Freiburg

Marsupilami: Deutschlands erste Weltmeister im Formationstanz kommen aus Freiburg

Ihre Erfolgsgeschichte begann 2011: Die Tanz-Trainerin Heidi Gaess-Weber initiierte eine ganz junge Kinderformation. Und was die Gruppe Marsupilami dann hinlegte, ist ohne Beispiel.  

Zu den Kommentaren
Mail

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen
1/2
Die Tanzgruppe Marsupilami aus Freiburg Foto: Daniel Schoenen
Wild fliegen sie durch die Luft, folgen mit leichter Verzögerung der kreisenden Bewegung ihrer Trägerin, flattern den Sprüngen und Drehungen hinterher wie ausgefranste Piratenflaggen im Karibiksturm und fallen dann im Moment des Stillstands elegant über die Schultern wie die Schleppe eines Galakleids bei der Oscar-Nacht. Die Rede ist von den ellenlangen Haaren, die alle jungen Tänzerinnen der Jazz- und Modern-Dance-Formation Marsupilami offen tragen.

Die langen Haare sind der augenfällige Beweis dafür, dass Kurzhaarfrisuren bei Mädchen zwischen zehn und zwölf Jahren gar nicht gehen. Ein No-Go für Bewegungstalente, die im Dezember 2014 alte Zöpfe abschnitten: Noch nie hatte bis dato eine deutsche Gruppe einen Weltmeistertitel beim international führenden Verband IDO ertanzt. Doch die Formation Marsupilami erlebte im polnischen Mikolajki "eine Sternstunde", wie es ihre Trainerin Heidi Gaess-Weber formuliert. Die jüngste Crew des 1. Jazzdance Club im Dance-Center Freiburg gewann in der Kategorie der Neun- bis Elfjährigen Gold.

Spaß ist das A und O

Kurze Trainingspause bei den Marsupilamis. Assistentin Laura Eckenfels stoppt die Musik-CD, Trainerin Heidi Gaess-Weber trägt eine Packung Schaumküsse in den Spiegelraum, der im Fitnesscenter Multisports aus zwei ehemaligen Squashcourts entstand. Schaumküsse? Die Mädchen greifen bereitwillig zu, eine ruft: "Ich mag die mit dunkler Schokolade." Natürlich sind Schaumküsse nicht die gesündeste Art der Ernährung. Doch sie zeigen die gesunde Art des Tanzverständnisses der Clubchefin. "Die Kinder wollen Spaß haben und das mit Musik und viel Bewegung ausdrücken", sagt Gaess-Weber, die auch mit dem heiklen Thema Figur natürlich umgeht. Was ist, wenn sich bei einer Tänzerin in der Pubertät die Proportionen verändern? "Da sage ich überhaupt nichts", versichert die Trainerin.

Spaß ist das A und O. Wobei Spaß nicht mit Laissez-faire und Beliebigkeit zu verwechseln ist. Mindestens dreimal in der Woche stehen die 17 Mädchen aus dem Freiburger Einzugsgebiet jeweils zwei Stunden zum gemeinsamen Training vor dem Spiegel, hinzu kommen zwei Einheiten HipHop und Ballett.

"Manchmal ist sie schon streng. Aber sonst hätten wir es gar nicht so weit geschafft", eine Tanzschülerin
Die 62-jährige Gaess-Weber, die ihre Tanzausbildung in Köln an der renommierten Else-Lang-Schule erhielt und sich in New York unter anderem am Broadway-Dance-Center fortbildete, verlangt viel. "Manchmal ist sie schon streng", sagt eines der Mädchen, das gerade einen Schokokuss verdrückt. "Aber sonst hätten wir es gar nicht so weit geschafft."

Seit 30 Jahren leitet Gaess-Weber ihre Schule in Freiburg mit dem Schwerpunkt auf Jazz- und Modern-Dance. Mit Gruppen wie En Vogue tanzte sie bereits in der ersten Bundesliga. Vor dreieinhalb Jahren kam ihr "die Idee, eine Gruppe zu gründen, die ganz jung anfängt". Gaess-Weber schaute in ihre verschiedenen Tanzgruppen, notierte sich unter den sechs- bis achtjährigen Mädchen die besten Talente und trommelte die Eltern zusammen. Die Gruppe Marsupilami war geboren.

Gleich im ersten Jahr schaffte das Team die Qualifikation für die deutsche Meisterschaft, was nun zur Regel wurde. 2013 gelang dem Team als DM-Dritter erstmals der Sprung zur Weltmeisterschaft. "Wir haben gedacht, da fahren wir hin und machen uns ein schönes Wochenende", erinnert sich Gaess-Weber. Doch dann zogen die Marsupilamis als erste deutsche Kindermannschaft in das WM-Finale ein, das sie als Fünfte beendeten.

