Lahr im Vergleich
Was Kommunen gegen Leerstände in ihren Innenstädten tun
Viele Städte kämpfen gegen die Leerstände in ihren Innenstädten. In Lahr sind aktuell die Berater der IHK an der Arbeit. Andere Städte in Deutschland sind bereits einen Schritt weiter.
Sa, 10. Mai 2025, 8:01 Uhr
Lahr
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Thomas Kaiser ist der Innenstadtberater der IHK. Seine einzige Aufgabe: die Innenstädte untersuchen, analysieren und Lösungen suchen. Mehr als 100 Städte im Land habe er schon unterstützt, sagte Thomas Kaiser bei der Pressekonferenz im April. So seien digitale Kundenkarten eingeführt, Wochenmärkte neu gestaltet oder Leerstände gefüllt worden. "Es gibt einige Erfolgsgeschichten".
Im Rahmen des Förderprogramms des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus nimmt er in diesen Wochen mit seinem Team Lahr unter die Lupe. Ein abschließendes Urteil kann er noch nicht abgeben. Zunächst wurden alle Bestände in der Innenstadt zwischen Turmstraße, Gärtnerstraße, Bundesstraße und Schillerstraße aufgenommen, ob leerstehend oder in Betrieb. "Es gibt 348 gewerbliche Flächen im Erdgeschoss, das hat mich total überrascht. Das ist wahnsinnig viel." 42 Flächen werden derzeit nicht genutzt, stehen also leer. Kaiser hat dabei viele kleine, entlegene Lagen abseits der Haupteinkaufsstraßen entdeckt. Da stellt sich für ihn die Frage, ob sie überhaupt noch sinnvoll genutzt werden können. Eine Zusammenlegung zu einer größeren Einheit könnte die Lösung sein.
Im Fokus stehen zunächst die sogenannten A-Flächen, die aus der Sicht von Kaiser wichtig sind und gefüllt werden müssen. Das trifft vor allem für die Marktstraße, aber auch Teile der Friedrichstraße zu. Im nächsten Schritt nach der Erhebung will der Innenstadtberater die Hauseigentümer ansprechen: "Wollen Sie überhaupt noch vermieten? Was ist eine angemessene Pacht?" Dann geht es an die Umsetzung von Lösungen: Nutzungen suchen, Flächen optimieren, notfalls auch Leerstände kaschieren. Im Sommer will Thomas Kaiser Ergebnisse präsentieren.
Die knapp 21.000 Einwohner große Kommune im Wiesental bei Lörrach ist schon in den Genuss der Innenstadtberatung der IHK gekommen. Im Februar wurden die Ergebnisse vorgestellt. Besonders gut bewertet wurde von den Passanten der Wochenmarkt, der am zweithäufigsten (74,8 Prozent) als Besuchsgrund genannt wurde, die Erreichbarkeit der Innenstadt und die Gastronomie. Weniger gut schnitten Parkplatzangebot, Parkgebühren und das Einzelhandelsangebot ab. Vermisst wurden Lebensmittelgeschäfte und Cafés. Aus Sicht der Händler war das Parkplatzangebot ein Problem.
Als Ziele aus dieser Analyse wurden unter anderen formuliert: Ansiedlungen und Leerstandsbekämpfung müssen aktiv gemanagt und der Nutzungsmix der Innenstadt vergrößert werden. Beim Leerstände-Management soll die Stadt als Vermittler auftreten. Hilfreich seien dazu Internet-Plattformen. Ungenützte Räume könnten zwischengenutzt werden als Pop-up-Stores. Es brauche Angebote für alle Altersgruppen, auch ohne Konsumzwang. Und obwohl der Wochenmarkt schon ein Frequenzbringer sei, sollte er noch mehr "zur Marke gemacht werden".
Hanau in Hessen hat ein ähnliches Schicksal wie Lahr. Bis 2008 beherbergte die Stadt, die mehr als 100.000 Einwohner hat, die meisten Amerikaner in Europa, nach dem Abzug der Streitkräfte 2008 waren plötzlich 340 Hektar Konversionsfläche frei. Die wurden unter anderem mit großen Rechenzentren und einem Wohnquartier gefüllt.
