Einsam wie ein Blauwal
Drei spannende Geschichten mit Tiefgang zum Schmökern in den Sommerferien.
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Endlich Ferien – Freiheit, Schlendrian, Zeit zum Schmökern! Dass auch realistische Geschichten das Zeug zum Abenteuer haben, beweisen diese drei Sommerromane: ohne Heile-Welt-Glasur, dafür mit einem Erzählsog, der einen in fremde Herzen und Köpfe strudelt.
"Menschen sind mir manchmal unheimlich, Tiere nie", so das Statement der Einzelgängerin Flora, die sich auf sechs herrlich maulfaule Wochen in der Landschaftsgärtnerei ihres Vaters freut. Doch gleich der erste Arbeitsauftrag führt sie zur Villa von Zimtzicke Evi, die einen verzweifelten Stiefmutterkrieg führt und sich in Floras Großfamilie einnistet. Das ist mehr als nervig. Als Flora ein brütendes Huhn findet und im Kleiderschrank versteckt, muss sie Evi und Schulschwarm Nick in ihr Geheimnis einweihen. 21 Tage dauert es, bis aus den Eiern sieben Küken schlüpfen; 21 Tage, in denen drei Kinder Freunde werden, ausbüchsen und in letzter Sekunde ein großes Unglück verhindern. Mit "Kükensommer" ist der niederländischen Kinderbuchautorin Anna Woltz ein mitreißender Roman gelungen: spannend, witzig, quicklebendig – und mit Tiefgang.
Mein Sommer mit Mucks
Auch die Ich-Erzählerin Zonja aus Stefanie Höflers beeindruckendem Debüt "Mein Sommer mit Mucks" hat sich mit ihrem Außenseitertum arrangiert: Gnadenlos neugierig ist sie, versessen auf Listen und Statistiken – und einsam wie ein Blauwal. Ohne Wochenstruktur und Klassenverband sind die Ferien für Zonja ein Problem, also geht sie ins Freibad und beobachtet Leute. Zum Glück, denn so rettet sie einen spindeldürren Jungen vor dem Ertrinken und findet einen Freund: Wundervolle Tage lang spielen die beiden Scrabble, philosophieren, quatschen, gucken in den Sternenhimmel – wobei Zonja klar wird, dass mit Mucks etwas nicht stimmt: Warum kann er nicht schwimmen? Woher kommen seine blauen Flecken? Wovor hat er solche Angst? Hartnäckig sammelt sie Indizien – und kommt einem dunklen Geheimnis auf die Spur. Schwimmbadblau und Sorgengrau, flügelzarte, erste Liebe und häusliche Gewalt, Lebensfreude, Mut und Ohnmacht – all das verwebt Höfler zu einer Geschichte voller Atmosphäre, deren Ausgang sie bis zum Ende in der Schwebe hält.
Idiotensicher
Eine rasante Räuberpistole in Huckleberry Finn-Manier erzählt Dirk Pope in seinem ersten Jugendroman "Idiotensicher". Sein Held Moki ist ein Tausendsassa: afrikanisches Flüchtlingskind mit Cowboyhut und frecher Klappe, den Kopf voller verrückter Ideen. Kein Wunder, dass die Brüder Joss und Basti diesen charismatischen Chaoten umschwirren wie die Motten das Licht. Mit Moki ist alles Abenteuer pur: das Bandenleben im alten Zirkuswagen, die Stunts mit der frisierten Geländemaschine auf dem verlassenen Fabrikgelände, der Sprung vom Baukran ins trübe Hafenbecken. Doch dann findet Moki eine Schatzkiste mit achtzig Stangen reinstem Dope. Behalten? Wegwerfen? Verticken? Klar, dass er sich für Letzteres entscheidet. Da kommt die pummelige Elin gerade recht: Sie kennt die richtigen Leute und fädelt den Deal ein, der alle reich machen soll.
In 62 Kurzprotokollen berichten Popes Protagonisten mit Überschneidungen, Vor- und Rückblenden von ihrem gerade überstandenen lebensgefährlichen Abenteuer. Dabei entwickeln die schnell geschnittenen O-Töne Krimi-Spannung, fügt sich die Geschichte wie aus Splittern eines Kaleidoskops zusammen. Ein packender Sturm- und Drang-Roman, mit Galgenhumor, Zickzackwendungen und ohne jede Zeigefingerei.
– Anna Woltz: Kükensommer. Roman. Aus dem Niederländischen von Bettina Bach und Eva Schweikart. Dtv junior, München 2015. 160 Seiten, 10,95 Euro. Ab 8.
– Stefanie Höfler: Mein Sommer mit Mucks. Roman. Verlag Beltz & Gelberg, Weinheim-Basel 2015. 140 Seiten, 12,95 Euro. Ab 11.
– Dirk Pope: Idiotensicher. Roman. Carl Hanser Verlag, München 2015. 192 Seiten, 14,90 Euro. Ab 13.
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