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Interview

"Kann ein sinnvoller Schritt sein"

  • Amelie Breitenhuber (dpa)

  • Mi, 03. Mai 2023
    Verlagsthema

     

Verlagsthema Wenn Jugendliche für die Ausbildung umziehen, tun sich viele Fragen auf. Berufsberaterin Marlen Scheffler beantwortet die wichtigsten.

Foto: photoschmidt (stock.adobe.com)
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Wer direkt nach der Schule in eine Berufsausbildung startet, ist oft noch ziemlich jung. Gleichwohl wünschen sich viele angehende Azubis, eigenständig zu leben und in die Welt zu ziehen. Ist ein Umzug mit Start in die Ausbildung denkbar?

Frage: Ist es eigentlich ein realistischer Wunsch, während der Ausbildung nicht mehr bei den Eltern wohnen zu wollen?
Marlen Leffler:
Es ist definitiv nicht unrealistisch, dass junge Menschen mit Beginn einer Ausbildung auch auf eigenen Beinen stehen wollen. Manchmal müssen Jugendliche während ihrer Ausbildung sogar außerhalb ihres Wohnortes leben, da der gewünschte Ausbildungsberuf nicht wohnortnah ausgebildet wird oder der Standort der Berufsschule ein tägliches Pendeln nicht zulässt. Wer zum Beispiel auf dem Land wohnt und die Berufsschule in Erfurt besuchen soll, bekommt mit 16 Jahren und ohne Führerschein schon Schwierigkeiten.

Besonders da also, wo auf Azubis lange Pendelstrecken zukommen würden oder es gar keine Möglichkeit gibt, den Betrieb mit dem öffentlichen Nahverkehr zur erreichen, kann es ein sinnvoller Schritt sein, etwa in ein Wohnheim zu ziehen.

Frage: Ist das rechtlich ohne weiteres machbar?
Leffler:
Wenn Auszubildende noch unter 16 Jahre alt sind, müssen zusätzlich rechtliche Rahmenbedingungen, wie sie etwa das Jugendarbeitsschutzgesetz vorsieht, erfüllt werden. Jugendliche brauchen zum Beispiel im Wohnheim ein bestimmtes Maß an Betreuung. Soll es eine eigene Wohnung sein, müssen sich in der Regel die Eltern darum kümmern.

Frage: Welche Wohnmöglichkeiten bieten sich an?
Leffler:
Es gibt zum Beispiel Wohnheime oder Internate speziell für Auszubildende. Sie werden etwa von der Stadt oder der Kommune betrieben. In größeren Städten können Azubis auch mal in Studentenwohnheimen unterkommen.

Daneben gibt es mittlerweile Arbeitgeber, die an Berufsschulstandorten Wohnungen anmieten oder Wohnheime haben, damit die Azubis dort während des theoretischen Teils der Ausbildung wohnen können.

Es besteht auch die Möglichkeit, eine eigene Wohnung zu mieten. Hier müssen sich aber in der Regel die Eltern zu den Voraussetzungen erkundigen – und längst nicht jeder Vermieter ist mit einer Vermietung an Minderjährige einverstanden.

Frage: Wie lässt sich so ein Auszug denn finanziell bewältigen?
Leffler:
Es ist natürlich schwierig, die Miete allein mit der Ausbildungsvergütung zu stemmen. Grundsätzlich sind die Eltern von Auszubildenden verpflichtet, sie zu unterstützen, wenn der Bedarf zum Leben, Lernen und Wohnen über die Ausbildungsvergütung nicht hinreichend gedeckt ist.

Frage: Und wenn das Einkommen der Eltern dafür nicht ausreicht oder vielleicht noch weitere Kinder im Haushalt zu versorgen sind?
Leffler:
Dann kann für das Kind als Azubi Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) bestehen. Sie ist für Auszubildende gedacht, die nicht mehr zu Hause wohnen können, zum Beispiel weil ihr Ausbildungsbetrieb nicht in einer bestimmten Zeit zu erreichen ist. Die Azubis können BAB als Zuschuss bei der Agentur für Arbeit beantragen. Sie müssen die Geldleistung nicht zurückzahlen. Bezuschusst werden Wohnungskosten, Familienheimfahrten und die Kosten für das Pendeln vor Ort. Wie hoch die Leistung ausfällt, hängt dann von der Ausbildungsvergütung und dem Einkommen der Eltern ab.

Frage: Gibt es weitere Alternativen?
Scheffler:
Es gibt auch die Möglichkeit, Stipendien zu beantragen. Und: Inzwischen ist es so, dass Arbeitgeber ihre Azubis beim Thema Wohnen vermehrt unterstützen. Da hat wirklich ein Wandel stattgefunden und dieser ist sicherlich noch nicht abgeschlossen.

Wer mit seinem Ausbildungsbetrieb offen das Gespräch sucht, kann unter bestimmten Umständen einen Zuschuss oder Darlehen vom Ausbildungsbetrieb erhalten – etwa zur Finanzierung der Wohnheimmiete. Teilweise stellen Unternehmen Pendelbusse kostenfrei zur Verfügung oder passen die Arbeitszeiten an die öffentlichen Verkehrsmittel an.

Marlen Leffler ist Studien- und Berufsberaterin in der Geschäftsstelle Schmalkalden der Agentur für Arbeit in Suhl.

Ressort: Verlagsthema

Dossier: Jugend und Beruf

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mi, 03. Mai 2023: PDF-Version herunterladen

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