Gesundheit und Soziales
Freiwilligendienst als Ausbildung light
Fr, 06. November 2020, 15:28 Uhr
Beruf & Karriere
Wer sich nach der Schule beruflich orientieren möchte, kann sich im soziale, kulturellen und ökologischen Bereich engagieren.
Nach der Schule direkt ins Berufsleben starten? Das ist nicht für jeden etwas. Ein Freiwilligendienst kann helfen, Zukunftspläne zu konkretisieren. Als erstes heißt es, das richtige Angebot zu finden.
"Ein Freiwilliges Jahr kann man sich wie eine "Ausbildung light" vorstellen", sagt Bothe. Denn in dieser Zeit müssen sich die Freiwilligen in einer neuen Umgebung zurechtfinden, sich in ein neues Aufgabengebiet einarbeiten und unter Umständen bereits von Zuhause wegziehen. Außerdem bekommen sie eine Vorstellung davon, ob ein bestimmtes Berufsfeld zu ihnen passt.
Aber auch langfristig hinterlässt ein freiwilliges Engagement seine Spuren, meint Bothe: "Man bewertet die Arbeit der Menschen, die man dort kennenlernt, als gesellschaftlichen Beitrag anders."
Wer den Entschluss gefasst hat, nach der Schule einen Freiwilligendienst zu machen, steht vor der Auswahl zahlreicher Angebote. Um die geeignete Einsatzstelle für sich zu finden, bleibt Interessierten nichts anderes übrig als sich durch den "Programm-Dschungel" durchzuarbeiten, sagt Frank Seidel, Gründer der Orientierungsplattform "wegweiser-freiwilligenarbeit.com". Bei der Suche helfe es aber sich über die eigene Motivation im Klaren zu sein, um so Stellenangebote zu selektieren.
Der Klassiker unter den öffentlich geförderten Jugendfreiwilligendiensten ist das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ). Dahinter verbirgt sich aber nicht nur die Arbeit in Kindertagesstätten, Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern. Ein FSJ kann man zum Beispiel auch in der Denkmalpflege oder in Sportvereinen absolvieren.
Hinzu kommen eine Reihe spezialisierter Dienste, darunter das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ) aber auch das FSJ Kultur, FSJ Schule, FSJ Politik oder der Bundesfreiwilligendienst Kultur und Bildung. Für naturwissenschaftlich Interessierte bietet sich auch ein Freiwilliges Wissenschaftliches Jahr an. Dabei können Freiwillige bei Professorinnen oder Wissenschaftlern an Forschungseinrichtungen oder Hochschulen aushelfen, erklärt Bothe.
Auch wer nach der Schule ins Ausland möchte, kann sich zwischen verschiedenen öffentlich geförderten Programmen entscheiden. Dazu gehören der entwicklungspolitische Dienst "weltwärts", der Internationale Jugendfreiwilligendienst "kulturweit" und das Europäische Solidaritätskorps, erklärt Seidel.
Darüber hinaus gibt es aber auch eine Reihe nicht geförderter Angebote. In der derzeitigen Situation sei es bei solch flexiblen Angeboten trotz Corona womöglich sogar einfacher, ohne lange Vorlaufzeit einen Platz zu bekommen, sagt der Experte.
Bei allen Auslandsvorhaben rät Seidel aber, sich gut über die jeweiligen Prozesse zu informieren. Die Bewerbung auf einen geregelten Freiwilligendienst im Ausland müsse man sich wie die auf einen Arbeitsplatz vorstellen. Starttermin, Einsatzort, Dauer und Anforderungen seien meistens genau festgelegt.
Voraussetzung für einen öffentlich geförderten Jugendfreiwilligendienst ist, dass die Bewerber einen Schulabschluss mitbringen und zwischen 16 und 27 Jahre alt sind. In manchen Fällen liegt das Mindestalter auch bei 15 Jahren.
Die Bewerber verpflichten sich in der Regel, für 6 bis 12 Monate in einer Einrichtung in Vollzeit zu arbeiten. In Ausnahmefällen kann ein Dienst aber auch bis zu 24 Monate dauern. Das FSJ beginnt in aller Regel zwischen September und Oktober, unter Umständen sind individuelle Regelungen möglich.
Schulabgänger müssen sich aber nicht auf die Stellenausschreibungen der Jugendfreiwilligendienste beschränken. Sie können auch Angebote des Bundesfreiwilligendienstes (BFD) nutzen. Dieser steht Menschen nach dem Schulabschluss ohne Altersbeschränkung zur Verfügung.
Die genauen Bewerbungsfristen legen die Trägerorganisationen selbst fest, oft liegen diese aber ungefähr ein halbes Jahr vor Beginn. Bothe rät Interessierten, sich möglichst ein bis anderthalb Jahre vorher mit ihrer Wunscheinrichtung in Verbindung zu setzen.
Wer sich seine Zeit im Freiwilligendienst später als Praxiserfahrung auf einen Studienplatz anrechnen lassen möchte, sollte laut Bothe auf einen der offiziell anerkannten Dienste setzen. Die jeweiligen Stellen sind je nach Branche sehr begehrt. Besonders beliebt sind Freiwilligendienste im Medien- und Kulturbereich, sagt Bothe. Deutlich weniger Konkurrenz haben Bewerber hingegen in Pflegeeinrichtungen. Um die eigenen Chancen zu erhöhen, rät Bothe, sich auf einen längeren Zeitraum einzulassen. Die ersten Monate seien meist alleine für die richtige Einarbeitung notwendig. Bewerber, die für einen längeren Zeitraum zur Verfügung stehen, seien für die Trägerorganisationen deswegen attraktiver.
Ein Jahr ohne Bezahlung zu arbeiten, kann sich nicht jeder leisten. Die finanzielle Gestaltung sei zwar von der jeweiligen Trägerorganisation abhängig, sagt Bothe, bewege sich aber letztlich in einem Rahmen von 150 bis 450 Euro im Monat.
Bei anerkannten Diensten wie einem FSJ oder dem BFD bekommen die Freiwilligen aber weiterhin ihr Kindergeld. Außerdem sind sie beitragsfrei in der gesetzlichen Kranken-, Renten-, Unfall-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung versichert, so die Expertin.
Freiwilligenarbeit kann sich später auf dem Lebenslauf bezahlt machen. "Jeder Arbeitgeber bewertet ein soziales oder allgemein gesellschaftliches Engagement positiv", sagt Bothe.
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