Satt werden hier immer noch alle

Wer geht eigentlich in Suppenküchen, wer isst dort, wer hilft? Ein JuZ-Mitarbeiter hat's im Selbstversuch getestet.  

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Armenküchen. Da gehen doch nur olle Penner hin und bekommen wässrige Suppen und altes Brot von alten wohltätigen Damen ausgeteilt. Oder nicht? Zumindest ist doch diese Vorstellung für alle, die es nicht besser wissen, irgendwie nahe liegend. Dagegen hilft unter Umständen der "Selbstversuch" in der Rolle des "Streetkid". Es gilt also mal zu überprüfen, wie es in Armenküchen tatsächlich aussieht, wer hinkommt. Und wer hilft. Ein Selbst-Erfahrungsbericht aus München.

Um den allerersten nagenden Frühstückshunger zu stillen, gehe ich zur Bahnhofsmission; dort gibt es rund um die Uhr etwas zu essen. Ganz am Rande der Bahnhofshalle hingeduckt, lädt die Mission Bedürftige ein. Durch eine unscheinbare Tür gelangt man in die hellen, beinahe kargen Räume. Dort weist eine Frau mit Bahnhofsmissionsemblem an der Bluse den Weg zur Essensausgabe. Es gibt kräftige belegte Brote und ziemlich süßen Tee.

Die Menschen die diesen schlichten gastfreundlichen Ort aufsuchen, sind teils Obdachlose, wie Ekki, teils aber auch Sozialhilfeempfänger, wie Hilde und ihr Freund Bernd. Mir liegt das deftige Brot schwer im Magen; ich bin richtig satt, bleibe aber noch sitzen. Am Nachbartisch unterhalten sich zwei Männer. Der eine erzählt von seinen Schwierigkeiten als Wohnungsloser. Der andere hört mit großem Verständnis zu: "Kenn' ich, kenn' ich!" Plötzlich wird das Gespräch unterbrochen: ein vorbei taumelnder Mann fällt auf den Erzählenden. Sofort sind die ehrenamtliche Mitarbeiter zur Stelle: "Los, bringt ihn zu den Sanis, der braucht Hilfe."

Ich gehe. Ich habe fürs Erste genug gesehen. Um nicht zu sehr zu frieren, laufe ich, bleibe nirgends stehen. Und irgendwann ist es dann auch Zeit für ein Mittagessen. Mittlerweile umgeben mich große Wohnblocks in einem etwas heruntergekommen Wohnviertel. "Die meisten Menschen, die hier leben", erzählt Stefan Lohrey, "sind Sozialhilfeempfänger." Er ist Leiter einer hier angesiedelten Suppenküche, die das Rote Kreuz betreibt. Teilweise wird diese Suppenküche auch von Firmenspenden getragen. Die gespendeten Lebensmittel werden zum Kochen und für Lebensmittelpakete für die Anwohner dieser Siedlung verwendet. Der Essensraum wirkt dank heller Tischdecken und üppiger Pflanzen vor den großen Fenstern richtig freundlich. Hier versammeln sich überwiegend ältere Menschen. Und jeder, der hierher kommt, erhält für den eher symbolischen Preis von 1,30 Euro ein komplettes "3-Gänge-Menü". Das aber auch nur täglich zur Mittagszeit, denn am Morgen und am Abend ist diese Küche geschlossen.

Es ist zwölf Uhr. Ich gehöre zu den Ersten die an der niedrigen Durchreiche um Essen anstehen. Es gibt knackigen Salat, duftendes Gulasch mit Bandnudeln und zum Nachtisch gibt es Erdbeerquark. Ich schaue mich in der kleinen Runde um. Von den acht Anwesenden unterhalten sich nur zwei, alle anderen sind - sichtlich zufrieden - nur mit ihrem Essen beschäftigt. Und satt wird hier am Ende ganz offensichtlich jeder. Stefan Lohrey weiß, dass es nicht nur das Essen ist, das die Menschen in die Suppenküche führt: "Vor allem für die älteren Menschen ist die Suppenküche auch als Treffpunkt sehr beliebt." Es wird abgeräumt; einige stehen auf und gehen wortlos, andere bleiben sitzen und nutzen diese Zusammenkunft um sich noch ein bisschen zu unterhalten. Ich schließe mich denen an, die gehen.

Bis zur Abendessenszeit ist es noch lange hin. Zeit genug also, um nach Sendling zu wandern und dort in eine Suppenküche zu schauen, die von einem Mönchsorden, nämlich den Kapuzinern, betreut wird. Diese Suppenküche ist täglich von neun bis 17 Uhr geöffnet. Ein bisschen verwundert werde ich hier angesehen - sowohl von den drei Mönchen, die das Essen austeilen, als auch von den Bedürftigen. Das mag wohl daran liegen, dass die, die normalerweise hierher kommen, obdachlose ältere Männer irgendwo über 45 sind.

"Schluss mit dem Bier - oder es gibt kein Essen mehr!" Suppenküchenregel

In dieser Suppenküche gibt es kräftigen Eintopf mit einer dicken Scheibe Brot dazu. Die drei Mönche sind äußerst schweigsam und nicht sehr erzählfreudig, was ihre Arbeit und ihr Klientel anbelangt. Also schaue ich mich mit der Suppenschale in der einen und dem Brot in der anderen Hand nach einem freien Platz um. Es ist ziemlich voll, viele sind in ihr Essen vertieft, einige wenige schlingen den Eintopf regelrecht in sich hinein. Kaum sitze ich auf einer der massiven Holzbänke, beginnt auf einer anderen ein Streit zwischen einem angetrunken Obdachlosen und einem der drei Mönche. Der Obdachlose hat sich sehr zum Unwillen der Mönche eine Bierdose geöffnet, obwohl am Eingang gut sichtbar auf einem Schild zu lesen ist: "Schluss mit dem Bier - oder es gibt kein Essen mehr".

Nach einem kurzen Disput scheint die Sache bereinigt. Der Trunkenbold gibt das Bier ab, das Essen scheint ihm momentan wichtiger zu sein. Nach diesem Zwischenfall ist die Stimmung angespannt, und es kommen keine Gespräche mehr in Gang, weder mit den Mönchen noch mit den Obdachlosen. Etwas enttäuscht, auch verunsichert, aber gesättigt gehe ich weg. Es wird langsam dunkel, der Tag, mein Tag als "Streetkid" ist vorüber. Und soviel habe ich kapiert: weder gibt es in Armenküchen nur "Penner", noch gar wässrige Suppe und altes Brot. Und die "wohltätigen älteren Damen" sind vor allem engagierte Menschen jeden Alters und beiderlei Geschlechts, die ohne Berührungsängste Armen gegenüber, Essen austeilen und ihnen Respekt zollen.

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