Kommentar

Sunaks Schonfrist läuft ab

Peter Nonnenmacher

Von Peter Nonnenmacher

Mo, 30. Januar 2023 um 22:02 Uhr

Ausland

Diese Woche ist Rishi Sunak 100 Tage als britischer Premier im Amt. Längst werden Zweifel an seinen Führungsqualitäten laut, auch aus seiner eigenen Partei.

Sunak war von seiner Fraktion auf die Kommandobrücke geholt worden, als das Truss-Experiment in Tränen endete: Er sollte die Lage beruhigen und das Vertrauen des internationalen Kapitals in Großbritannien wiedererlangen. Am Vertrauen der eigenen Bevölkerung – und seiner Partei – zu ihm mangelt es allerdings auch nach diesen 100 Tagen noch.

Schon jetzt werden Zweifel laut an seinem Kurs und an seinem Führungsvermögen. Schon fragen sich viele Mitstreiter, wie lange sich dieser fünfte Tory-Premier der letzten sieben Jahre wohl wird halten können. Laut Umfragen liegen die Konservativen unter Sunak katastrophale 25 Prozentpunkte hinter der oppositionellen Labour Party. Es ist nicht nur das Boris-Johnson- und das Liz-Truss-Erbe, das ihm zu schaffen macht. Sunak macht sich auch selbst das Leben schwer.

Jüngst musste er den von ihm ernannten Parteipräsidenten Nadhim Zahawi wegen einer üblen Steueraffäre seines Amtes entheben. Seither muss sich Sunak fragen lassen, ob er von dieser Affäre schon etwas wusste, als er Zahawi den Posten übertrug. Und warum er ihn nicht schon früher entließ. Mangelnde Urteilsfähigkeit und bemerkenswerte Sorglosigkeit bei der Vergabe von Spitzenämtern werden dem Premier vorgeworfen.

Das Innenministerium, eines der wichtigsten Ressorts, übertrug Sunak ausgerechnet der Hardlinerin Suella Braverman, nachdem diese wenige Tage zuvor wegen eines Verstoßes gegen den ministeriellen Kodex aus Truss’ Regierung purzelte. Und in Kürze könnte sich sogar Vize-Premier Dominic Raab zum Rücktritt gezwungen sehen, gegen den eine offizielle Untersuchung wegen Schikane und Einschüchterung von zwei Dutzend Untergebenen läuft.

Statt eine überzeugende Zukunftsvision zu entwickeln in den 100 Tagen, habe er nur für neue negative Schlagzeilen gesorgt, klagen Sunaks Anhänger. Das Grummeln in der eigenen Partei ist laut.

Nun fürchten Sunaks Verbündete, dass sich hinter Boris Johnson die Unzufriedenen sammeln. Schon ist Johnson wieder dabei, sich voll in Szene zu setzen. Er tauchte beim Weltwirtschaftsforum in Davos auf (wo sich Sunak nicht sehen ließ), er reist zu seinen "Freunden" in die Ukraine, er verlangt mehr Waffen für Kiew, er unterhält die eigene Nation mit immer neuen Ideen und kecken Info-Schnipseln. So hält er sich präsent, lässt alle rätseln über ein Comeback.

Nicht dass man im konservativen Lager mit einer unmittelbaren Rebellion gegen Rishi Sunak rechnet. Erst einmal wartet alles auf die landesweiten Kommunalwahlen im Mai, den ersten großen Stimmungstest für Sunak. Bis dahin sind es 100 weitere Tage. In dieser Zeit sollte Sunak seine Position in der Partei und im Land erheblich stärken. Sonst kann er sich nicht sicher sein, dass er die Tories in die Unterhauswahlen nächstes Jahr führt.