"Das Vertrauen in die Gewerkschaften ist verloren gegangen"

BZ-INTERVIEW mit dem Ökonomen Bernhard Neumärker über den Mitgliederschwund der Arbeitnehmerorganisationen und was sie in Zukunft ändern müssen.
1991, kurz nach der Wiedervereinigung, hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) noch 11,8 Millionen Mitglieder. Seitdem nimmt diese Zahl beständig ab. Inzwischen sind es nicht mal mehr sechs Millionen. Warum das so ist und was die Gewerkschaften ändern müssen, hat Theresa Steudel Bernhard Neumärker gefragt.
Neumärker: Das Vertrauen in die Gewerkschaften ist verloren gegangen. Wir hatten lange Zeit Lohndumping, da haben die Gewerkschaften sich nicht wirksam aufgebäumt. Häufig gibt es zudem Tarifverträge, die für alle Arbeitnehmer gelten. Mancher denkt sich also: Wieso soll ich mich engagieren, wenn der Vertrag ohnehin für alle ist? Oder sie sind gar nicht mit dem Arbeitskampf einverstanden, finden den Streik übertrieben. Hinzu kommt, dass sich unsere Gesellschaft stark individualisiert hat. Löhne und Arbeitsverträge werden vermehrt persönlich ausgehandelt. Es gibt Branchen, die sich der Tarifbindung ...