Migrationsschicksale und Familiengeheimnisse aufgearbeitet
Die Bücher von Margit und Adolf Jens Koemeda enthüllen Unbekanntes und regen zu gesellschaftlichen Fragen an. Die beiden Autoren lasen im Literaturcafé des Domhotels aus ihren jüngsten Werken.
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen

Margit Koemeda hat bereits im Untertitel ihres Romans, "Die fehlenden Sprossen in meiner Leiter" die familiären Spurensuche als ihr Thema offengelegt, wobei sie immer wieder von der Betrachtung ihrer Familie zu gesellschaftlichen Fragen vordringt. Adolf Jens Koemedas Romantitel lautet "Trennung. Die unerträgliche Leichtigkeit der Lüge". Ihm geht es nicht nur um persönliche Trennungsschicksale, sondern auch um die Trennung ehemals als Brudervölker verstandener Gemeinschaften.
Margit Koemedas Lesebeispiele drehten sich um den Rückblick auf das Leben ihrer Eltern, wobei sie einfließen lässt, dass ihre Recherchen Unbekanntes und bisweilen auch Unbelegbares zutage gefördert hatten. Auch familiäre Reaktionen auf Fragen von ihr oder ihrer Schwester, die sich als emotionale Tretminen entpuppt hatten, seien ihr nun verständlicher geworden.
Erzählt hatte der Vater selten etwas, obwohl er im Krieg in Russland gewesen war und als 17-Jähriger unversehens in die Weltgeschichte hineingezogen wurde. Auch die aus dem Erzgebirge stammende Mutter, wohin sie aus Graz groteskerweise vor den Russen flüchtete und wo heute keiner mehr lebt, der Auskunft geben könnte, ist entwurzelt. Wie wirkt sich dies auf das eigene Ich aus, wie viele Generationen sind von solchen alten Traumatisierungen betroffen: Solche Fragen wirft Koemeda mit ihrem Buch auf. Sie möchte damit zum Nachdenken über den Umgang mit dem Nachlass der Eltern, mit der eigenen Familiengeschichte anregen.
Adolf Jens Koemeda gab mit seinen Lesebeispielen einen Einblick in das Schicksal der Familie eines aus Prag stammenden Mannes, der, nun in Deutschland lebend, seinem Freund von Menschen erzählt, die eine Rolle in seinem Leben gespielt haben. Wie der Onkel, ein weltfremder Geschichtslehrer, der sich zu viele politische Sprüche erlaubte und deshalb in eine kleine Dorfschule versetzt wurde. Dann gab es da noch den Elektriker, der zu erfolgreich einen Betrieb mit 15 Angestellten aufgebaut hatte, und der verhaftet, verurteilt und in die Uranminen geschickt wurde. Sein Betrieb wurde verstaatlicht. Mit diesen Beispielen illustrierte Koemeda die Unberechenbarkeit und Willkür der Russen, eine Unberechenbarkeit, die von der Rolle der Roten Armee als Befreier vom Nationalsozialismus in die von neuen Unterdrückern wechselte, eine Willkür, die in Koemedas Augen bis heute anhält.
Die sich anschließende Diskussion drehte sich um die Motivation, autobiographisch angelegte Bücher zu schreiben. Mal wurde eine Tendenz zu immer mehr Autobiographien festgestellt. Andererseits würde auch eine Unmenge literarischer Werke autobiographische Hintergründe aufweisen. Zu hören war auch die These, dass im Grunde Literatur, um authentisch zu wirken, immer selbst Erlebtes verarbeiten müsse.
Adolf Jens Koemeda, "Trennung. Die unerträgliche Leichtigkeit der Lüge", 200 Seiten, Münster Verlag, Zürich 2024