HIV
"Kondome sind oftmals verpönt"

Der Freiburger Mediziner Jan Thoden spricht im Interview über die steigende Zahl der HIV-Infektionen und die Hoffnung auf Heilung. Die steigende Zahl der Neuinfektionen gibt Anlass zur Sorge.
Sich mit HIV zu infizieren, ist heute längst kein Todesurteil mehr. Doch die steigende Zahl der Neuinfektionen in vielen Ländern gibt Anlass zur Sorge. Jan Thoden (44), Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie, arbeitet in einer der drei Schwerpunktpraxen für HIV-Infizierte in Freiburg. Aus Anlass der Welt-Aids-Konferenz, die diese Woche in Amsterdam stattfand, warnt er vor Sorglosigkeit und macht Mut, sich gegen Diskriminierung zu wehren.
Der Sonntag: Vier Jahre ist es her, dass die Vereinten Nationen sich das Ziel gesetzt haben, die Ausbreitung von HIV bis 2030 zu stoppen. Nun zeigt sich, dass das kaum erreichbar ist. Warum hat man sich so verschätzt?
Jan Thoden: Es war ein hehres Vorhaben, das man sich 2014 mit dem 90-90-90-Ziel gesetzt hat. Es bedeutete: 90 Prozent aller mit HIV infizierten Menschen sollten getestet sein, von denen sollten 90 Prozent behandelt werden, und hiervon wiederum 90 Prozent sollten eine Viruslast unter der Nachweisgrenze haben, sodass sie HIV nicht übertragen können. Tatsächlich erreicht selbst Deutschland diesen hohen Wert nicht: Von derzeit 88 400 HIV-Positiven kennen 12700 ihren Status nicht. Wenn wir nun in Länder Osteuropas schauen, wo der Zugang zu Tests und Medikamenten ungleich schwieriger ist, ist klar, dass das nicht sofort zu schaffen ist. Dennoch bin ich optimistisch: In Afrika etwa haben es in den letzten Jahren Kenia, Ghana und Ruanda geschafft, Aufklärung und Therapie erfolgreich zu verbreiten.
Der Sonntag: In 50 Ländern ist die Infektionsrate zuletzt gestiegen, dabei ist die Situation in Russland besonders alarmierend. 100 000 bis 150 000 Menschen infizieren sich dort im Jahr mit HIV. Ist die Stigmatisierung der Hauptbetroffenen – Homosexuelle und Drogensüchtige – der Grund?
Thoden: Das ist sicher ein relevanter Punkt. Wo ...
Der Sonntag: Vier Jahre ist es her, dass die Vereinten Nationen sich das Ziel gesetzt haben, die Ausbreitung von HIV bis 2030 zu stoppen. Nun zeigt sich, dass das kaum erreichbar ist. Warum hat man sich so verschätzt?
Jan Thoden: Es war ein hehres Vorhaben, das man sich 2014 mit dem 90-90-90-Ziel gesetzt hat. Es bedeutete: 90 Prozent aller mit HIV infizierten Menschen sollten getestet sein, von denen sollten 90 Prozent behandelt werden, und hiervon wiederum 90 Prozent sollten eine Viruslast unter der Nachweisgrenze haben, sodass sie HIV nicht übertragen können. Tatsächlich erreicht selbst Deutschland diesen hohen Wert nicht: Von derzeit 88 400 HIV-Positiven kennen 12700 ihren Status nicht. Wenn wir nun in Länder Osteuropas schauen, wo der Zugang zu Tests und Medikamenten ungleich schwieriger ist, ist klar, dass das nicht sofort zu schaffen ist. Dennoch bin ich optimistisch: In Afrika etwa haben es in den letzten Jahren Kenia, Ghana und Ruanda geschafft, Aufklärung und Therapie erfolgreich zu verbreiten.
Der Sonntag: In 50 Ländern ist die Infektionsrate zuletzt gestiegen, dabei ist die Situation in Russland besonders alarmierend. 100 000 bis 150 000 Menschen infizieren sich dort im Jahr mit HIV. Ist die Stigmatisierung der Hauptbetroffenen – Homosexuelle und Drogensüchtige – der Grund?
Thoden: Das ist sicher ein relevanter Punkt. Wo ...