Die Vorstellung überzeugte auch die Juroren

Der Ehrgeiz war geweckt – und wurde ein Jahr später an gleicher Stelle belohnt: Unter 17 Formationen bestachen die Freiburgerinnen zu dem Song "I Am What I Am" durch eine mitreißende Choreographie und punktgenau gesetzten Schwierigkeiten. Die Marsupilamis hatten die Zuschauer sofort auf ihrer Seite. "Die spürten, das kam von Herzen", sagt die Trainerin. "Wir sind ja immer die Publikumslieblinge." Die Vorstellung überzeugte auch die Juroren: Vor den Vertreterinnen aus der Tschechischen Republik und Polen holte die Freiburger Company den Weltmeistertitel.

Noch ist unklar, ob der Weltmeister seinen Titel am Ende des Jahres verteidigen kann. Altersbedingt starten die Marsupilamis nun eine Kategorie höher. Doch in der Jugendliga können die Freiburgerinnen auf süddeutscher Ebene nicht mit der älteren Leistungsspitze mithalten. Was auch daran liegt, dass die Bereiche Jazz- und Modern Dance zusammengefasst werden. "Wir sind eine totale Jazzformation", sagt Gaess-Weber. Soll heißen: Langsame Passagen sowie Kraftteile gibt es bei den Marsupilamis praktisch nicht. Hier geht die Post ab. Von der ersten Minute an. "Die Kinder tanzen mit sehr hoher Schwierigkeit, doch ich mache mit ihnen aus Entwicklungsgründen keine einzige Hebefigur", stellt die Trainerin klar.

Liebevolle, zugleich aber fordernde Art

Das kommt in den Maßstäben des Deutschen Tanzsportverbands, der vor allem die Modern-Dance-Seite betont, nicht so gut an. Und weil schon jetzt klar ist, dass die Marsupilamis bei der deutschen Meisterschaft diesmal nicht unter den ersten drei landen werden, steht die WM-Teilnahme auf der Kippe. "Als Weltmeister wirst du eigentlich immer eingeladen", sagt Gudrun Ernst, die als Mutter einer Tänzerin die Öffentlichkeitsarbeit der Gruppe übernommen hat.

Für Gudrun Ernst steht auch fest, dass der Erfolg des Teams vor allem die Handschrift der Trainerin trägt. Mit ihrer liebevollen, zugleich aber fordernden Art treibe Heidi Gaess-Weber ihre Schützlinge zu Höchstleistungen. Das Erfolgsgeheimnis der Gruppe sei der große Zusammenhalt. Natürlich ließen sich hier und da Zwistigkeiten unter Mädchen nicht vermeiden. "Doch ich erzähle denen beim Training immer: Ihr kommt nur als Gruppe an", verdeutlicht Gaess-Weber. Teamgeist steht über Individualität. Sie habe in der Mannschaft acht bis zehn Mädchen, die außergewöhnlich begabt sind, lässt die Trainerin durchblicken. "Der Rest hat sich das erarbeitet, und man sieht jetzt keinen Unterschied." Die Homogenität, die Ausgeglichenheit, die die Gruppe ausstrahlt, ist ihr großes Plus.

Und wenn es in diesem Jahr in der höheren Altersstufe nicht zur WM gehen sollte – das Team wird’s verschmerzen. Die Zukunft steht ihm offen. Für dieses Jahr stehen etliche Präsentationen bei Firmenjubiläen, Abibällen und Sommerfesten fest. Und dann gibt es den Fernsehauftritt bei der Pro-Sieben-Show "Got to dance" im Herbst. Die Company hat die Teilnahme in der Kids-Kategorie dieses Tanzwettbewerbs nach einem Casting in Stuttgart sicher. Die Mädchen wollen auch in den kommenden Jahren ihren Erfolg auf internationaler Bühne ausloten. Dafür geben sie alles. Fast alles. Das lange Haar kürzt ihnen niemand.
Marsupilami

Als Plüschtier begleitet das Marsupilami die jüngste Formation im 1. Freiburger Jazzdance-Club Freiburg bei jedem Training und Auftritt. Der kleine Sohn von Trainerin Heidi Gaess-Weber ist für die Namensgebung verantwortlich. "Er hat das im Fernsehen geguckt, so kam ich drauf", erklärt Gaess-Weber. Die TV-Zeichentrickserie "Marsupilami" schildert die Abenteuer dieses affenähnlichen Klettertieres. Das Marsupilami lebt in der imaginären Dschungelwelt von Palumbien, ist etwa einen Meter groß, trägt gelbes oder schwarzes Fell (wechselweise mit gelben oder schwarzen Punkten) und besitzt einen bis zu acht Meter langen Schwanz, mit dem es sich verteidigen kann. Das Marsupilami muss sich mit Großwildjägern, Jaguaren und Indios herumschlagen. Die Figur gibt es schon lange. Sie wurde durch den belgischen Comic-Zeichner André Franquin erschaffen und 1952 erstmals im Magazin Spirou und Fantasio präsentiert. Der Name ist laut Wikipedia ein Kofferwort aus "Marsupialia", der zoologischen Gruppe der Beuteltiere, und "ami" (Französisch für Freund).

Mehr zum Thema:

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel