Leserbrief: Entwürdigend und heuchlerisch

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BADEBEKLEIDUNG
Zum Artikel "In Lörracher Bädern ist eng anliegende Badebekleidung zu tragen", BZ vom 2. Mai und Folgeberichte sowie Briefe.
Was wie eine Glosse klingt, ist Realität: Im Parkschwimmbad ist nur noch hautenge Badekleidung erlaubt. Selbst Badeshorts – jene Badebekleidung, die man weltweit in jedem Schwimmbad, an jedem Strand, in jedem Sportgeschäft findet – sind verboten. Offiziell wegen "Hygiene". In Wahrheit wirkt die Begründung so löchrig wie ein alter Schwimmreifen. Nach wissenschaftlichen Grundlagen sucht man vergeblich. Studien, die eng sitzende Badekleidung als hygienischer belegen, gibt es nicht. Auch die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen fordert keine solche Regelung. Warum also dieser Zwang? Tatsächlich zielt die neue Kleiderordnung subtil, aber gezielt auf Menschen mit muslimischem Hintergrund.

Statt kulturelle Vielfalt zu fördern, betreibt man Ausschluss – begründet mit angeblicher Hygiene. Man muss es so sagen: Das ist Heuchelei. Die Regelung diskriminiert nicht nur – sie entwürdigt. Während Frauen immerhin Arme und Beine bedecken dürfen (sofern jede Kontur sichtbar bleibt), wird Männern das Recht auf Bedeckung vollständig genommen. Selbst Kinder und Jugendliche müssen sich in hautenge Höschen zwängen. Wer sich schämt? Pech gehabt. Wer ein schwieriges Verhältnis zum eigenen Körper hat oder einfach nicht alles zeigen möchte, muss künftig zu Hause unter die kalte Dusche. Was als Signal gegen bestimmte religiös-kulturelle Gruppen gedacht war, trifft längst auch die Mehrheitsgesellschaft: Familien, Jugendliche, ältere Menschen fühlen sich entmündigt, beschämt, bevormundet. Der Versuch, einzelne Gruppen fernzuhalten, vertreibt am Ende viele. Ich sehe es an meinen eigenen Söhnen: Sie und ihre Freunde meiden das Bad inzwischen. Statt Begegnung und Offenheit herrschen Kontrolle und Rückzug – und das ausgerechnet an einem Ort, der frei, einladend und geschützt sein sollte.

Auch rechtlich wirft die Regelung Fragen auf: Artikel 2 des Grundgesetzes schützt die freie Entfaltung der Persönlichkeit – dazu zählt auch die Wahl der Kleidung. Die faktische Benachteiligung bestimmter Gruppen könnte als Diskriminierung gewertet werden. Ein Fall für die Prüfung. Der Tonfall vor Ort? Mitunter harsch und befehlend. Diese Verordnung ist keine Hygienemaßnahme, sondern ein Symbol für Ausgrenzung, Kontrollwahn, Ignoranz. Lörrachs Freibad braucht keine Vorschriften, die mehr trennen als verbinden. Es braucht Regeln mit Maß – und ein offenes Ohr für Menschen, die es nutzen wollen. Patrick Hertweck, Lörrach
Schlagworte: Patrick Hertweck
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