Gedrückte Stimmung auf dem Arbeitsmarkt

Die Frühjahrsbelebung fällt mager aus. Der Arbeitsmarkt braucht dringend Impulse. Aber welche?  

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Bei den Bundesagenturen für Arbeit sch...t sorgenvoll auf die aktuellen Zahlen.  | Foto: Uwe Zucchi (dpa)
Bei den Bundesagenturen für Arbeit schaut man derzeit sorgenvoll auf die aktuellen Zahlen. Foto: Uwe Zucchi (dpa)

Die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, spricht angesichts nur kleiner Aufs und Abs von einer "Wellblechkonjunktur", der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) von einem "unsicheren Arbeitsmarkt" und für Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) stehen viele Industriearbeitsplätze derzeit "im Feuer". Viel gedrückter könnte die Stimmung am Arbeitsmarkt derzeit nicht sein.

Die nackten Zahlen der Bundesagentur geben in der Tat kaum Anlass zur Euphorie: Ein mageres Minus von nur 12.000 Arbeitslosen im Mai im Vergleich zum April und eine Arbeitslosenquote von 6,2 Prozent musste Nahles in Nürnberg verkünden. Für den Sommer rechnet sie mit weiter tendenziell steigenden Arbeitslosenzahlen.

Auch in Baden-Württemberg gibt es keinen Aufschwung

Auch der Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg kommt nicht in Schwung. Im Mai lag die Zahl der Arbeitslosen bei 289.624 – und damit 0,2 Prozent unter dem April-Wert. Die Arbeitslosenquote verharrte bei 4,5 Prozent, wie die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit in Stuttgart mitteilte. Saisonbereinigt stieg die Arbeitslosigkeit um 1,5 Prozent.

Im Mai sind in Baden-Württemberg mehr als 23.000 Menschen arbeitslos geworden – das sind nach Angaben der Agentur ungewöhnlich viele. Den Trend dazu gebe es bereits seit Juli 2024. Das liegt demnach daran, dass Unternehmen in größerem Umfang Stellen abbauen und befristete Verträge auslaufen lassen. Zum Teil komme es auch zu Kündigungen. Aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage finden die Menschen, die arbeitslos geworden sind, aber nur schwer einen neuen Job. Viele Firmen verzichteten auf Neueinstellungen, hieß es.

Klamme Kassen bei den Agenturen

Einig sind sich alle, die sich mit dem Thema befassen: Es braucht politische Impulse, um die Konjunktur wieder anzuleiern und damit auch den Arbeitsmarkt zu beleben. Aber wie? Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger will auf keinen Fall, dass die Politik am Mindestlohn dreht, um den Konsum zu fördern. Stattdessen will er niedrigere Sozialabgaben.

Dass aber etwa die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sinken, scheint derzeit utopisch. Nahles hat schon damit zu tun, zu versichern, dass sie angesichts klammer Kassen und eines bevorstehenden Haushaltsdefizits bei der Bundesagentur zumindest nicht steigen. "Für 2025 und 2026 kann ich das ausschließen", sagte sie. Wie die Vorstandsvorsitzende das sich abzeichnende Milliardenloch im Haushalt ihrer Agentur schließen will, will sie nächste Woche im Haushaltsausschuss des Bundestages besprechen.

Der DGB fordert mehr Weiterbildung, damit die Transformation in der Industrie abgefedert werden kann. Menschen in Jobs, die nicht mehr gebraucht werden, sollen sich so fortbilden, dass sie in anderen Jobs arbeiten können. "Wir brauchen aktuell mehr Qualifizierungen und nicht weniger", sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel.

Nahles sieht ein Teilzeitproblem – und nicht, dass zu wenig gearbeitet wird

Anders als Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ist die ehemalige SPD-Chefin Nahles nicht der Ansicht, dass in Deutschland grundsätzlich zu wenig gearbeitet wird. Der Erwerbsanteil sei hoch, es liefen immer noch viele Überstunden auf. "Das wirkliche Problem ist der viel zu hohe Teilzeitanteil", sagte sie.

Im internationalen Vergleich habe Deutschland eine hohe Erwerbsbeteiligung von Frauen. Bei der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden von Frauen hinke Deutschland aber weit hinter anderen europäischen Ländern her, nur die Niederlande schnitten noch schlechter ab. Es bestehe ein erhebliches Potenzial, wenn Frauen etwa ihren Teilzeitanteil auf eine vollzeitnahe Zahl von Stunden erhöhen könnten.

Denn: Eine der wesentlichen Wachstumsbremsen bleibt weiterhin der Mangel an ausreichend Fachpersonal in vielen Berufen. In 163 von 1200 bewerteten Berufen zeigten sich in einer Studie der Bundesagentur Engpässe bei der Besetzung offener Stellen. Damit sind 20 Berufe weniger betroffen als im Jahr zuvor, aber fast genauso viele wie 2018. Somit seien in jedem achten Beruf Fachkräfte knapp.

Weniger offene Stellen

"Der Rückgang bei den Engpassberufen überrascht aufgrund der anhaltend schwachen Wirtschaftslage nicht", sagte Nahles. Betroffen waren im vergangenen Jahr vor allem Pflege- und Gesundheitsberufe, aber auch der Bau und das Handwerk. Sehr stark gesucht wurden außerdem Berufskraftfahrer und Erzieher.

Bei der Ausbildung droht im laufenden Jahr ein weiterer Engpass beim Heranziehen von Fachkräfte-Nachwuchs. Bis Mai waren den Arbeitsagenturen 441.000 Lehrstellen gemeldet worden, 28.000 weniger als im Vorjahr. Im Gegenzug hätten sich 375.000 Bewerberinnen und Bewerber gemeldet, 11.000 mehr als im Vorjahr. Im Mai waren noch 191.000 von ihnen unversorgt.

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