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"Mein erstes Jahr hier war brutal"

  • Do, 30. April 2015
    Schülertexte

ZISCHUP-INTERVIEW mit Radprofi Heinrich Haussler, der als 14-Jähriger alleine hierher kam.

Heinrich Haussler  | Foto: privat
Heinrich Haussler Foto: privat

Heinrich Haussler wollte schon immer Radprofi werden. Haussler kommt aus Australien, lebt aber schon viele Jahre in Freiburg. 2004 gewann er eine Etappe der Tour de France und im Januar dieses Jahres durfte er sich das Trikot des Australischen Meisters überziehen. Das Interview führte Annika Baumer, Schülerin der Klasse 8a des Goethe-Gymnasiums in Freiburg.

Zischup: Ihr Vater schickte Sie nach Deutschland, wo Sie Radprofi werden sollten. Damals waren Sie 14 Jahre alt. Warum hat Ihr Vater das getan?
Haussler: Also vor siebzehn Jahren gab es in Australien nicht die Möglichkeit so wie in Deutschland Radsportler zu werden. Radsport war und ist in Deutschland sehr populär und wird schon im Jugendbereich gut gefördert. Mittlerweile ist das in Australien auch so. Aber damals mussten wir noch am Wochenende bis zu tausend Kilometer fahren, um zu einem Radrennen zu kommen. Und da waren für ein Zehn-Kilometer-Rennen vielleicht sechs, sieben Mann am Start. Bei meinem ersten Rennen in Deutschland waren es 280 Mann. Mein Vater wollte mir einfach die besten Möglichkeiten bieten, Radprofi zu werden.
Zischup: Was veränderte sich in Ihrem Leben, als Sie nach Deutschland kamen?

Haussler: Alles hat sich verändert. Ich zog als 14-Jähriger alleine in ein Land, das 16 000 Kilometer von meinem Elternhaus entfernt lag. Ich konnte die deutsche Sprache nicht, und die Mentalität der Menschen war mir auch fremd. Ich habe hier auch zum ersten Mal Schnee gesehen. Es war nicht einfach. Und wenn ich jetzt zurückdenke, war mein erstes Jahr hier nicht schön. Es war brutal.
Zischup: Wenn Sie jetzt auf Ihr bisheriges Leben zurückschauen, denken Sie, es war die richtige Entscheidung nach Deutschland zu kommen?
Haussler: Ja, auf jeden Fall. Und im Rückblick bin ich meinen Eltern dankbar dafür, dass sie mich in Sachen Radsport unterstützt haben. Ich glaube nicht, dass ich Radprofi geworden wäre, wenn ich in Australien geblieben wäre.
Zischup: Warum haben Sie im Jahr 2010 die deutsche Staatsbürgerschaft aufgegeben?
Haussler: Meine Mutter ist Australierin und mein Vater ist ein nach Australien ausgewanderter Deutscher und somit besaß ich Pässe aus beiden Ländern, obwohl ich vor meinem 14. Lebensjahr nur in Australien gelebt habe. Nach meiner Übersiedlung nach Deutschland war ich gleich relativ erfolgreich und wurde vom Bund Deutscher Radfahrer für die Weltmeisterschaften in den Nachwuchsklassen nominiert. Somit habe ich mich gemäß den Statuten des Radsportweltverbandes für eine Nation entschieden und war daher nicht mehr für ein anderes Land startberechtigt. Mit der Zeit spürte ich aber den Herzenswunsch, mein Heimatland Australien bei internationalen Wettbewerben zu vertreten. Dies war für mich aber nur möglich, wenn ich die Staatsbürgerschaft aufgebe.

Zischup: Würden Sie heute einem Jugendlichen empfehlen, einen ähnlichen Weg zu gehen?

Haussler: Eigentlich nicht, den Schritt, den ich gemacht habe, würde ich nicht unbedingt empfehlen.
Zischup: Was bedeutet der Australische Meistertitel für Sie?
Haussler: Als ich australischer Meister wurde, war das wahrscheinlich einer der schönsten Momente in meinem bisherigen Leben. Er bedeutet mir sehr viel, fast so viel wie der Etappensieg bei der Tour de France. Es war einfach ein sehr schönes Gefühl.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 30. April 2015: PDF-Version herunterladen

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