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Zischup-Interview

"Ich habe überall Narben von damals"

  • Julia Schneider, Klasse 9c, Wilhelm-August-Lay-Realschule & Bötzingen

  • Di, 03. Mai 2016, 00:00 Uhr
    Schülertexte

     

Teweldeberhan musste aus seinem Heimatland Eritrea fliehen und wohnt jetzt in dem Flüchtlingsheim in Buchheim. Julia Schneider aus der 9c der Wilhelm-August-Lay-Realschule hat ihn zu seiner Flucht befragt. Auf Deutsch bedeutet sein Name "geboren im Licht".

Teweldeberhan aus Eritrea.  | Foto: privat
Teweldeberhan aus Eritrea. Foto: privat
Zischup: Wo kommen Sie her?
Teweldeberhan: Eritrea, das liegt in der Nähe von Äthiopien, in Westafrika.
Zischup: Wie lange leben Sie schon in Deutschland?
Teweldeberhan: Seit dem 31.8.2013, also seit zwei Jahren und fünf Monaten.
Zischup: Wie sind Sie nach Deutschland gekommen?
Teweldeberhan: Am 5.2.2013 bin ich von Eritrea zu Fuß nach Äthiopien gelaufen. Von dort aus ging es am 25.2.2013 mit einem laster in den Sudan weiter. Dann kam Libyen,dort musste ich drei Monate in einem Camp warten, wo e s kaum was zum Trinken und zum Essen gab. So ein kleines Schnapsglas am Tag hatten wir zum Trinken, wir gaben unser Trinken den kleinen Kindern. Ich habe sehr viel geweint, wie alle anderen auch. Ich wartete drei Monate lang in dem Camp, bis mein Bruder mir Geld schickte, damit ich weiterreisen konnte. Am 21. August ging es dann mit einem Boot nach Italien, ganze drei Tage hatten wir kein Essen und Trinken. Wir hatten nur unsere Kleider. Am 28. August fuhr ich dann nach Deutschland. Am 31.August kam ich in Gießen an, und dann fuhr ich noch drei Monate mit dem Transfer nach Darmstadt. Am Ende kam ich dann hier in der March an.

Zischup: Was haben Sie erlebt in Ihrem Dorf?
Teweldeberhan: Ich war ein guter und gebildeter Schüler in der Schule, deshalb sollte ich zum Militär gehen. Ich wurde mit rund 16 Jahren mit Gewalt von der Schule genommen, um eben zum Militär zu gehen. Ich wollte natürlich nicht dorthin gehen, deshalb bin ich dann abgehauen, aber sie fanden mich. Dafür musste ich 2009 ins Gefängnis. Dort musste ich neun Monate mit noch 442 anderen Menschen unter der Erde in einem Gefängnis leben, das war gar nicht gut, denn ich schwitzte so viel, weil es so heiß dort unten war. Dann kam ich in ein anderes Gefängnis, aber nicht mehr unter der Erde. Dort war ich dann noch mal ein Jahr und drei Monate. Zwei Mal täglich gab es Brot, mehr nicht. Dabei wollten wir nur Freiheit. Bei einem Kampf verlor ich einen meiner Finger, der mir mit einer Eisenstange abgeschlagen wurde. Alles blutete, mein Finger, mein Kopf und mein ganzer Körper. Die Soldaten schlugen auf mich ein und machten alles kaputt. Ich kam zwei Wochen in ein Krankenhaus. Alles wurde verbunden. Überall am Kopf, am Fuß, am Körper und an den Armen habe ich Narben von damals. Ich durfte aber wieder nach Hause, meine Familie schrie und weinte, als sie mich sahen, ich weinte auch. Aber hier in Deutschland ist alles gut. Sie haben mir 400 Euro weggenommen, aber ich habe sie wieder bekommen. Bei uns im Dorf hätten wir es nicht mehr bekommen.
Viele in meinem Dorf kamen ins Gefängnis, weil sie nicht zum Militär wollten, einige wurden sogar geköpft. Dort ist auch manchmal Krieg, ein oder zwei Tage lang und dann wieder nichts. Für die Regierung wäre Krieg besser. Ich bin ein Christ, bei uns heißt das "Tohaido"

Zischup: Was haben Sie auf die Reise nach Deutschland mitgenommen?
Teweldeberhan: Nichts, nur meine Kleider, die ich anhatte.
Zischup: Haben Sie eine Familie?
Teweldeberhan: Ja, ich habe eine Familie, ich habe meinen Bruder, der mich sehr unterstützt hat auf meinem Weg nach Deutschland. Meine Eltern leben noch immer in Eritrea. Ich habe aber kein Kontakt zu ihnen, da man dort kein Netz und kein Empfang hat, da alles abgeschaltet wurde. Ich habe meine zukünftige Frau, die ich schon lange kenne, und wir werden bald ein Baby bekommen. Hier im Heim mit uns wohnt auch eine Verwandte, aber nicht in unserem Zimmer.
Zischup: Wie geht es Ihnen heute?
Teweldeberhan: Gut, ja mir geht es hier sehr gut.
Zischup: Sind Sie zufrieden mit Ihrer Unterkunft?
Teweldeberhan: Ja, sehr, ich freue mich, hier zu sein.
Zischup: Mit wie viel Leuten teilen Sie sich ein Zimmer?
Teweldeberhan: Nur mit meiner schwangeren Freundin.

Zischup: Würden Sie noch einmal flüchten?
Teweldeberhan: Nein, nie wieder. Ich möchte einfach nur hier bleiben und nicht mehr von hier weggehen müssen.
Zischup: Was sind Ihre Pläne für die Zukunft:
Teweldeberhan: Ich möchte meinen Integrationskurs fertig machen. Dann möchte ich mein Praktikum als Schreiner in Hochdorf gut absolvieren, so dass ich dort eventuell eine Ausbildung anfangen kann. Da ich keinen Schulabschluss habe, weil ich ins Gefängnis musste, wird es sehr schwer sein, aber vielleicht habe ich Glück und schaffe es.

Ressort: Schülertexte

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