Leute in der Stadt
Tamkin Ishagzai erhält das Schülerstipendium "Talent im Land"
Unter 300 Bewerbern aus dem Land wurden 50 ausgewählt. Die 15-Jährige ist eine von ihnen - und das trotz schwieriger Lernbedingungen: Sie lebt mit ihrer Familie in einer Flüchtlingsunterkunft.
Fr, 8. Nov 2019, 7:36 Uhr
Freiburg
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen
Einer ihrer Lehrer am Walter-Eucken-Gymnasium hat Tamkin Ishagzai auf das Stipendium hingewiesen. Es richtet sich an begabte Jugendliche in benachteiligten Lebensverhältnissen. Unter 300, die sich beworben haben, wurden 50 ausgewählt, erzählt Tamkin Ishagzai.
Wie motiviert und begabt sie ist, hat sie längst bewiesen: Vor drei Jahren ist sie mit ihrer Familie aus Afghanistan geflüchtet, seitdem hat sie nicht nur fließend Deutsch gelernt, sondern hat es von den internationalen Vorbereitungsklassen bis in die zehnte Regelklasse am Walter-Eucken-Gymnasium geschafft. Sie musste viel nachholen, vor allem in den Naturwissenschaften und in Englisch. Doch das war kein großes Problem: "Lernen macht mir immer Spaß", sagt sie. Dabei ist es sicher sehr hilfreich, dass ihre Eltern großen Wert auf die Bildung von ihr und den fünf Geschwistern legen.
In Kabul, wo Tamkin Ishagzai im Dezember 2003 geboren wurde und aufgewachsen ist, ging sie in ein privates Gymnasium. Obwohl sie ihr Leben lang nichts anderes kannte als Krieg und die Schulwege gefährlich waren, wäre es für ihre Eltern nie in Frage gekommen, sie aus der Schule zu nehmen, wie das bei manchen anderen afghanischen Eltern speziell bei Töchtern üblich sei, sagt Tamkin Ishagzai.
Doch die Lage spitzte sich immer mehr zu. Überall lauerten Gefahren durch Bomben und Raketen, in die Schule ihres Bruders kamen die Taliban, und eines Nachts wurden sie zu Hause von Männern mit Pistolen bedroht, erzählt Tamkin Ishagzai. Wenn sie daran denke, fange sie immer noch an zu zittern – ähnlich wie bei der Erinnerung an die wochenlange Flucht übers Meer auf einem kleinen, vollen Boot, mit Bussen und Zügen und weiten Strecken zu Fuß.
Als sie in Deutschland waren und von Wertheim nach Freiburg kamen, war da viel Erleichterung: endlich Sicherheit. Das ist so geblieben, auch wenn das neue Leben keineswegs leicht war: Zuerst war Tamkin Ishagzai mit ihrer Familie monatelang in der Stadthalle untergebracht, wo es auch nachts laut war, so dass es kaum möglich war zu schlafen.
Inzwischen wohnen die Ishagzais in vier Zimmern in einem der Wohncontainer am Kappler Knoten. Auch dort ist es laut, sagt Tamkin Ishagzai. Sie teilt sich ihr Zimmer mit den fünf Geschwistern und träumt von einer normalen Wohnung.
Lernen kann sie in der Enge zu Hause nicht, sie geht viel in die Stadtbibliothek. Ihre Eltern machen Deutschkurse, der Vater hofft, dass er bald wieder in seinem Beruf als Elektriker arbeiten kann. Wenn Tamkin Ishagzai an Kabul denkt, hat sie Heimweh und vermisst ihre Verwandten und Freunde. In Deutschland sei es schwer, mit den Menschen in Kontakt zu kommen, findet sie. Doch sie ist fest entschlossen, alle Chancen, die sie hier hat, zu nutzen – und dazu gehört als Erstes das Abitur, danach wahrscheinlich ein Studium.
In ihrem künftigen Beruf will sie mit Menschen zu tun haben. Und irgendwann will sie unbedingt "etwas für Frauen tun" – ihr großes Vorbild ist Malala Yousafzai, die bekannte Mädchenrechtsaktivistin aus Pakistan.
In ihrer Freizeit hört Tamkin Ishagzai gern Musik: "Egal welche – sie beruhigt mich." Sie hat mit dem Gitarrespielen angefangen und würde gern Fußball spielen. Den Vereinsbeitrag, Gitarrenunterricht und Schulmaterial will sie mit dem Stipendium finanzieren. Samstags engagiert sie sich und übt mit Kindern in einer Moschee in Zähringen das Lesen im Koran. Ihre Religion, der Islam, ist ihr wichtig.
Kommentare
Liebe Leserinnen und Leser,
leider können Artikel, die älter als sechs Monate sind, nicht mehr kommentiert werden.
Die Kommentarfunktion dieses Artikels ist geschlossen.
Viele Grüße von Ihrer BZ