Trinkgeld
Trinkgeld-Optionen auf Kartenlesegeräten verleiten dazu, mehr zu geben als geplant
Wer mit Karte zahlt, bekommt immer häufiger Trinkgeldvorschläge angezeigt. Das verleitet dazu, mehr zu geben, als eigentlich gewollt. Um das zu vermeiden, sollte man vorbereitet sein.
Christoph Jänsch (dpa)
So, 11. Mai 2025, 20:00 Uhr
Wirtschaft
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Ob beim Bäcker, Friseur oder dem Kiosk um die Ecke: Wer mit Karte zahlt, bekommt auf dem Display des Kartenterminals inzwischen immer häufiger ein Auswahlmenü mit verschiedenen Trinkgeldoptionen angezeigt. Wählen lässt sich oft aus vier Möglichkeiten – etwa zehn, 15 und 20 Prozent Trinkgeldaufschlag sowie jener, kein Trinkgeld zu geben.
Wer das zum ersten Mal erlebt, ist womöglich etwas überrumpelt, zum einen, weil Trinkgeld in Deutschland für gewöhnlich nicht quasi vom Verkäufer gefordert, sondern vom Kunden aus eigenem Antrieb gegeben wird. Zum anderen, weil es die Optionen häufig dort gibt, wo man zuvor gar nicht ans Geben eines Trinkgelds gedacht hätte – also etwa überall dort, wo man nicht am Tisch bedient wird, sondern sich selbst bedient oder nur etwas am Tresen kauft.
Fachleute nennen das Nudging, wenn Menschen im Alltag kleine Schubser bekommen, die sie dazu bringen sollen, etwas Bestimmtes zu tun oder zu lassen – "ganz ohne Ge- oder Verbote", sagt Wirtschaftspsychologin Julia Pitters von der IU Internationale Hochschule. "Man organisiert lieber das Umfeld der Menschen so, dass es einfacher für sie ist, sich zu entscheiden."
Die Angaben auf dem Terminal sind auch ein Denkanstoß
Aber was macht es mit Verbraucherinnen und Verbrauchern, wenn am Kartenterminal plötzlich Trinkgeldoptionen auftauchen?"Die Reaktion hängt stark von der Persönlichkeit ab", sagt Verhaltensökonom Dominik Enste vom Institut der deutschen Wirtschaft. Während einige das Angebot als Erleichterung wahrnähmen, weil sie bequem und ohne Rechnen Trinkgeld geben könnten, fühlten sich andere womöglich genötigt, Trinkgeld zu geben und könnten darauf mit Reaktanz reagieren – also aufgrund des Drucks erst recht kein Trinkgeld geben und die Örtlichkeit künftig meiden.
Aus Anbietersicht ist es Julia Pitters zufolge aber ein cleverer Schachzug, die Trinkgeld-Optionen auf dem Kartenterminal anzubieten. Weil die Trinkgeldgabe bei der Kartenzahlung sonst häufig in Vergessenheit gerate, kann dieser Denkanstoß hilfreich sein. "So weckt es den Eindruck, dass das üblich ist", sagt Pitters. Und weil Menschen sehr stark auf soziale Normen reagieren und nicht das Gefühl haben möchten, Abtrünnige zu sein, entschieden sie sich eben häufig dafür, ein Trinkgeld auszuwählen.
Durch den Einsatz des Nudgings, womit Gäste in die Richtung geschubst würden, überhaupt Trinkgeld zu geben, steige die Summe des Trinkgelds insgesamt an, sagt Dominik Enste. Wie viel allerdings jeder Einzelne gibt, hängt nicht nur von dessen üblichen Trinkgeldgewohnheiten ab, sondern auch davon, welche Optionen auf dem Zahlungsterminal ausgewählt werden können. "Typischerweise drücken die Menschen in der Mitte", sagt Enste. Ganz einfach deswegen, weil wir Extreme in der Regel scheuen.
Menschen wollen nicht als sparsam oder geizig wahrgenommen werden
Viele Händler und Geschäftsleute wüssten um diesen psychologischen Effekt, und wählten die Trinkgeldoptionen geschickt aus, sagt Julia Pütters. In Deutschland seien normalerweise Trinkgelder zwischen fünf und zehn Prozent üblich. Wenn die niedrigste Möglichkeit aber bei zehn Prozent beginnt, sei gleich "ein ganz anderer Anker gesetzt". Weil Gäste und Kunden eben zur Mitte tendierten, wählten sie eben nicht die niedrigste Kategorie aus, sonst gäben eher mehr als die zehn Prozent Trinkgeld. "Kein Trinkgeld" auszuwählen, obwohl das eigentlich die bevorzugte Wahl wäre, fällt Menschen schwer. Man wolle ungern als sparsam oder gar geizig wahrgenommen werden, sagt Julia Pitters.
Sonja Guettat von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz empfiehlt, sich nicht zeitlich unter Druck setzen zu lassen, nur weil zum Beispiel eine Schlange hinter einem an der Kasse ist. Stattdessen sollte man selbstbewusst nachfragen, wenn keine der gewünschten Trinkgeldoptionen angegeben ist und diese manuell eingeben (lassen). Einen Rechtsanspruch auf Trinkgeld gibt es nämlich nicht.