Für die Innenstadt, die wie Lahr gut vom Konsum der Soldaten gelebt hat, wurde der Slogan "Hanau Auf-Laden" ausgegeben. Das Programm umfasst ein Bündel an Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Innenstadt, will kreative Geschäftsideen fördern und Jungunternehmerinnen und -unternehmer erlauben, sich auszuprobieren. Dazu werden zum Beispiel zeitlich begrenzt leerstehende Ladenflächen provisorisch zu Pop-up-Stores. Dieser Gedanke wurde auch in der Gastronomie umgesetzt, indem eine als Parkplatz genutzte Fläche in der Altstadt zu einer Kulturwirtschaft mit modularem Außengelände wurde. Dort gab es Themenmärkte und Veranstaltungen statt, unter anderem das Open-Air-Kino. "Die Aufenthaltsqualität in der Stadt wird durch neue Angebote erreicht", sagt Pressesprecher Dominik Kuhn, "die Stadt wird bespielt und ist dadurch lebendig." Weitere Punkte von "Hanau Auf-Laden" sind unter anderem die Newcomer-Starthilfe in Höhe von bis zu 10.000 Euro oder die Vorkaufsrechtsatzung, nach der die Stadt von geplanten Immobilienverkäufen in Kenntnis gesetzt werden muss.
Als Leuchtturm-Projekt galt der Anfang Juni 2021 eröffnete Kunst-Kaufladen Tacheles, der neben Werken regionaler Kunstschaffender Mal-Utensilien sowie Workshops, Seminare und Lesungen anbot. Die Stadt trat dabei erstmalig selbst als Betreiberin eines Pop-up-Ladens auf. Den Laden gibt es nicht mehr, was laut Kuhn an dem dynamischen Ansatz des Programms liegt.
Ein großer Einschnitt für die Stadt war der 1. März 2013, als die Karstadt-Filiale geschlossen hat. "Wir haben vom ersten Tag an gesagt, dass wir es nicht zulassen, dass dort eine Brache entsteht", sagt Kuhn. Mittlerweile hat die Stadt das Gebäude für 25 Millionen Euro gekauft, unter anderen die Berufsakademie dort untergebracht und Räume für Pop-up-Stores entwickelt. Auch da gilt: "Einige probieren sich nur ein halbes Jahr aus, andere bleiben länger."
Das Engagement der Stadtverwaltung ist laut Dominik Kuhn erfolgreich: "Wir haben einen Leerstand von unter drei Prozent." Aus den meisten vorübergehenden Läden entstehen feste Mietverhältnisse, interessant dabei: Einige reine Online-Läden verfügen nun auch über einen stationären Verkauf.
Die Stadt Wipperfürth mit knapp 22.000 Einwohnern in Nordrhein-Westfalen ist selbst aktiv geworden und hat seit 2021 43 leerstehende Ladenlokale angemietet und zu günstigen Konditionen weitergegeben. "Das ist für eine so kleine Stadt eine enorm große Zahl", sagte City-Manager Lars Schreckegast in der Tagesschau. Die Förderung funktioniert folgendermaßen: Die Stadt Wipperfürth mietet ein leerstehendes Ladenlokal in der Innenstadt an. Von der ursprünglichen Kaltmiete zahlt der Ladenbetreiber nur 30 Prozent: 40 Prozent übernimmt die Stadt mithilfe von Fördermitteln des Landes. Und der Vermieter erklärt sich bereit, 30 Prozent zu erlassen. Die Förderdauer läuft maximal 24 Monate, danach müssen sich Untermieter und Eigentümer untereinander einigen, wie es mit dem Mietverhältnis weitergeht. "Viele Vermieter machen mit und das hängt meiner Einschätzung nach vor allem damit zusammen, dass die Eigentümer keine großen Konzerne sind, sondern familiär mit der Stadt verbunden", erklärt Schreckegast.
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