Edeka-Gerücht geistert durch Freiburg

Supermarktkette dementiert: Keine Schließung der Filiale an Lörracher Straße wegen benachbarter Flüchtlings-Erstaufnahmestelle.  

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Über den Edeka  in Haslach kursieren Gerüchte.   | Foto: Ingo Schneider
Über den Edeka in Haslach kursieren Gerüchte. Foto: Ingo Schneider

Ein Gerücht verbreitet sich quer durch Freiburg, macht auf dem Münsterplatz und im Rathaus, auf Facebook und auf Twitter die Runde, wird dort genährt und gemästet: Edeka schließe seinen Markt an der Lörracher Straße in Haslach – wegen der benachbarten Erstaufnahmestelle (EA) für Flüchtlinge. Die Handelskette dementiert.

In einer Pizzeria geistert das Gerücht zwischen Pasta und Pastrami umher: Flüchtlinge würden Edeka die Regale leer räumen, der Handelsriese die Konsequenzen ziehen. Auf Twitter zwitschert es, der Umsatz sei rückläufig, Kunden blieben wegen der EA-Flüchtlinge fern. In einer E-Mail wendet sich eine Leserin an die Badische Zeitung: "Ist die Information bekannt? Der Edeka hat doch erst aufgemacht." Und während eine Verkäuferin in der Filiale das Gerücht bestätigt, weist es eine andere zurück: "Unglaublich, was sich die Leute so ausdenken, oder?!"

Ein Blick auf den Parkplatz an der Lörracher Straße zeigt, dass sich vor allem mittags und abends Autotür an Autotür reiht. "Spekulationen über eine (auch nur zeitweise) Schließung entbehren jeglicher Grundlage", heißt es aus der Zentrale von Edeka-Südwest in Offenburg. Auch das Gerücht, man habe sich in einem Brief an die Stadt gewandt, um die Situation mit den Flüchtlingen zu besprechen, sei falsch. "Weiterhin gilt: Im Großen und Ganzen herrscht eine friedliche Koexistenz", heißt es.

"Allein dadurch, dass ein solches Gerücht zirkuliert, schließt der Großteil der Bevölkerung darauf, dass da etwas dran sein muss", sagt Medienlinguist Friedemann Vogel von der Uni Freiburg. Zumal wenn es einen über verschiedene Kanäle erreiche. Facebook und Twitter vermögen solche Gerüchte ungleich zu potenzieren. "Über Soziale Medien werden sie sehr schnell ge- und verteilt – das sind Gerüchte-Brandbeschleuniger", sagt Vogel. Brandbeschleuniger, die Nahrung fänden in etablierten Vorurteilen. "Diese wurden in den letzten Jahren durch die Politik und die Medien maßgeblich geprägt. Es passt dann in das Weltbild, wenn es heißt: ,Guck mal, da muss der Supermarkt schließen – wegen der Fremden.‘ Was anderes wird gar nicht wahrgenommen." Gerüchte hielten sich dann besonders hartnäckig. "Die Leute haben Angst und wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen", so Vogel. Angst davor, den Supermarkt zu verlieren, Angst vor Überfremdung, Arbeitslosigkeit – und Straftaten.

Ob seit der Ansiedlung der EA an der Lörracher Straße Anfang September die Zahl der Diebstähle im Edeka tatsächlich gestiegen ist, dazu will das Unternehmen nichts sagen. Schriftlich wird der BZ mitgeteilt: "Bitte haben Sie Verständnis, dass wir Umsatzentwicklungen und andere betriebswirtschaftliche Kennzahlen nicht kommentieren." Auch die Polizei kann dazu nichts sagen. "Derzeit liegen uns noch keine konkreten Statistiken vor", sagt Polizeisprecherin Laura Riske.

Nicht nur in Freiburg kursieren Gerüchte, wonach Supermärkte wegen Flüchtlingen schließen müssen: In Gießen hieß es, der Aldi würde wegen "chaotischer Zustände" dicht machen. Der Discounter dementierte. Auf Facebook hieß es, Flüchtlinge klauten den Edeka im bayrischen Friedberg leer – und die Medien würden nur deshalb nicht berichten, damit keine Unruhe aufkommt. Der Betreiber dazu auf Facebook: "Wer dieses Märchen unreflektiert aufnimmt und weiter erzählt, der erzählt absoluten Bullshit!"

Ein gezielter Versuch, Flüchtlinge zu stigmatisieren?

"Bei solchen Gerüchten hilft nur eine offensive Informationspolitik", so Vogel. Was die Freiburger Filiale angeht, hat Edeka Südwest bislang weder auf Facebook noch auf Twitter reagiert, auch gibt es keinen Aushang an der Lörracher Straße. Das Unternehmen betont aber, "Spekulationen, überall wo wir auf sie stoßen, vehement entgegenzutreten".

Durch wen und über welchen Kanal das Gerücht seinen Ausgang nahm, lässt sich nicht nachvollziehen. Vogel zufolge kommt es bundesweit immer wieder gezielt zu Versuchen aus dem rassistischen oder rechtskonservativen Milieu, Flüchtlinge zu stigmatisieren und als Verbrecher zu markieren. Das Ziel: Ängste schüren und eine Politik der Ausgrenzung zu befördern. "In den meisten Fällen stellen sich die Gerüchte als frei erfunden heraus", sagt Vogel.

Beim Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels ist jedenfalls nicht bekannt, dass irgendwo in Deutschland schon ein Lebensmittelgeschäft wegen Flüchtlingen schließen musste.

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