Handwerk in der Region
"Jugendliche für Ausbildung begeistern"
Verlagsthema Interview mit Johannes Ullrich über die Lage und Herausforderungen des Handwerks im Kammerbezirk Freiburg.
Di, 21. Jun 2022, 12:11 Uhr
Verlagsthema
Thema: Handwerk in der Region
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BZ: Herr Ullrich, noch Anfang des Jahres waren die Konjunkturzahlen des südbadischen Handwerks trotz Corona und Preisanstiegen positiv. Doch das war vor dem Ukraine-Krieg. Wie ist die Entwicklung aktuell?
Johannes Ullrich: Die konjunkturelle Situation unserer Handwerksbetriebe ist stark geprägt von Unsicherheit. Ja, rückblickend steht das Handwerk in der Region nicht schlecht da. Bis zum Beginn des Krieges in der Ukraine war die Stimmung geprägt von einem Hoffnungsschimmer durch die Coronalockerungen. Dieser Schimmer wird allerdings von den aktuellen Entwicklungen deutlich überschattet. Teilweise exorbitante Preissteigerungen bei Rohstoffen und Materialien wirken sich extrem auf die Arbeit unserer Unternehmen aus.
BZ: Lassen sich die Auswirkungen auf einzelne Branchen einschränken?
Ullrich: Unsere Umfragen zeigen: Das Handwerk ist in allen Branchen von Preissteigerungen betroffen. Knapp 91 Prozent unserer Betriebe haben in den vergangenen Wochen gestiegene Einkaufspreise gemeldet. Und Aussicht auf Besserung gibt es wohl nicht: 90 Prozent unserer Unternehmen rechnen auch in den kommenden Monaten weiter mit steigenden Einkaufspreisen. Die in vielen Fällen damit einhergehende Materialknappheit sorgt für zusätzliche Unsicherheit. Teilweise können unsere Betriebe keine Angebote mehr abgeben, weil die Kosten unkalkulierbar geworden sind.
BZ: Welche Maßnahmen könnten helfen?
Ullrich: Es ist wichtig und richtig, dass die Politik die Wirtschaft schützen und unterstützen will. Dabei darf das Handwerk als einer der wichtigsten Leistungsträger unserer Wirtschaft bei den Entlastungen nicht vergessen werden. Dafür werden wir uns auf allen Ebenen einsetzen.
BZ: Könnte sich der Ukraine-Krieg positiv auf den Fachkräftemangel beim deutschen Handwerk auswirken?
Ullrich: Das muss sich erst noch zeigen. Klar ist: Das südbadische Handwerk würde den ukrainischen Menschen durch die Integration auf dem Arbeitsmarkt gerne Unterstützung bieten. Laut einer Umfrage von Ende März sind zwei Drittel unserer Betriebe daran interessiert, Geflüchtete aus der Ukraine in Arbeit zu bringen. Und das, obwohl nicht einmal 15 Prozent bisher Erfahrungen mit ukrainisch- oder russischsprachigen Beschäftigten haben. Das bedeutet eine immense Integrationsleistung, zu der das südbadische Handwerk bereit ist. Aber mit Blick auf den Bedarf an bereits ausgebildeten Fachkräften zeigt sich: Die Themen Arbeitserlaubnis und Anerkennung sind wesentliche Knackpunkte für eine erfolgreiche Integrationsleistung. Hier muss schnell, sauber und unbürokratisch gearbeitet werden.
BZ: Bei den Auszubildenden musste noch zum Jahresende ein Rückgang von 4,4 Prozent zum Vorjahr hingenommen werden. Hat sich die Lage zwischenzeitlich entspannt?
Ullrich: Noch ist es zu früh, um konkrete Zahlen und Entwicklungen für das aktuelle Ausbildungsjahr zu nennen. Die Tendenz zeigt aktuell wieder Richtung Stabilisierung der Ausbildungszahlen. Dabei können wir aber noch nicht absehen, wie eventuell Integrationsleistungen ukrainischer Geflüchteter sich auf die Zahlen auswirken. Fest steht: Unsere Betriebe strengen sich noch stärker an, um Jugendliche für eine Ausbildung im Handwerk zu begeistern.
BZ: Auch der Klimawandel ist in aller Munde und mit ihm die Photovoltaik-Pflicht für alle Neubauten. Schaffen das die Handwerker in Zeiten von Fachkräftemangel?
Ullrich: Das Handwerk kann als starker Partner der Energiewende einen wertvollen Beitrag leisten. Allerdings stehen unsere Betriebe hierbei vor einer nahezu unlösbaren Gleichung. Es hört sich einfach an: ohne Fachkräfte kein starkes Handwerk. Ohne starkes Handwerk keine Energiewende. Doch die Lösung ist nicht ganz so einfach. Am Ende des Tages steht und fällt alles mit der Fachkräftesituation. Und die ist alles andere als rosig. Überall fehlen Fachkräfte. Im Handwerk haben wir unsere Anstrengungen deutlich verstärkt – ein Umdenken muss aber in der gesamten Gesellschaft stattfinden. Erst wenn Jugendliche und deren Umfeld – also Eltern, Lehrer und andere wichtige Leitfiguren – eine berufliche Ausbildung mit einer akademischen Ausbildung gleichsetzen, wird sich grundlegend etwas an unserer angespannten Fachkräftesituation ändern können.
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