Bürokratie

Weil am Rhein sucht Lösungen für Herausforderungen in der medizinischen Versorgung

Die medizinische Versorgung in Weil am Rhein steht vor Problemen: Praxisnachfolge und starre Bedarfsplanung erschweren die Lage. Die Stadt will mit neuen Formaten Lösungen finden.  

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Wie die ärztliche Versorgung in Weil a...Ärztinnen und Ärzte beim runden Tisch.  | Foto: Christian Ohde (Imago)
Wie die ärztliche Versorgung in Weil am Rhein zukunftsfähig werden kann, diskutierten Ärztinnen und Ärzte beim runden Tisch. Foto: Christian Ohde (Imago)

Wie sieht die aktuelle medizinische Versorgungssituation aus und vor welchen Herausforderungen stehen die in Weil am Rhein niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte? Auf Einladung von Oberbürgermeisterin Diana Stöcker kamen im Beisein von Mitarbeitenden der Stadtverwaltung und der Wirtschaftsförderung der Stadt 25 Medizinerinnen und Mediziner im Rathaus zu einem Runden Tisch zusammen.

Die Anwesenden schilderten die täglichen Anforderungen in ihren Praxen. Bürgerinnen und Bürger, nicht nur aus Weil am Rhein, sondern aus dem Umland fragen nach Terminen. Immer wieder müssen Menschen abgewiesen werden. Durchaus kritisch sei die Lage bei Kinder- und Hausärzten. Einige Praxen suchten - auch im Hinblick auf den Generationswechsel - nach Verstärkung, schreibt das Rathaus in einer Pressemitteilung.

Grundsätzlich gelte das Gebiet als "(über-)versorgt", so die Stellungnahme der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), die als Körperschaft des öffentlichen Rechts die Vergabe von Kassensitzen regelt und entscheidet, wer sich wo niederlassen darf. Die Bedarfszahlen beziehungsweise die Richtlinie, nach der festgelegt wird, wie viele Sitze Ärztinnen und Ärzte in einem Gebiet zugelassen werden, stammen wiederum aus der Bedarfsplanungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G BA). Diese ist zwar am 1. Juli in der neuen Fassung in Kraft getreten, wird aber von den Ärzten und der Kommunalpolitik vor Ort immer wieder als unzureichend und starr kritisiert.

Fehlende Gesundheitskompetenzen "verstopfen" das System

Gründe dafür sind, dass Menschen immer älter werden und betreuungsintensive chronische Krankheiten entwickeln, aber auch vielen Menschen zunehmend eine Gesundheitskompetenz fehlt. Sie gehen dann wegen Kleinigkeiten zum Arzt und "verstopfen" das System, weswegen andere Patienten abgewiesen werden müssen oder erst später Termine vergeben werden können. Ein weiteres Phänomen: Menschen würden zu mehreren Ärzten gehen, um eine Zweit- oder Drittmeinung einzuholen. So binden sie auch wieder medizinische Kapazität.

Will ein Arzt beispielsweise aus familiären Gründen seine Arbeitszeit reduzieren, könne dafür oftmals keine Ärzte anstelle eingestellt werden. Weil am Rhein gehört zum Zulassungsgebiet Freiburg und da sich vor kurzem ein Hausarzt in Bad Bellingen angesiedelt hat, ist für Weil am Rhein nur noch ein weiterer halber Sitz für einen neuen Hausarzt möglich gewesen.

Es wurde deutlich, dass die Weiler Ärztinnen und Ärzte oftmals bereit seien, mehr zu arbeiten. Allerdings halten sie die zunehmende Bürokratie – von Formularen über Vertragswesen bis hin zu Abrechnungsfragen - oder Auflagen der Budgetierung davon ab. Da am Ende des Abrechnungszeitraums Geld abgezogen wird, obwohl die Leistung am Menschen erbracht wurde. Mit all dem Papierkram gehe wertvolle Zeit verloren, die dann für die Patientenversorgung fehle, so die Ärztinnen und Ärzte.

OB Stöcker fordert realitätsnahe Bedarfsplanung

Oberbürgermeisterin Diana Stöcker waren viele der vorgetragenen Herausforderungen nicht fremd, weil sie sich als Bundestagsabgeordnete und Mitglied im Gesundheitsausschuss genau damit beschäftigte. Sie bekräftigte, dass es eine andere Patientensteuerung benötige, wie es die Bundesregierung gerade überlege. Sie machte auch klar, dass die starre und auf überholten "Formeln" beruhende Bedarfsplanung angepackt und der Realität angepasst werden müsse.

Sie machte sich zudem ein Bild davon, welche anwesende Ärztinnen und Ärzte in den nächsten fünf Jahren in den Ruhestand gehen und nach Praxisnachfolgen suchen würden. Das indes gestalte sich alles andere als einfach, da viele junge Nachwuchsmedizinerinnen und -mediziner eine Anstellung und keine Selbständigkeit anstreben. Umso wichtiger sei es, dass in einer Stadt wie Weil am Rhein die Rahmenbedingungen stimmen. So baten die Ärztinnen und Ärzte die Stadtverwaltung um Unterstützung bei der Schaffung eines attraktiven Umfelds wie den weiteren Ausbau von Betreuungsplätzen, Unterstützung bei Standortfragen oder auch Maßnahmen gegen den angespannten Wohnungsmarkt.

"Eine gute medizinische Versorgung ist ein wichtiger Standortfaktor und mitentscheidend für die Lebensqualität in unserer Stadt."Diana Stöcker

Auch wenn viele Punkte nicht im Verantwortungsbereich der Stadt, sondern in dem der KV liegen, sicherte Stöcker zu, dass die Stadtverwaltung die Sorgen der Ärzteschaft ernst nehme und im Rahmen ihrer Möglichkeit, aktiv an Lösungen mitarbeiten werde. "Eine gute medizinische Versorgung ist ein wichtiger Standortfaktor und mitentscheidend für die Lebensqualität in unserer Stadt."

Ziel sei, Weil am Rhein als attraktiven Standort für Medizinerinnen und Mediziner sowie deren Fachpersonal zu stärken und die Versorgung der Bevölkerung zu sichern. Die Zukunft liege, so Stöcker, ihrer Meinung nach in der Teampraxis, in der verantwortungsvoll Aufgaben an die sehr gut ausgebildeten Assistentinnen und Assistenten der Praxis delegiert werden können.

Udo Lavendel, Geschäftsführer der Kliniken des Landkreises Lörrach, nutzte die Gelegenheit, das neue Dreilandklinikum vorzustellen, und zum Austausch mit den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen. Er nahm der Mitteilung zufolge viele Impulse mit, die in die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit zwischen Klinik und Praxen einfließen sollen, und war dankbar über die Möglichkeit des direkten Kontakts, der sich ihm durch den Runden Tisch in Weil am Rhein bot.

"Es war ein sehr interessantes und wichtiges Treffen. Den Runden Tisch wollen wir nun regelmäßig ausrichten und haben uns mit der Ärzteschaft darauf verständigt, etwa alle neun Monate zusammenzukommen", erklärt Oberbürgermeisterin Diana Stöcker.

Schlagworte: Diana Stöcker, Udo Lavendel
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