Gewerkschaft IG BCE

Fehlendes Personal bereitet Chemiefirmen in Südbaden Probleme

Dora Schöls

Von Dora Schöls

Di, 07. Februar 2023 um 10:19 Uhr

Wirtschaft

Die Chemiefirmen in Südbaden haben zu kämpfen. Die größte Herausforderung bleibt der Arbeitskräftemangel. Bei der Alu Rheinfelden indes geht es bergauf – wenn auch mit roten Zahlen.

Die Lage in der Chemie- und Pharmaindustrie in Südbaden sei "besser als befürchtet", das war die Botschaft der Industriegewerkschaft IG BCE (Bergbau, Chemie und Energie) bei einer Pressekonferenz am Montag in Freiburg. Mit den hohen Energiekosten hätten alle – in unterschiedlichem Maße – zu kämpfen. "Alle ächzen", sagte Ralf Wittmann, Vorsitzender des IG-Bezirksvorstands und Betriebsrat bei Evonik in Rheinfelden. "Die Unternehmen am Hochrhein arbeiten besonders energieintensiv."

Energiepreise bereiten Probleme

Viele könnten die Preissteigerungen an die Kunden weitergeben, sagte Bezirksleiterin Petra Hartwig. Und die Gaspreisbremse helfe, so Wilhelm Tholen, Betriebsrat bei Aluminium in Rheinfelden. Doch in der Pharmabranche gebe es für viele Produkte gesetzliche Preisgrenzen, dadurch sinke die Gewinnmarge, ergänzte Petra Geusch-Leuthe, Betriebsrätin bei Takeda in Konstanz. "Da überlegt sich ein internationaler Konzern, ob es sich noch lohnt, in Deutschland zu produzieren."

Insgesamt versuchten die Unternehmen, Energie einzusparen. Bei DSM in Grenzach-Wyhlen sei die Produktion reduziert worden, sagte Betriebsrat Thomas Weigert. Takeda verwende zusätzlich zu Gas jetzt auch Öl und Holzpellets. Evonik, laut Wittmann größter Gasverbraucher der Region, verkauft Abwärme an Privathaushalte und investiert in ein Pilotprojekt zu grünem Wasserstoff. Aber die Industriedächer würden zu wenig für Photovoltaik genutzt, findet Wittmann.

Auch mit den Lieferketten gebe es Probleme. Analysegeräte, Motoren, Ersatzteile, all das sei zwar verfügbar – aber es gebe "extrem lange Wartezeiten", sagte Grit Brückner, Betriebsrätin bei Cabot in Rheinfelden. Dadurch sei aber auch der "Improvisationsgeist" gestiegen, ergänzte Tholen – viele Mitarbeitende würden kreativ und überlegten, wie man auch ohne die Ersatzteile zurechtkommt.

Mit Kinderbetreuung gegen den Fachkräftemangel

Die größte Herausforderung sei jedoch der Mangel an Fach- und Arbeitskräften, betonte Hartwig. Der Druck auf die Mitarbeitenden sei enorm: Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in Rente, während viele junge Menschen nicht mehr im Schichtdienst arbeiten wollten. Am Hochrhein komme hinzu, dass viele in die Schweiz abwanderten. "Seit über 20 Jahren weisen wir darauf hin, dass das kommt, dass die Unternehmen ausbilden und Fachkräfte an sich binden müssen." Was helfen würde, sei nicht einfach mehr Geld, sondern die "weichen Faktoren", so Wittmann: Kinderbetreuung, Hilfe bei der Wohnungssuche, Fitness-Zuschuss, Kantine, Weiterbildung.

Der Tarifvertrag sei schon super, aber "die Arbeitgeber müssen heute mehr bieten". Der Frauenanteil liege bei einem Viertel, da brauche es gute Kinderbetreuung – wobei auch zunehmend Männer in Elternzeit gingen, auch Betriebsleiter, ergänzte Grit Brückner.

Angesichts dieser Herausforderungen treten auch wieder mehr Menschen in die Gewerkschaft ein, sagte Hartwig. Während viele Organisationen über Mitgliederschwund klagen, freue sich die IG BCE im Bezirk Freiburg über einen kleinen Zuwachs – um netto zwei Menschen auf 7022 im vergangenen Jahr. Zählt man nur die betriebstätigen Mitglieder, komme man auf 5101 Mitglieder und ein Plus von 1,6 Prozent. Es seien auch mehrere Betriebe hinzugekommen. Bei B+K Bremsen- und Kupplungsteile in Neuenburg mit 150 Angestellten etwa habe man einen Betriebsrat eingerichtet, sagte Gewerkschaftssekretär Lukas Gruber. Bei SGS Fresenius in Freiburg sei man dabei, den Tarifvertrag durchzusetzen. Damit betreut die IG BCE mehr als 80 Unternehmen mit mehr als 20.000 Beschäftigte in Südbaden.

Auch bei der Alu Rheinfelden gilt nun der Manteltarifvertrag, sagte Betriebsrat Wilhelm Tholen. Das Unternehmen war vor knapp zwei Jahren vom russischen Konzern Rusal übernommen worden. Sonst würde es das Unternehmen heute nicht mehr geben, ist sich Tholen sicher: "Kein normaler Mittelständler hätte das investieren können." Die Mitarbeiterzahl liege bei rund 230, fast so hoch wie vor dem Insolvenzverfahren 2020. Obwohl die Alu noch immer keine schwarzen Zahlen schreibe, streiche Rusal keine Sonderzahlungen wie das Weihnachtsgeld. Von den Sanktionen gegen Russland im Zuge des Ukraine-Kriegs sei die Alu nicht betroffen, so Tholen. Rusal spreche sich auch in Russland gegen den Krieg aus, habe Firmen in der Ukraine und ukrainische Mitarbeitende in Rheinfelden.

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