Landespolitik

Kampf um Kretschmanns Erbe

Gut zehn Monate vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg liegt Manuel Hagels CDU in Umfragen scheinbar uneinholbar vorn. Die Grünen wollen das mit Cem Özdemir an der Spitze noch drehen.  

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CDU-Spitzenkandidat Manuel Hagel  | Foto: Markus Lenhardt (dpa)
CDU-Spitzenkandidat Manuel Hagel Foto: Markus Lenhardt (dpa)

Vor Cem Özdemir (59) liegt ein steiniger Weg bis zum 8. März 2026. Die Landtagswahl will der Grünen-Spitzenkandidat gewinnen, der zweite Ministerpräsident seiner Partei in der Geschichte der Bundesrepublik werden und das politische Erbe des Grünen-Urgesteins Winfried Kretschmann antreten. Der 77 Jahre alte Amtsinhaber, der nach anderthalb Jahrzehnten an der Spitze der Landesregierung nicht mehr antritt, legt die Latte für Özdemir hoch. "Wir sind die führende politische Kraft im Land und (...) genau das wollen wir auch bleiben", sagte Kretschmann vergangenes Wochenende beim Landestreffen seiner Partei in Heidenheim, das zur Krönungsmesse für Özdemir wurde. 97 Prozent Zustimmung erhielt er von den Delegierten.

Soll die Mission Machterhalt gelingen, muss der Bad Uracher vom unideologischen Realo-Flügel trotz der hohen Zustimmung auch unter Parteilinken eine Aufholjagd hinlegen. In Umfragen liegt die CDU, Juniorpartner in der grün-schwarzen Koalition, seit Monaten mindestens zehn Punkte vor den Grünen. Da nützt es wenig, dass Özdemir exzellente persönliche Zustimmungswerte in der Bevölkerung vorweisen kann.

Özdemir dürfte darauf setzen, dass die Zeit für ihn spielt; dass die Unzufriedenheit großer Teile der Bevölkerung mit dem Auftreten seiner Grünen in der gescheiterten Ampelkoalition im Bund im nächsten Frühjahr weitgehend vergessen sein wird. Özdemir war im Ampelbündnis zuletzt Doppel-Minister – für Landwirtschaft und Bildung. Seine Kritiker sagen, es sei ihm nicht gelungen, große Akzente zu setzen. Als Agrarminister mühte er sich mit einigem Erfolg, die über Monate protestierenden Bauern zu besänftigen. Mit der Landespolitik hatte er bislang wenig am Hut. 2008 bis 2018 war er Bundeschef seiner Partei, auch saß er vier Jahre im Europaparlament.

Im Tonfall knüpft Özdemir an Kretschmann an

Den Landtagswahlkampf wird Özdemir ohne Amt und Mandat bestreiten. Im Tonfall knüpft er an Kretschmanns "Politik des Gehörtwerdens" an; spricht von Wertschätzung, von Kompromissfähigkeit und davon, die Zukunft der Südwest-Wirtschaft ins Zentrum seiner Politik stellen zu wollen.

Özdemir ist das Kind türkischer Einwanderer, nennt sich selbst einen "anatolischen Schwaben". In seiner Partei gibt es auch Stimmen, die fragen, ob seine Wurzeln ein Nachteil sein könnten. Der ehemalige Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon sagte, in den Großstädten interessiere es zwar niemanden, dass Özdemir türkische Wurzeln habe. "Aber Baden-Württemberg ist ein konservatives Land, und ich weiß nicht, wie alle Leute hier so ticken." In den Augen anderer ist Özdemir ein Musterbeispiel erfolgreicher Integration und Vorbild für viele Kinder aus Zuwandererfamilien.

Cem Özdemir von den Grünen  | Foto: Bernd Weißbrod (dpa)
Cem Özdemir von den Grünen Foto: Bernd Weißbrod (dpa)

Zehn Monate vor der Wahl hält sich Özdemir mit konkreten Lösungsvorschlägen ebenso zurück wie sein ärgster Widersacher, der CDU-Landespartei- und Landesfraktionschef Manuel Hagel. Ihn hatten die Delegierten Mitte Mai in Stuttgart zum Ministerpräsidentenkandidaten gekürt. Der 37 Jahre alte Oberschwabe könnte der jüngste Ministerpräsident der Landesgeschichte werden.

Hagel spricht davon, BW in Wirtschaft und Forschung voranbringen zu wollen

Hagel hat den lange zerstrittenen Landesverband geeint. Mit 94 Prozent Zustimmung honorierten das die Delegierten. Kritiker halten ihm vor, zu abstrakt von Heimat zu sprechen sowie schlagworthaft Werte wie Fleiß und Disziplin zu beschwören. Er müsse beweisen, was es heiße, dass er "in den Werten konservativ, in den Strukturen progressiv" regieren wolle. Hagel sagt, er wolle Baden-Württemberg in Wirtschaft und Forschung wieder voranbringen. Er wolle die Bürokratie zurückdrängen und die irreguläre Migration eindämmen, aber dennoch zeigen, dass Baden-Württemberg ein "offenes, ausländerfreundliches, aufnahmefreundliches, tolerantes Land" sei.

Im Gegensatz zu Özdemir wird Hagel seinen Wahlkampf als Stütze der amtierenden Regierungskoalition führen. Während er also mit den Grünen um die Macht ringt, kann er sich inhaltlich kaum glaubwürdig von der Politik der gemeinsamen Regierung abgrenzen. Zudem muss er sein erklärtes Ziel mit Leben füllen, Wähler von der AfD zurückzugewinnen, ohne mit Rechtsaußen-Positionen andere Wähler in der Mitte zu verschrecken. Abhängig sind Hagels Chancen auch von der Arbeit der schwarz-roten Bundesregierung unter CDU-Bundeschef Friedrich Merz, dessen Kanzlerambitionen Hagel früh unterstützte.

Trotz seiner Machtfülle kennt Hagel nur ein Drittel der Menschen im Land, wie Umfragen zeigen. Er dürfte darauf setzen, in der Zeit vor der Wahl keine Fehler zu machen, um den Vorsprung in Umfragen nicht zu verspielen. Zuletzt wünschten sich 42 Prozent der Befragten nach der nächsten Wahl eine CDU-geführte Landesregierung, 29 Prozent eine unter Führung der Grünen.

Die FDP muss zittern

Am wahrscheinlichsten ist nach der Wahl eine weitere Koalition aus CDU und Grünen. Die Wählerinnen und Wähler werden entscheiden, wer diese anführt. Laut Umfragen haben die SPD (zuletzt in Umfragen: zehn Prozent) und die Linke (sieben) gute Chancen, ebenfalls in den Landtag einzuziehen. Der Landesverband der FDP (einer der bundesweit wichtigsten) muss zittern, die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden.

Auch die AfD hat einen Spitzenkandidaten für die Landtagswahl nominiert: Markus Frohnmaier (34). Der Vizechef der Bundestagsfraktion und Gründer der AfD-Nachwuchsorganisation im Südwesten gilt als Vertrauter der AfD-Co-Bundeschefin Alice Weidel. Eine realistische Machtoption im Land hat die AfD nicht, da alle anderen Parteien eine Zusammenarbeit mit ihr ausschließen.

Schlagworte: Cem Özdemir, Manuel Hagel, Winfried Kretschmann
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