Diamantene Hochzeit
Wie aus drei geschriebenen Worten im Schopfheimer Turmbuch eine lebenslange Liebe wurde
Eine einfache Botschaft im Turmbuch der Hohen Möhr in Schopfheim-Raitbach wurde 1958 zum Anfang einer langen Ehe. Heute blicken Marlies und Theo Meier auf mehr als 60 Jahre Ehe zurück.
Werner Müller
Di, 2. Sep 2025, 8:00 Uhr
Schopfheim
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Im Zeitalter von E-Mails, Messenger-Diensten und Kurznachrichten erscheint die gute alte Brieffreundschaft fast wie eine Erinnerung an eine längst vergangene Welt. Und doch gibt es Geschichten, die zeigen, wie kraftvoll und lebensverändernd der Austausch geschriebener Worte sein kann. Eine solche Geschichte ist die von Marlies und Theo Meier, denen das Schicksal im Jahre 1958 auf ungewöhnliche Weise die Türen zueinander öffnete – und deren Liebe, die mit einem einfachen Satz im Turmbuch der Hohen Möhr begann, bis heute Bestand hat.
Das allererste Müsli und Sahnebaisers für 50 Pfennig
Der Rückblick beginnt im Oktober 1958. Marlies Meier, geborene Adam, war damals ein 15-jähriges Mädchen aus Münster in Westfalen. In einer Zeit, als die Nachwirkungen des Krieges noch in vielen Familien spürbar waren, waren Gesundheit und Fürsorge besondere Güter. So wurde Marlies nach einer Untersuchung zu einer Erholungskur nach Schweigmatt geschickt, da sie als "viel zu dünn" eingestuft wurde. Die hohen Fahrtkosten von 60 D-Mark, für die damalige Zeit ein beträchtlicher Betrag, wurden von ihren Großeltern übernommen – eine Geste, die Marlies nie vergessen hat.
Die Reise führte sie gemeinsam mit anderen Mädchen per Zug nach Schopfheim und mit dem Bus weiter nach Schweigmatt. Schon die Anreise war für die Jugendlichen ein Abenteuer – für viele das erste Mal, dass sie in eine unbekannte Region aufbrachen. In Schweigmatt angekommen, erwartete sie eine Zeit, die ihr Leben prägen sollte. In ihren Aufzeichnungen schildert Marlies Meier die Eindrücke und Erfahrungen jener Wochen mit großer Wärme und Dankbarkeit. Sie erinnert sich besonders an ihr allererstes Müsli zum Frühstück – eine bis dahin unbekannte Speise, damals etwas Besonderes, fast Exotisches.
Auch der wöchentliche Besuch im damaligen Café in Schweigmatt ist ihr in lebhafter Erinnerung geblieben. Der Genuss eines Sahnebaisers für 50 Pfennig war ein Höhepunkt. Marlies Meier schildert jene Nachmittage als Momente unbeschwerter Freude und Gemeinschaft, die den Alltag der Kur auflockerten. Die Mädchen unternahmen drei Wanderungen auf die Hohe Möhr, einen der schönsten Aussichtspunkte in der Region. Der Aufstieg wurde jedes Mal mit einem atemberaubenden Blick vom Turm belohnt, der weit über den Schwarzwald reichte. Es waren Momente der Freiheit, des Staunens und der Jugend – und es war eben auch dieser Ort, an dem Marlies im Turmbuch einen Satz hinterließ, der ihr Leben verändern sollte: "Wer schreibt mir?"
Marlies und der Silberschmied schrieben sich mehr als 900 Briefe
Wenige Wochen später, im November 1958, besuchte Theo Meier, ein junger Silberschmied aus Pforzheim, ebenfalls den Turm auf der Hohen Möhr. Auch er war – wie Marlies – wegen Untergewichts zur Kur auf die Hohe Möhr geschickt worden. Theo entdeckte bei seinem Besuch im Turmbuch die Nachricht von Marlies. Theos Neugier und Mitgefühl waren geweckt. Es war der Beginn einer Brieffreundschaft, die sich bald zu einer engen, vertrauensvollen Verbindung entwickeln sollte. Mehr als 900 Briefe wechselten in den folgenden Jahren zwischen Münster und Pforzheim.
Die Briefe, die die Tochter Martina heute als Familienerbstück verwahrt, erzählen von einer behutsam wachsenden Zuneigung. In einer Zeit, in der persönliche Begegnungen durch die Entfernung und die Konventionen erschwert wurden, war der Brief die Brücke zwischen zwei jungen Menschen, die sich in ihrer Offenheit und Ehrlichkeit begegneten.
1961 verlobten sich Marlies und Theo. Damals war für die offizielle Verlobung noch die Erlaubnis der Eltern notwendig, da man erst mit 21 Jahren volljährig wurde. Im Jahr darauf, 1962, folgte die Hochzeit – der Beginn eines gemeinsamen Lebenswegs. Aus ihrer Ehe gingen zwei Kinder hervor. Später kamen zwei Enkelkinder hinzu, die heute Teil einer Geschichte sind, die mit wenigen Worten im Turmbuch der Hohen Möhr begann.
Ein Miniatur-Nachbau des Turms als Geschenk
2022 feierten Marlies und Theo Meier ihre Diamantene Hochzeit – 60 Jahre Ehe. Heute, im Alter von 87 und 82 Jahren, verbringen Marlies und Theo ihren Lebensabend in einem Pflegeheim in Pforzheim. Die Gesundheit erlaubt keine großen Reisen mehr, doch ihre Geschichte reist weiter – in den Erinnerungen ihrer Kinder, Enkel und aller, die sie kennen.
Vor Kurzem besuchten Marita Sütterlin und Werner Müller vom Schwarzwaldverein Schopfheim die Tochter Martina Hübel und ihren Mann während eines Urlaubs in Zell. Als Überraschung und Erinnerung an die Anfänge der Liebe übergaben sie einen Miniatur-Nachbau des "Möhrenturms" – jenes Ortes, an dem alles begann – an die Tochter von Marlies und Theo Meier.
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