In einem UN-Camp in Tunesien leben Tausende Afrikaner, die aus Libyen geflohen sind: Die vergessenen Opfer des Kriegs gegen Gaddafi.
Nachmittags tost der Sturm um die Zelte. Die Sandkörner, die in der Mittagszeit die Sonne reflektieren wie ein in Milliarden Stücke zerbrochener Spiegel, fliegen jetzt wie Miniaturgeschosse durch die Luft. Sie prasseln auf die Haut wie winzige Raketen und entzünden in den Augen kleine Feuer. Selbst durch die dicken Planen dringt der Sand. Senkrecht fällt er durch die Ritzen in die Töpfe mit den Vorräten. Sandreis und Sandbohnen, Tag ein, Tag aus.
Wir sind im Camp Shousha, einem Zeltlager des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR), in Tunesien an der Grenze zu Libyen. Während draußen der Sturm tost, säuselt drinnen nigerianischer Pop aus einem altersschwachen Kassettenrecorder. Jamal Owaitan zündet sich in dem stickigen Zelt eine Zigarette an. Er hält ein Foto aus Misrata in der Hand. Es zeigt Jamal, wie er in Jeanshemd und Cowboyhut auf einer Couch sitzt, in der Hand ein Glas Wein. Ein Freund ...