Ernst Guhl und seine Zeit in der Riegeler "Warteck"
Starkoch der Reichen und Schönen
Auf die Toilette über den Hof – heutzutage undenkbar. Die Reichen und Erfolgreichen, die in den 80er-Jahren bei Ernst Guhl in der "Warteck" ein und aus gingen, störten sich daran nicht. Der heute 68-jährige Starkoch hat viele Anekdoten aus seiner Riegeler Zeit zu bieten.
Fr, 27. Feb 2009, 14:16 Uhr
Riegel
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Die "Warteck" gibt’s nicht mehr. Die Gaststätte nahe der ehemaligen Riegeler Brauerei heißt heute "Brauhaus". Sie fiel in der Zeit nach dem Ehepaar Guhl vor allem durch die vielen Wirtewechsel auf. Der heute 68-jährige Ernst Guhl hat sich zur Ruhe gesetzt und wohnt mit seiner Ehefrau Margit in der Riegeler Alemannenstraße. Dort kann man mit ihm in Erinnerungen schwelgen. Er sprudelt vor Anekdoten und Erlebnissen mit Stars und Unternehmern. Und im Strudel von Geschichten und Geschichtchen zusammen mit der Aufforderung, diesen oder jenen Wein noch zu probieren, kann der Zuhörer nachempfinden, warum bei Ernst Guhl die Gäste bis zur Morgendämmerung versumpften.
Angefangen hat die Erfolgsstory der "Warteck" Ende der 60er Jahre, als Guhl die Kneipe übernahm. Die "Warteck" war berüchtigt am Kaiserstuhl. "Das kann nie was werden, dachten wir", erinnert sich Peter Ziegler, Unternehmer im Ruhestand und Geschichtsvereinsvorsitzender. Die Riegeler irrten sich.
Margit und Ernst Guhl kamen aus einer anderen Welt. Der Spitzenkoch aus Grenzach hatte in der "Weinstube" am Freiburger Bertholdsbrunnen gelernt, damals die Nummer eins, wo die Kellner mit Schwalbenschwanz servierten. Für die Stifte in der Küche war die Ausbildung im Edelrestaurant mit Hunger und Prügel verbunden, erinnert sich Guhl. Als gelernter Koch waren die Küchen in den Top-Adressen und auf Kreuzfahrtschiffen angesagt. Von seinen Touren über die Weltmeere hat er manche exotische Speise nach Riegel gebracht. Wenn in der "Warteck" die Ameisen zwischen den Zähnen knackten, mundete es besonders. Weltenbummler war Guhl, bis er in Garmisch-Partenkirchen seine künftige Gattin Margit kennenlernte. Dann war es aus mit der großen weiten Welt.
So standen sie nun im dörflichen Riegel, wo sie eine Art "Brauereikantine" vorfanden. Anfangs reichte es nicht nur, den rauen Gesellen das Fleischerbeil zu zeigen, um sie loszuwerden. "Als die Schläger weg waren, saßen wir erst einmal alleine in der Gaststätte", erinnern sie sich heute. Viele Riegeler konnten auch nichts mit Guhls Kochkunst anfangen. Bei offener Flamme wurde flambiert. Ein Riegeler sei deshalb davongelaufen und habe im Ort verkündet, bei Guhl zünde man das Essen an. In dieser Zeit hielten die Damen der Tanzlokale "Tiffani" und "Regina-Bar" in Freiburg die "Warteck" über Wasser. Guhl: "Bei mir soffen die betuchten Kunden den Krimsekt."
Der große Glücksfall war der ungarische Nationalspieler und Frankfurter Fußballtrainer Gyula Lorant. Dieser hatte in Endingen übernachtet und angefragt, ob es in der "Warteck" Austern gebe. Guhl konnte ihm diesen Gaumenschmaus bieten. "Gyula war das kleine Rad, das immer größer wurde", sagt Guhl. Dann kamen sie, die Profis aus der Bundesliga bis hin zur deutschen Nationalmannschaft im Jahr 1982. Zur Freude der Riegeler Jungkicker, mit denen mancher Fußballstar trainierte. Aber sie bekamen neben Autogrammen auch neue Trikots, denn Guhl veranstaltete mit seinem Stammtischteam aus Frankfurter Profis Benefizspiele. "Riegel hatte 2200 Einwohner und wir hatten 2400 zahlende Gäste auf dem Sportplatz, wenn die Profis kickten", erzählt Guhl. Die Einnahmen gingen an die Behindertenschule in Wasser oder die Riegeler Fußballjugend.
Auch die Stars aus der Schlagerwelt wie Heino oder Costa Cordalis pilgerten zur "Warteck". Das volle Gästebuch der Guhls zeugt davon. Sie zeigen die Grußpostkarten der Spitzenteams und Spieler in Fußball und Eishockey aus aller Welt. Irgendwann haben sie aufgehört mit dem überbordenden Gästebuch.
"Mit Guhl kam die Gastronomiekultur nach Riegel", meint Ziegler. "Plötzlich ging man im Smoking in die Kneipe." Er hat dabei die Hausbälle und Silvesterfeste im Gedächtnis. Aufwendig waren sie und sündhaft teuer. Aber die Bude war voll. Nicht nur zu den großen Anlässen kamen die Reichen. Oft standen die "Bonzenautos" bis vor zur Brauerei.
Dann kam der Sündenfall. Mitte der 80er wollte das Ehepaar Guhl die "Warteck" kaufen oder zu ihren Konditionen führen. Die Brauereidirektoren machten nicht mit. Damit war die Ära von Gourmets und Größen in Riegel zu Ende. Guhls setzten die große Show im Umkircher Hotel "Pfauen" fort.
Noch heute ist Guhl stolz auf die Goldmedaille, die er in Frankreich für sein Kalbsrückensteak Jambalaya erhielt. Bei der einen Auszeichnung blieb es nicht. Der "Ambassadeur" des kulinarischen Ordens "Cordon Bleu du Saint Esprit" und Mitglied des Ordens "Federation cuisine exclusive d’Europe" heimste viele Preise ein. "In Saucen war ich perfekt", erklärt Guhl. Aber sie seien gehaltvoll gewesen, was er sich heute kaum mehr leisten kann. Schon in den 70er Jahren galt er als "der Dicke", der aber trotzdem seine vielen Pfunde flink über Fußball- und Tennisplatz bewegte. Heute schaut sich der Gourmetexperte die Kochsendungen im Fernsehen an. Sein Urteil: "Fast alles Show, das kann kein Mensch so kochen." Einzig Sternekoch Vincent Klink im SWR 3 lobt er in den höchsten Tönen.
Gastronomiefachfrau Margit Guhl, "graue Eminenz" und Ausbilderin des Hotelfachnachwuchses in der "Warteck" und im "Pfauen", kann von ihrer Branche nicht lassen. Sie jobbt noch mit Leidenschaft im bekannten "Schwarzen Adler" im inneren Kaiserstuhl.
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