Baden-Württemberg
Leitfaden für Lehrer gegen Rechtschreibfehler stößt auf Kritik
Die Ergebnisse im Fach Deutsch bei der jüngsten Bildungsstudie sind niederschmetternd. In Baden-Württemberg soll ein Leitfaden für Lehrer die Rechtschreibkompetenz der Schüler stärken.
Julia Giertz
Do, 29. Mär 2018, 11:00 Uhr
Südwest
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Schmerzlich ist für den einstigen Klassenprimus Baden-Württemberg, dass rund ein Fünftel der Schüler nicht einmal den Mindeststandard bei der Orthografie erreicht. Damit liegt das Land laut IQB allerdings im Bundesschnitt.
Der Rechtschreibrahmen des Ministeriums soll vor allem Lehrer, die nicht das Fach Deutsch studiert haben, bei der Vermittlung unter anderem von Groß- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung sowie Zeichensetzung unterstützen. Die Vorgaben werden als 60-seitige Broschüre in einer Auflage von 100 000 Exemplaren veröffentlicht. Die Regeln werden darin didaktisch aufbereitet und mit Beispielen verdeutlicht.
Unabhängig von dem Leitfaden ist der Umgang mit Fehlern geregelt. Gute Rechtschreibung gehört zu den Anforderungen in allen Fächern. Welches Gewicht Fehler bei der Leistungsbeurteilung haben, liegt im Ermessen des Lehrers. Dabei kann er das Alter des Schülers und die zur Verfügung stehende Zeit berücksichtigen. Im schlimmsten Fall können auch Punkte abgezogen werden.
Eisenmann sagt: "Wir brauchen ein Gegengewicht zur Verkürzung der Sprache in den neuen Medien und zum gesamtgesellschaftlich schwindenden Sprachvermögen." Auf die IQB-Ergebnisse müsse man reagieren. Andere Länder wie Bayern seien weiter. Nur 12,5 Prozent der Viertklässler unterschreiten dort den Mindeststandard bei der Orthografie.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) spricht von falschen Prioritäten. "Jeder Lehrer beherrscht die Rechtschreibung", sagt GEW-Geschäftsführer Matthias Schneider. Aber es fehle an Didaktikfortbildungen. Diese seien überbucht – zugleich seien vergangenes Jahr die Mittel für Weiterbildung um 500 000 Euro gekürzt worden.
Der Philologenverband glaubt hingegen, dass die Handreichung zu einer Verbesserung der Rechtschreibkenntnisse der Schüler beitragen könnte. Die tue not. "Denn die zum Teil massiven Defizite verschwinden ja nicht mit dem Ende der Grundschulzeit, sondern zeigen sich in den Eingangsklassen der weiterführenden Schulen inklusive des Gymnasiums als besorgniserregendes Phänomen", sagt der Landeschef des Verbandes, Bernd Saur.
Für den Sprachwissenschaftler Dirk Betzel von der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg hat eine Handreichung eher geringe Bedeutung. "So ein Papier kann eine nette Ergänzung sein." Zentral für die Rechtschreibung seien aber der Lehrer und seine Kompetenz. "Sinnvoll ist daher vor allem, wenn man den Lehrern mehr Fortbildungsangebote macht, bei denen anhand von Texten aus dem Unterricht konkrete Möglichkeiten der Förderung erarbeitet und diskutiert werden." Als einen Grund für schwindende Rechtschreibkompetenz sieht Betzel, dass schon Anfang der ersten Klasse mehr Zeit für das Verfassen von Texten genutzt wird als früher – und weniger für Orthografie. Das könnten Kinder aus bildungsnahen Familien kompensieren, indem sie sich durch Vergleiche, Analogien und Schlussfolgerungen die Rechtschreibung weitgehend selbst erschlössen. "Die soziale Herkunft spielt eine größere Rolle bei der Rechtschreibkompetenz als das Merkmal Migrationshintergrund." Sein Rezept lautet daher: stärker an den individuellen Leistungen orientierter Rechtschreibunterricht.
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