Pilzwiderstandsfähige Reben
Ein Winzerkollektiv setzt auf Piwis und Crémant

Ein Kollektiv von Winzerinnen und Winzern will Kollegen überzeugen von pilzwiderstandsfähigen Reben, kurz Piwis genannt. Warum sie sich zunächst einmal auf Winzersekt spezialisieren, erklärt Mitgründer Philipp Rottmann.
Rottmann: Als Piwi-Kollektiv richten wir uns an Winzerinnen und Winzer am Kaiserstuhl und im Markgräfler Land – das ist quasi die Dachmarke. Unser Crémant wiederum, der komplett aus Piwis besteht, trägt den Namen Nou: Das klingt ein wenig wie das französische Wir (nous) oder das englische News.
BZ: Warum haben Sie sich auf Piwis spezialisiert?
Rottmann: Wir sehen die pilzwiderstandsfähigen Rebsorten in Kombination mit dem Ökoweinanbau als die Zukunft des Weinbaus. Denn dieser wird immer schwieriger: Wir werden häufiger Jahre mit extremen Niederschlägen oder mit extremer Trockenheit haben. Viele kleine Winzer würden gerne Bio machen, aber dazu braucht man eine bestimmte Flächengröße. Viele fürchten die Probleme: Die Rebpflanze ist nun mal sehr anfällig gegenüber Pilzkrankheiten. Gleichzeitig haben wir im Bioanbau immer weniger Mittel zur Verfügung, mit denen wir Pflanzenschutz betreiben können. Piwis bringen eine grundsätzliche Resistenz gegen Pilze mit, man muss sie kaum spritzen und reduziert den Pflanzenschutz um bis zu 80 Prozent.
BZ: Was bieten Sie den kleineren Winzerinnen und Winzern an?
Rottmann: Wir wollen sie begleiten bei der Umstellung auf Piwis und bei der Bio-Zertifizierung, wir wollen unsere Erfahrung weitergeben. All das wird auch wissenschaftlich begleitet: Zusammen mit dem Weinbauinstitut Freiburg experimentieren wir gerade mit einer Methode, wie man bereits bestehende Reben umveredeln kann auf Piwi-Sorten, ohne dass man dabei einen Ertragsausfall hat.
BZ: Wollen Sie als Kollektiv den Genossenschaften Konkurrenz machen?
Rottmann: Nein. Wir fungieren zwar als Kellerei und nehmen Traubenerzeuger unter Vertrag, haben aber Kooperationsmodelle, die wir mit und für Genossenschaften entwerfen.
"Wir lieben das Handwerk der Sektherstellung"
BZ: Sie haben sich auf die Herstellung von Winzersekt, also Crémant, spezialisiert. Warum?
Rottmann: Aus Leidenschaft. Martin Schmidt und ich, wir sind beide passionierte Crémant-Trinker, wir lieben das Handwerk der Sektherstellung. Wir haben im Weingut Schmidt in Eichstetten eine eigene Produktionsstraße aufgebaut und gehören nun zu den wenigen Winzern, die eigenständig versekten. Wir stellen den Crémant nach der traditionellen Methode wie in der Champagne her, mit Flaschengärung und langer Hefelagerung. 10.000 Flaschen sind nun fertig, wir möchten in den kommenden beiden Jahren auf 100.000 Flaschen kommen.
BZ: Vielen Weintrinkern sagt der Begriff Piwi nichts.
Rottmann: Auch das ist ein Grund, warum wir mit Sekt starten. Er ist eine gute Eintrittskarte für Piwis in den Markt. Denn viele kaufen Wein nach Rebsortennamen, in den deutschsprachigen Ländern sind wir das so gewohnt. Um mehr Kunden zu erreichen, die sich mit den Piwi-Sorten noch nicht auskennen, haben wir mit den Schaumweinen begonnen. Denn von Natur aus steht hier die Rebsorte im Hintergrund, man arbeitet eher mit Cuvées.
"Mit Piwis kann man wunderbar bei der Herstellung spielen."
BZ: Haben denn Piwi-Trauben das Zeug für hervorragende Sekte?
Rottmann: Auf jeden Fall. Mit den Piwis kann man wunderbar bei der Herstellung spielen: Sie bringen die entsprechende Säure und Struktur mit, manche haben Gerbstoffe oder grüne Noten. Unseren ersten Crémant haben wir mit den Rebsorten Souvignier Gris, Johanniter, Helios und einem kleinen Anteil Cabernet Blanc gemacht.
BZ: Schmeckt Ihr Sekt aus Piwi-Trauben anders?
Rottmann: Man kann mit Piwi-Sorten einen ganz klassischen Winzersekt produzieren. Aber wir wollen uns ein wenig abheben und in die neue Champagner-Richtung gehen: mehr Frische, mehr Mineralität. Durch die lange Lagerung auf der Hefe gibt es den vollmundigen Brioche-Körper, aber gleichzeitig auch leichte Zitrusnoten und leichte Gerbstoffe.
BZ: Welche Pläne haben Sie noch?
Rottmann: Wir sind dran, einen Secco zu machen, also einen Perlwein, bei dem die Kohlensäure nicht durch die traditionelle Flaschengärung entsteht, sondern dem sie zugesetzt wird. Im nächsten Jahr möchten wir einen Rosé-Secco herstellen. Auch ein Rosé, ein Weißwein- und Rotwein-Cuvée sind geplant.
BZ: Wo gibt es Ihren Crémant?
Rottmann: Wir starteten über den Biofachhandel, zum Beispiel über die Filialen, die von Rinklin Naturkost beliefert werden. Auch die Hiebermärkte verkaufen ihn, und in Freiburg Alnatura. Außerdem haben wir einen Online-Shop.
Gegründet wurde das Piwi-Kollektiv 2022 von Martin Schmidt (46), Bio-Winzer aus Eichstetten sowie Vizepräsident des Badischen Weinbauverbands und Vorstandsmitglied des Verbands Ecovin Baden, und von Philipp Rottmann (36), Nebenerwerbswinzer mit Reben in Ötlingen und Binzen. Er ist Leiter eines Start-up-Förderprogramms in Freiburg. Bisher sind sieben weitere Winzerinnen und Winzer Teil des Kollektivs.
Info: https://piwi-kollektiv.de/
Mehr zum Thema Wein in der BZ-Serie "Weinwissen" unter mehr.bz/weinwissen
Info: https://piwi-kollektiv.de/
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