei den vorherigen Varianten beobachtet wurde. Der Schutz kann durch den hohen Antikörperspiegel hervorgerufen werden – auch wenn die Antikörper nicht ganz so spezifisch auf eine Variante ausgerichtet sind."

Generell senkt eine Booster-Impfung das Risiko deutlich, an Covid-19 zu erkranken oder zu sterben. Das zeigen zwei israelische Studien im New England Journal of Medicine. Beide Untersuchungen beziehen sich auf den mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer. Experten halten das Ergebnis aber für übertragbar auf andere Impfungen. Über den Schutz vor Omikron geben die Studien keine Auskunft, weil sie einen Zeitraum vor der Entdeckung der neuen Variante betrachten.

Was sind die Folgen für Ungeimpfte?
Zwar gibt es aus Südafrika auch Berichte über milde Verläufe. Experten wie Virologe Drosten gehen aber nicht davon aus, dass es sich bei Omikron um ein harmloses Virus für jene Menschen handelt, die weder durch Impfung noch durch Infektion immunisiert sind. Immunologe Watzl hält Ungeimpfte für besonders gefährdet: "Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich anstecken und schwer erkranken, ist mit Omikron deutlich gestiegen!"

Brauchen wir jetzt neue Impfstoffe?
"Die Daten bestärken, dass die Entwicklung eines an Omikron angepassten Impfstoffs sinnvoll ist", schrieb Sandra Ciesek zu den von ihr vorgestellten Ergebnissen auf Twitter. Biontech/Pfizer und Moderna haben nach dem Bekanntwerden von Omikron Arbeiten an einem angepassten Vakzin angekündigt. Man gehe davon aus, den Impfstoff bis März bereitstellen zu können, sofern eine Anpassung für einen höheren sowie langanhaltenderen Schutz notwendig sein sollte, hieß es am Mittwoch. Schon lange sagten Fachleute: Impfstoffe, die auf der mRNA-Technologie basieren, könnten relativ schnell an neue Varianten angepasst werden.

Was ist an der Omikron-Variante so besonders?
Omikron sei die am stärksten von anderen Varianten abweichende Corona-Form, die in der Pandemie in signifikanter Zahl nachgewiesen wurde, hielt die EU-Seuchenschutzbehörde ECDC Anfang Dezember fest. Mit über 30 Mutationen ist besonders das sogenannte Spike-Protein stark verändert, mit dem das Virus menschliche Zellen entert. Die bisherigen Impfstoffe sind jedoch auf das Spike-Protein des ursprünglichen Coronavirus ausgerichtet. Fachleute sprechen bei dem Phänomen von Immunescape (Immunflucht). Den Effekt gibt es auch bei der derzeit in Deutschland dominanten Delta-Variante, aber nicht so stark ausgeprägt.

Wie weit ist Omikron bisher in Deutschland verbreitet?
Bisher seien ihm hierzulande aus dem Austausch mit Kollegen ungefähr 25 bis 30 Omikron-Fälle bekannt, sagte Christian Drosten am Dienstagabend. Die Zahl sei nicht vollständig und werde rasch zunehmen. "Ich denke, ab Januar werden wir mit Omikron in Deutschland ein Problem haben." Das Virus scheine extrem verbreitungsfähig zu sein, wenn man sich die teils hohen Infiziertenzahlen nach Veranstaltungen im Ausland anschaue. Bei Omikron sei die "blödeste Kombination" an Eigenschaften zu befürchten: Immunflucht und Fitnessgewinn – also eine Variante, die den Antikörpern von Geimpften und Genesenen besser entkommt und zudem ansteckender ist.

Beeinträchtigt Omikron nur die Wirkung der Impfstoffe?
Auch bestimmte monoklonale Antikörper-Präparate, die bestimmte Risikogruppen im frühen Stadium einer Corona-Infektion erhalten, seien gegen Omikron wirkungslos, twitterte Sandra Ciesek. Mit diesen Mitteln soll eigentlich einem schweren Verlauf vorgebeugt werden. Bei bestimmten Covid-19-Medikamenten hingegen (Paxlovid und Molnupiravir) gehe sie von wenig Effekt auf die Wirksamkeit durch Omikron aus, hatte Ciesek kürzlich im NDR-Info-Podcast "Coronavirus-Update" gesagt.

Ressort: Deutschland

Dossier: Corona - Fragen und Antworten

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